Neue Impulse für ein bewährtes Programm

Neue Impulse für ein bewährtes Programm

Wie Liza Radler, die neue Lehrerin an der FJS, mit neuem Schwung das Programm Lernen durch Engagement bereichert. ME2BE hat nachgefragt.

Liza Radler ist 29 Jahre jung und erst seit einem Jahr frisch im Schuldienst angekommen. Sie ist Lehrerin an der Friedrich-Junge-Gemeinschaftsschule (FJS) für Deutsch, Sport und Philosophie, kommissarisches Mitglied des Schulleitungsteams und Koordinatorin für die Projektarbeit des Projektes Lernen durch Engagement an der FJS. Bei dieser Projektarbeit geht es darum, dass Schülerinnen und Schüler sich ein selbstgewähltes Thema vornehmen, sich Gedanken darüber machen, das Projekt eigenständig umsetzen und anschließend einen Projektbericht schreiben. Dieser wird dann von der Lehrkraft mit einer Note bewertet.

Wie haben Sie Ihr erstes Dienstjahr erlebt, Frau Radler?

Ich selbst habe ja erst im Mai 2023 mein Examen abgeschlossen und dann gleich an der Friedrich-Junge-Schule meine erste Stelle als Lehrkraft angetreten. Dort war ich sofort begeistert von dem Projekt Lernen durch Engagement. Dieses aus pädagogischer Sicht ganz wunderbare Projekt hatte ursprünglich mal Margrit Gebel ins Leben gerufen, eine sehr verdiente Kollegin, mittlerweile im Ruhestand, die unsere Schule jedoch weiterhin in beratender Funktion unterstützt.

Was genau müssen wir uns unter Projektarbeit vorstellen? Ist das ein Freizeitprojekt?

Nein, nein. Das ist schon Bestandteil des regulären Unterrichts. Mit einer sogenannten Projektarbeit sollen Schülerinnen und Schüler sich erstmals in ihrer Schullaufbahn mit einem selbstgewählten Thema beschäftigen. Das kann etwas Soziales sein. Muss es aber nicht. Die einzige Bedingung ist, es darf vorher nicht da gewesen sein. Ich habe den Schülerinnen und Schülern gesagt: ‚Das darf nicht googlebar sein.’ Man dürfte sich beispielsweise mit der Frage beschäftigen: ‚Wie stelle ich ein Erklärvideo her, in dem es um eine Teezeremonie geht?’ oder: ‚Ich ernähre mich einen Monat lang vegan.’ Und dokumentiert das in einem Ernährungstagebuch. Hauptsache, es ist ein selbstgewähltes Projekt, das den Interessen der Schülerinnen und Schüler entspricht. Denn am Ende der Projektlaufzeit sollen sie einen ausführlichen Projektbericht schreiben, der den Verlauf dokumentiert. Dieser wird dann auch von mir benotet.

Welche Projekte haben Sie umgesetzt, was hat die Jugendlichen interessiert?

Wir haben in diesem Jahr drei besondere Projekte umgesetzt. Da ist zum einen das Projekt ‘Bewegte Pause’ hervorzuheben. Dort haben sich Schülerinnen und Schüler der 8. Klassen Gedanken darüber gemacht, wie sie den Schulalltag für die Jahrgänge der fünften und sechsten Klassen etwas angenehmer gestalten können. Zu unserer Schulsituation: Wir sind aufgrund von Bauarbeiten in unserer eigentlichen Schule in einem Ersatzgebäude untergebracht, das wenig Möglichkeiten zur Zerstreuung auf dem Pausenhof bietet. Das hat in der Vergangenheit häufiger zu Konflikten geführt.

Dank der Schülerprojekte gibt es messbar weniger Konflikte.

Was hat sich verändert?

Es gibt messbar weniger Konflikte. Die älteren Schülerinnen und Schüler – alle in der 8. Klasse – organisieren für die Jüngeren in jeder Pause ein Völkerball-Turnier. Sie teilen Teams ein, fungieren als Schiedsrichter und leiten das Spiel an. Es macht richtig Spaß zuzusehen, wie knapp 14-Jährige an der Aufgabe wachsen, Fünft- und Sechstklässlern auch mal eine Ansage zu erteilen. Wir überlegen uns aufgrund des großen Erfolgs, diesen Ansatz auch dauerhaft in unseren Schulalltag zu implementieren.

Was gab es noch für Projekte?

Eine weitere Gruppe hat sich damit beschäftigt, wie man das Vandalismus-Problem auf den Schultoiletten beheben könnte. Es gab da wohl im vergangenen Jahr eine sehr unglückselige TikTok-Challenge, in der dazu aufgefordert worden war, Schultoiletten zu verwüsten. Nicht nur an unserer Schule. Das betraf offensichtlich alle Schulen. Diese Challenge hat leider Kreise gezogen. Hier hatte sich die Projektgruppe dazu entschlossen, eine Art Sicherheitsdienst zu organisieren, die jedem Schüler und insbesondere den Schülerinnen einen sicheren Besuch der Sanitärräume ermöglichen sollte. Unterstützend haben die Schülerinnen und Schüler die Toiletten um Deko- und Hygieneartikel bereichert. Sie haben auch neue Spiegel aufgehängt, die seitdem auch nicht mehr kaputt gegangen sind. Seitdem fühlen sich alle wieder wohl.

Lehrerin im Grünen

Liza Radler ist Lehrerin an der Friedrich-Junge-Gemeinschaftsschule für Deutsch, Sport und Philosophie.

Und das dritte Projekt?

Das war tatsächlich ein Projekt, das außerhalb unseres eigenen Schulalltags angesiedelt ist. Ein Projektteam hat sich darum gekümmert, für die benachbarte Schule einen Mini-Erst-Hilfe-Kurs anzubieten. Auch das war ein großer Erfolg. Das Thema passte auch ins Curriculum der vierten Klassen – wir hatten uns da im Vorfeld abgesprochen – und die Schülerinnen und Schüler haben einen kleinen Parcours aufgebaut und anhand verschiedener Stationen für die Grundschüler und -schülerinnen einen Kurs vorbereitet. Letztlich haben unsere Schülerinnen und Schüler da ganz eigenständig eine ganze Stunde übernommen und den Unterricht gestaltet. Es war schön zu beobachten, wie unsere Kinder zunächst noch unsicher und zitternd in die Situation reingegangen sind. Und am Ende sehr stolz und selbstbewusst aus der Stunde rausgekommen sind und gesagt haben: ‚Das war ja gar nicht so schlimm!’

Frau Radler, Sie befinden sich ja noch ganz frisch im ersten Dienstjahr und haben unter anderem den Wahlpflichtunterricht (WPU) in Ihrer Verantwortung – was glauben Sie, bringt es den Schülerinnen und Schülern, sich in Projekten wie den oben genannten zu engagieren?

Ganz viel! Es geht bei dieser Projektarbeit ja um die Gemeinschaft. Schülerinnen und Schüler sollen die Erfahrung machen, dass ihr Einsatz etwas verändert. Dass es auf dem Pausenhof weniger Konflikte gibt, dass die Schultoiletten jetzt nicht mehr verwüstet werden, das zeigt ja eine unmittelbare Wirkung, von der alle etwas haben. Aber eigentlich geht es aus pädagogischer Sicht um noch viel mehr. Schülerinnen und Schüler erfahren eine Art Selbstwirksamkeit, wenn sie aus eigenem Antrieb heraus einen Missstand erkennen, sich um einen Lösungsansatz bemühen und dann die Früchte ihres Engagements unmittelbar erfahren können. Schulisches Lernen ist ansonsten ja häufig davon geprägt, dass die Anwendung von Wissen sich nicht unmittelbar einstellt. Das ist in dieser Projektarbeit anders. Daher bin ich auch überzeugt davon, dass wir mit Lernen durch Engagement auf dem richtigen Weg sind.

Frau Radler, vielen Dank für die interessanten Einblicke in Ihren lebhaften Schulalltag.

TEXT Natascha Pösel
FOTO Sebastian Weimar