Nachwuchs-Kurator Taso Gramm über 80-Stunden-Wochen und die Arbeit mit internationalen Künstlern und seinen Eltern 

Nachwuchs-Kurator Taso Gramm über 80-Stunden-Wochen und die Arbeit mit internationalen Künstlern und seinen Eltern 

Wenn Taso Gramm über die Ausstellungsfläche der NordArt geht, unterscheidet er sich auf den ersten Blick wenig von den anderen jungen Menschen, die die Kunstwerke betrachten. Doch es gibt einen großen Unterschied: Der 30-Jährige kennt die meisten Künstlerinnen und Künstler persönlich, die im Kunstwerk Carlshütte in Büdelsdorf ausstellen. Gemeinsam mit seinen Eltern hat er sie aus 3000 Bewerbern ausgewählt.

 

NordArt: Das ist der neue Kurator 

Beim Rundgang fällt Taso Gramm zu fast jedem Werk eine kurze Anekdote ein. Während er erzählt, wischt er wie selbstverständlich Staub von einer Skulptur, rückt Installationen zurecht oder streicht Oberflächen glatt. 80 Stunden pro Woche verbringt er zeitweise hier. „Das alles ist viel mehr als ein Job”, sagt er. Für seine Familie spiele sich teilweise das ganze Leben auf dem NordArt-Gelände in Büdelsdorf ab. 

 

Ich habe mein ganzes Leben auf der NordArt verbracht.”

 

Doch von vorn: Taso Gramm ist der Sohn des Chefkurators der NordArt, Wolfgang Gramm, und der Seniorkuratorin, Inga Aru. „Ich habe quasi mein ganzes Leben auf der NordArt verbracht“, sagt der heute 30-Jährige. Bevor er im vergangenen Jahr Teil des nun dreiköpfigen Kuratoren-Teams wurde, absolvierte er eine Ausbildung zum Holzbildhauer in Flensburg und arbeitete danach als Tätowierer in Hamburg. Dort lebt er bis heute – trotz Arbeitstagen, die in Hochphasen bis zu 13 Stunden dauern können. „An solchen Tagen schlafe ich schon mal bei meinen Eltern in Sehestedt”, sagt er und lacht. Die Arbeit bei der NordArt gehört für die Familie seit 1999 zu ihrer Identität. 

Taso Gramm ist seit vergangenem Jahr Teil des dreiköpfigen Kuratorenteams der NordArt in Büdelsdorf.

Taso Gramm ist seit vergangenem Jahr Teil des dreiköpfigen Kuratorenteams der NordArt in Büdelsdorf.

 

Mit 30 Jahren in der zweiten NordArt-Saison

Doch was gehört eigentlich zu den Aufgaben des Kuratoren-Teams? „Unser Jahr ist durch die NordArt ganz klar strukturiert“, erklärt Taso. Bis Mitte Januar müssen alle Künstlerbewerbungen für die nächste Ausstellung gesichtet werden. Eine achtköpfige Jury, in der die Familie Gramm-Aru drei Sitze innehat, ermittelt die Gewinner. „Aus diesen 200 Künstlern bauen wir dann die Ausstellung”, sagt der junge Kurator. Auf mehr als 100.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche verteile er mit seinen Eltern jährlich etwa 1000 Kunstwerke von Künstlern aus 50 verschiedenen Ländern. Dazu müssen Kulissen geplant und ein fast 300 Seiten langer Ausstellungskatalog entworfen werden. Seit seiner Kindheit hilft er beim Ausbau. Neuerdings organisiert er teilweise auch den Transport und die Versicherung der Kunstwerke. 

 

Ich helfe schon so lange hier mit und bin quasi auf der Ausstellungsfläche groß geworden.”

 

Für Taso Gramm hätte die Anstellung als Kurator zwar „gerne etwas später kommen können”, doch an Arbeitserfahrung fehle es ihm schließlich nicht. Deshalb habe er das Angebot dankend angenommen. „Ich helfe schon so lange hier mit und bin quasi auf der Ausstellungsfläche groß geworden”, sagt er. Auch der Kontakt und die Kommunikation mit den Künstlern ist ihm nicht neu. Mit vielen verbindet ihn heute, in seinem zweiten Jahr als Kurator, bereits ein freundschaftliches Verhältnis. 

Die Chinesin YIN Xiuzhen nutzte für „Contemplative Thinking” hunderte Schuhe.

Die Chinesin YIN Xiuzhen nutzte für „Contemplative Thinking” hunderte Schuhe.

 

NordArt 2025: Konsumkritik mit alten TetraPaks

Auf der Ausstellungsfläche deutet Taso Gramm auf zwei Skulpturen des südkoreanischen Künstlers PARK Inkyu. Dieser entwickelte Tetrapak-Versionen der ikonischen Skulpturen „Der Denker” und der „Laokoon-Gruppe”. Dazu entwarf er 2D-Pläne der Originalwerke und übertrug sie auf alte TetraPak-Verpackungen. Die entstandene Hülle wird mit Schnüren und Hölzern zusammengehalten und symbolisiert laut des Künstlers den aktuellen Konsumwahn. „Die Zusammenarbeit mit Park war super”, schwärmt Taso Gramm. Die beiden Werke gehören zu seinen vielen Favoriten der diesjährigen Ausstellung. 

„Der Denker", eine Statue des südkoreanischen Künstlers PARK Inkyu.

„Der Denker“, eine Statue des südkoreanischen Künstlers PARK Inkyu.

 

Nur wenige Meter weiter hängt ein weiteres Lieblingsstück des Kurators von der Decke. Die chinesische Künstlerin YIN Xiuzhen sammelte für „Contemplative Thinking” hunderte einzelne Schuhe von Personen aus der chinesischen Stadt Yinchuan. Diese befestigte sie an meterlangen „Beinen” aus mit Watte gefüllten Strumpfhosen und verknotete sie an mehreren Stellen. Die Formen und Hautfarben der Beine aus Strumpfhosen unterscheiden sich dabei – „genauso wie bei uns Menschen”, sagt Taso Gramm. Die einzelnen Schuhe stünden für die individuelle Lebensgeschichte der ehemaligen Besitzer.

Das größte Highlight an der NordArt hat für Taso Gramm jedoch nur indirekt mit den ausgestellten Stücken zu tun: Das beste sei seit Beginn die Zusammenarbeit den vielen Künstlern, den Festangestellten, Mitarbeitern der Werkstätten, Werkstudenten, Schüler – und vor allem mit seinen Eltern. 

Informationen zur NordArt 

Das Kunstwerk Carlshütte ist eine Non-Profit-Kulturinitiative der international tätigen ACO Gruppe und der Städte Büdelsdorf und Rendsburg. Das Herzstück ist die seit 1999 jährlich in den Sommermonaten stattfindende NordArt. Zu den Gießereihallen mit 22.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche gehören der 80.000 Quadratmeter große Skulpturenpark und die ACO Wagenremise. Auf dem Gelände finden außerdem seit Jahren die beliebten Proben zum Schleswig-Holsteinischen Musikfestival statt. Sie können teils kostenlos besucht werden. 

Die NordArt ist noch bis zum 5. Oktober geöffnet und setzt in diesem Jahr ihren Schwerpunkt auf Künstler aus Japan und China, mit einem Sonderprojekt aus Polen. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag, jeweils von 11 bis 19 Uhr. Montags bleibt die Ausstellung geschlossen.

 

Text: Morgana Pfeifer Schridde

Fotos: Bente Rohde