Chefkurator Wolfgang Gramm und Co-Kuratorin Inga Aru sprechen über die NordArt 2021 und erzählen von den Herausforderungen durch die anhaltende Pandemie.
Schwebende Hirsche mit Flügeln, Menschen-Skulpturen aus Draht und eine faszinierende Farbenvielfalt – das war die NordArt 2021. Seit 1999 findet sie regelmäßig in den Sommermonaten auf dem Gelände der ehemaligen Eisengießerei der Carlshütte in Büdelsdorf statt und lockt mit zeitgenössischen Werken aus der ganzen Welt Besucher und Besucherinnen von nah und fern in den Norden. Langweilig wird es dabei nie, denn die Großausstellung erfindet sich jedes Jahr immer wieder neu. Variierende Schwerpunkte und Themen geben nationalen und internationalen Künstlern die Chance, sich hier zu präsentieren – sei es mit Fotografien, Videos, Skulpturen oder Installationen.
Nachdem die Ausstellung 2020 durch Corona abgesagt werden musste, gab es 2021 wieder grünes Licht. Chefkurator Wolfgang Gramm und Co-Kuratorin Inga Aru haben für uns die letzte NordArt – mit all ihren Herausforderungen – einmal Revue passieren lassen.
Me2Be: Herr Gramm, welche Bedeutung hat die NordArt für Sie als Kunstausstellung?
Wolfgang Gramm: Die NordArt hat sich als kultureller Leuchtturm in Schleswig-Holstein etabliert und strahlt weit darüber hinaus. Der Name Büdelsdorf hat sich zielstrebig einen Ruf in der weltweiten Kunstszene erarbeitet, und ich glaube, dass in der Region viele Leute darauf sehr stolz sind.
Und welche positiven Effekte hält sie dadurch für die Region bereit?
Abgesehen von der kulturellen Bildung und dem Kunstgenuss, der durch die NordArt für viele Menschen nur ein paar Schritte vor der Haustür liegt, zieht die NordArt wachsende Aufmerksamkeit des Kultur-Tourismus auf sich und spielt damit letztendlich für die Region auch eine Rolle als Wirtschaftsfaktor. Da profitieren viele Betriebe in der Umgebung, aber auch Abiturientinnen und Abiturienten oder Studierende, die einen Ferienjob bei der NordArt finden.
Die NordArt 2020 musste coronabedingt ausfallen. Mit welchen Herausforderungen hatten Sie in diesem Jahr durch die Pandemie zu kämpfen?
Eine der besonderen Herausforderungen war, dass viele Künstler, die im Frühjahr hier sein sollten, um ihre Werke vor Ort zu kreieren oder aufzubauen, nicht einreisen konnten. Damit fand der kreative internationale Austausch, der die NordArt ja auch schon im Vorweg so lebendig macht, 2021 nicht statt.
Für die NordArt 2021 mussten wir diverse Vorsorgemaßnahmen treffen, um die Risiken zu reduzieren und den Vorgaben der Hygieneverordnung Folge leisten zu können. Dazu zählten zum Beispiel ein zusätzlicher Zugang auf das Ausstellungsgelände und ein Buchungssystem, um zu große Menschenansammlungen zu vermeiden.
Frau Aru, können Sie uns sagen, ob die Ausstellung trotzdem gut ankam?
Inga Aru: Nach einem Jahr Zwangspause war die Dankbarkeit und Freude des Publikums besonders zu spüren. Normalerweise hätte ja die Wartezeit beim Einlass für Unmut gesorgt, aber wir haben nur strahlende Augen gesehen. Aber auch wegen der hervorragenden Qualität und des hohen Niveaus der ausgestellten Werke hatten wir sehr viel positives Feedback. Und die Einzigartigkeit des Ambientes im Zusammenspiel mit der Kunst spricht sich immer mehr herum.
Wie viele Menschen kamen denn?
Trotz der Umstände und entgegen den Befürchtungen, dass die Besucherzahl erheblich zurückgehen könnte, haben doch rund 80.000 Besucher den Weg nach Büdelsdorf gefunden.
Und viele dieser Besucher waren noch recht jung. Viele Schüler und Schülerinnen kommen im Rahmen eines Schulausflugs zur Ausstellung.
Für die Schulgruppen ist die NordArt ein beliebtes Ziel geworden. Aus kunstpädagogischer Sicht ist es auch ein Glücksfall für die Schulen im Umkreis: Wer hat schon die Möglichkeit, aktuelle Kunst aus der ganzen Welt quasi im Unterricht zu sehen?
Gibt es auch Projekte, die Sie gemeinsam mit den Schulen umsetzen?
Die NordArt hat schon vielfach mit Schulen kooperiert. So haben zum Beispiel die Schülerinnen des ästhetischen Profils der Heinrich-Heine-Schule eine Ausstellungs-App als digitale Schnitzeljagd entwickelt, um die jüngeren Schüler an die Kunstwerke der Ausstellung heranzuführen. Dafür konnten die Schüler in der Aufbauphase auch die Künstler treffen. Voraussetzungen für mögliche Projekte ist aber immer die Initiative und Kooperationsbereitschaft der Schulen und kunstbegeisterter Lehrerkräfte.
2021 ging es um ‘Werte’ und ‘Identität’. Wie führen Sie junge Menschen an diese Themen ran?
Die Führungen helfen natürlich dabei, ein Thema zu vertiefen. Unsere Guides haben sich nicht nur in die Künstlerbiografien eingelesen, sondern häufig auch direkten persönlichen Kontakt. So können sie sozusagen einen zusätzlichen Rahmen schaffen. Das Angebot ist aber nicht nur für junge Menschen, sondern für alle unsere Besucher gedacht – und wird auch sehr gut angenommen.
Bei einer Großausstellung arbeiten viele Menschen zusammen. Welche Berufsgruppen helfen dabei, das alles zu realisieren, Herr Gramm?
Nach der NordArt ist vor der NordArt. Schon während einer laufenden Ausstellung wachsen die ersten Ideen für das Folgejahr, die wir gern realisieren wollen. Dazu kommen mehrere tausend Bewerbungen, die wir gemeinsam mit einer Jury sichten. Steht das Drehbuch, laden wir andere Kuratoren zur Unterstützung bei besonderen Projekten ein.
Dann geht es an die Umsetzung, und dafür brauchen wir Ausstellungstechniker – also Tischler, Metallarbeiter, Maler, Elektriker, auch Gärtner. Man muss ebenfalls wissen, wie man mit Gemälden umgeht, wie mit tonnenschweren Skulpturen. Nicht zu vergessen die Logistik – die Kunstwerke kommen ja aus aller Welt, da spielen neben der Koordination auch Zollformalitäten eine große Rolle.
Und dann darf ein gutes Marketing nicht fehlen. Sie entwerfen das Flyer, den Katalog sowie Plakate. Kümmern sich um Social Media und bedienen Presse und Rundfunk. Dafür, aber auch, um durch die Ausstellung zu leiten, muss eine Vielzahl von Informationen bearbeitet werden.
Läuft die NordArt, brauchen wir Ausstellungsbetreuer und natürlich unsere Guides.
Das ist ja eine Vielfalt an Möglichkeiten, sich beruflich einzubringen. Und apropos ‘Nach der NordArt ist vor der NordArt’: Was ist denn für 2022 geplant?
Wir freuen uns schon jetzt auf die 23. NordArt und arbeiten auf Hochtouren an der neuen Ausstellung, die vom 4. Juni bis zum 9. Oktober öffnen wird. Welchen Länderschwerpunkt wir setzen und welche Sonderprojekte es geben wird – dieses Geheimnis lüften wir aber erst Anfang März auf unserer Webseite.
TEXT: Juliane Urban
FOTOS: NordArt, Sophie Blady