Lena Frankenmöller ist überzeugt: Für dieses Studium würde sie sich immer wieder entscheiden. Die 29-Jährige arbeitet bei der Frühförderung Norderstedt, einer interdisziplinären Frühförderstelle in Schleswig-Holstein. Im Jahr 2013 begann sie das Studium „Transdisziplinäre Frühförderung” an der MSH Medical School Hamburg und schloss dieses 2016 mit dem Bachelor ab. Über ihr Studium, ihre Begeisterung zum Beruf und wofür sie sich mehr Bewusstsein wünscht, hat sie ME2BE erzählt.
“Ich arbeite heute dort, wo ich im fünften Semester mein Praktikum absolviert habe: bei der Frühförderung Norderstedt. Hier habe ich nach meinem Abschluss zunächst auf Honorarbasis und seit 2018 in einer Festanstellung gearbeitet. Mir war bereits in der Grundschule bewusst, dass ich später einmal mit Kindern arbeiten möchte, denn mein großes Vorbild war meine Lehrerin. Nach meinem Abitur verbrachte ich ein Jahr in New York. Während dieser Zeit schickte mir eine ehemalige Klassenkameradin den Link zum Studiengang Transdisziplinäre Frühförderung an der MSH, und ich wusste sofort: Damit kann ich mich identifizieren, das möchte ich machen. Daraufhin habe ich mich beworben und den Studienplatz erhalten.
Am Studium der Transdisziplinären Frühförderung gefällt mir vor allem, dass man mit Kindern von der Geburt bis zum Schuleintritt arbeitet. Auch die Zusammenarbeit mit Kindern mit Beeinträchtigungen oder besonderen Bedürfnissen interessiert mich und ich finde es wichtig, ihnen die bestmögliche Unterstützung zu bieten. Die transdisziplinäre Ausrichtung des Studiums, die den Familien eine Vernetzung eröffnet, ist ein weiterer Punkt, der mich überzeugt. In dieser Form ist das Studium einzigartig. In pädagogischen Seminaren behandeln wir Themen der frühkindlichen Entwicklung, darüber hinaus besuchen wir Lehrveranstaltungen in den Fächern Logopädie, Physiotherapie, Ergotherapie, Psychologische und Medizinische Grundlagen, Statistik und Ethik. Dieses breitgefächerte Studium ist von Beginn an so angelegt, dass die Arbeit mit Familien nur dann Sinn ergibt, wenn sich alle Professionen, die in diesem Bereich arbeiten, austauschen und transdisziplinär vernetzen.
Die Lernatmosphäre ist durch die kleine Kursgröße sehr familiär. Die Dozentinnen und Dozenten sind zuverlässig, nahbar und der Austausch vermutlich lebhafter als bei größeren Vorlesungen an Universitäten. Die Fallbeispiele sind sehr konkret, und die meisten Dozentinnen und Dozenten arbeiten auch noch in dem Bereich und kennen die Praxis genau. An der MSH kennt man sich und wird mit seinem Namen angesprochen. Dadurch, dass der Bereich der Frühförderung in Deutschland gut vernetzt ist, trifft man seine Professorinnen und Professoren immer wieder.
An den Einstieg ins Berufsleben erinnere ich mich gerne. Wir Studierende waren alle nach unserem Abschluss weiterhin vernetzt und durften feststellen, dass wir durch das Studium optimal auf das Berufsleben vorbereitet wurden. In unserem Berufsfeld herrscht ein großer Bedarf, daher sind wir mit offenen Armen empfangen worden. Die ersten positiven Entwicklungen bei den Kindern zu sehen, ist auch eine besondere Erfahrung. In meiner Einrichtung wurde ich sehr herzlich empfangen. Die ersten zwei Jahre wurden mir sogar ,Paten‘ zur Seite gestellt, die ein offenes Ohr für meine Fragen hatten. An meiner Arbeit mit Kindern schätze ich besonders, dass sie sehr impulsiv und glücklich sein können und vor allem direkt kommunizieren. Ich arbeite gerne mit den ganz Kleinen, weil sie noch nicht so gesellschaftlich geprägt und dadurch authentischer sind. Das bringt so viel Leichtigkeit in die Arbeit und Freude. Betrachten zu dürfen, wie sich ihre Welt minütlich erweitert, das ist etwas ganz Besonderes für mich.
Jedes Kind, das eine Bewilligung zur Frühförderung besitzt, wird in einem gewissen Umfang betreut. Aktuell arbeite ich bei 32 Wochenstunden mit zehn Familien und elf Kindern. Der Tag beginnt im Büro und mit dem Zusammentragen von fördernden Spielmaterialien. Vormittags bin ich meist in Kitas unterwegs und begleite die betreffenden Kinder entweder in der Gruppe oder in der Einzelförderung. Meine Arbeit dreht sich hier oft um die Frage, was das Kind braucht, um an der Situation teilnehmen zu können. Für manche ist die Lösung ein Zelt, manchen ist es zu laut und Ohrenschützer können Abhilfe schaffen. Mit den Kita-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern setzen wir gemeinsame Ziele und stehen im regelmäßigen Austausch. Am Nachmittag arbeiten wir im häuslichen Umfeld der Kinder und haben so die Möglichkeit, mit den Eltern zu sprechen. Grundsätzlich stehen wir im Dialog mit allen verantwortlichen Institutionen: mit dem Kinderarzt, Therapeuten, dem Jugendamt. Dabei ist unsere Arbeit für die Eltern stets transparent.
Wer mit dem Gedanken spielt, transdisziplinäre Frühförderung zu studieren, sollte für die Verschiedenheiten kindlicher Entwicklung und unterschiedlichen Kulturen offen sein. Man sollte selbständig und selbstorganisiert arbeiten können, viel Empathie mitbringen und Freude an Kindern bis zu sechs Jahren haben. Das Studium beginnen manche direkt nach dem Abitur, andere haben bereits eine Ausbildung als Erzieherin oder Erzieher oder Kinderkrankenschwester oder -pfleger absolviert oder andere Erfahrungen.
Neben der pädagogischen Arbeit geht es viel um Informationsaustausch und Aufklärungsarbeit und darum, den Eltern Angebote aufzuzeigen. Es ist ein Berufsfeld mit akutem Bedarf an Fachkräften. Ich würde den Beruf immer wieder wählen und bin nach wie vor begeistert. Dem Studium wünsche ich noch mehr Resonanz und dass sich mehr Menschen für eine Tätigkeit im sozialen Bereich entscheiden.
Das Studium hat mir auch vor Augen geführt, was gesellschaftlich noch nicht funktioniert und was das für die Familien bedeutet. Ich plädiere dafür, niedrigschwellige Unterstützungsangebote für Familien auszubauen. Eine deutliche Diskrepanz sehe ich zwischen dem eigenen Anspruch an die Arbeit und den finanziellen Mitteln, die bereitgestellt werden. Mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung wäre zum Beispiel sehr wichtig.”
TEXT Sophie Blady
FOTO Sebastian Weimar