Serhij Zhadan, 1974 geboren, ist einer der bekanntesten ukrainischen Schriftsteller. Als Dichter, Musiker und Übersetzer lebt er in Charkiw und unterstützt bereits seit 2014 die ukrainische Armee im Donbas, gibt Konzerte und liefert Hilfsgüter.
Seit dem 24. Februar 2022 ist er Tag und Nacht in Charkiw mit unzähligen Freiwilligen unermüdlich unterwegs, evakuiert Menschen, verteilt Hilfsgüter an Bewohner und Soldaten an der Front, gibt mit seiner Band „Sobaky“ (dt. Hunde) Konzerte in U-Bahn-Stationen und sammelt Spenden.
In sozialen Netzwerken veröffentlicht Serhij Zhadan seit Kriegsbeginn ein Tagebuch; im Oktober erschienen Auszüge unter dem Titel „Himmel über Charkiw. Nachrichten vom Überleben im Krieg”. Darin schildert er eindrucksvoll – gewissermaßen stellvertretend für ein ganzes Land – den erfolgreichen Widerstand seiner Stadt gegen den verbrecherischen Angriffskrieg der russischen Armee.
Am 23. Oktober wurde Serhij Zhadan in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels „für sein herausragendes künstlerisches Werk sowie seine humanitäre Haltung“ ausgezeichnet. Die beeindruckende Dankesrede ist auf YouTube in vollständiger Länge zu sehen und zu hören. Sie endet mit den Worten:
Manchmal erscheint uns die Sprache schwach, aber vielfach ist sie es, die Kraft spendet. Vielleicht geht die Sprache für einen Moment auf Abstand zu dir, aber sie lässt dich nicht im Stich, und das ist wichtig und entscheidend. Solange wir unsere Sprache haben, haben wir immerhin die wage Chance, uns erklären, unsere Wahrheit sagen, unsere Erinnerung ordnen zu können. Deswegen sprechen wir und hören nicht auf, selbst wenn unsere Kehle von den Worten wund wird, selbst wenn du dich von den Worten verlassen fühlst.
Die Stimme gibt der Wahrheit eine Chance, und es ist wichtig, diese Chance zu nutzen. Vielleicht ist das überhaupt das Wichtigste, was uns allen passieren kann.
Titelbild: Serhij Zhadan, seine Übersetzerin Claudia Dathe (links) und die Moderatorin Katja Stetsevych, im Literaturhaus Stuttgart, am 10. Oktober 2022.
TEXT und FOTOS Erhard Mich