Erweiterte Horizonte, Perspektivwechsel und kritisches Denken hält Oberstufenleiterin Katharina Schlichtherle für unabdingbare Skills an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule.
Würden Sie sich bitte einmal vorstellen.
Studiert habe ich in Bamberg, Kiel und an der University of Maryland, wo ich meinen MA gemacht habe; seitdem habe ich eine große Affinität zu den USA, wo ich regelmäßig Freunde und Familie besuche. Seit 2005 bin ich im Schuldienst in Schleswig-Holstein, war aber von August 2015 bis Juli 2023 an der Deutsch-Norwegischen Schule in Oslo tätig, auch dort als Oberstufenleiterin.
Seit August 2023 bin ich hier an der TJG als Oberstufenleiterin, was durchaus neue Herausforderungen mit sich bringt, schon weil die Schule deutlich größer ist. In Oslo gab es in den Klassen 5 bis 12 etwa so viele Schüler und Schülerinnen wie hier in der Oberstufe.
Mögen Sie auch etwas Privates über sich verraten?
In meiner Freizeit reise ich gerne und viel. Ich bin passionierte Skifahrerin (Alpin), lese, stricke und backe, wenn ich mal zur Ruhe kommen will, entdecke neue kulinarische Highlights in meiner Umgebung oder eben auf Reisen, und treffe mich häufig mit Freunden. Durch mehrere Fahrten nach Schottland – und den Einfluss von Freunden – habe ich einen guten schottischen Single Malt Whisky für mich entdeckt und sammle gute Tropfen.
Die Corona-Pandemie in Norwegen zu verbringen, war etwas Besonderes. Wir hatten allerdings in Oslo mit weniger Restriktionen zu kämpfen als in Deutschland. Da das Reisen lange auf Norwegen beschränkt war, habe ich das Land richtig gut kennenlernen können. Ich habe zwei Fahrten – mit wenigen Passagieren – auf den Hurtigruten-Postschiffen erlebt, einmal im Juli mit Mitternachtssonne und wenige Monate später über Weihnachten mit Polarlichtern an Heiligabend über Tromsø. Das waren wirklich herausragende Erfahrungen und ganz besondere Erlebnisse.
Welche Jahrgangsstufen und Abschlüsse umfasst die TJG in der Oberstufe?
Als Gemeinschaftsschule mit Oberstufe war die TJG immer eine G-9-Schule, die Oberstufe umfasst also die Jahrgänge 11 bis 13. Unsere Schüler und Schülerinnen können die Fachhochschulreife oder das Abitur machen – und das ist nicht etwa leichter als an einem Gymnasium. Sie müssen die gleichen zentralen Abiturklausuren schreiben, wie alle anderen Schüler in Schleswig-Holstein auch, und müssen entsprechend gut vorbereitet werden.
Welche Verantwortlichkeiten beinhaltet Ihre Position?
Grundsätzlich bin ich für die pädagogische und organisatorische Koordination in der Oberstufe zuständig. Das ist zum einen die verwaltende Tätigkeit: Zugänge und Abgänge prüfen, Kurse oder Klassen planen, Termine koordinieren, Informationen an Schüler und Kollegen geben, Prüfungsergebnisse verwalten und melden, Zeugniskonferenzen vorbereiten und durchführen, Zeugnisse erstellen etc. Bei uns an der Schule kommt noch die Mitarbeit am Stundenplan und bei der Unterrichtsverteilung hinzu.
Zum anderen geht es darum, neue Ideen zusammen mit Kollegen und Schülern zu entwickeln, wie wir den Tag und das Erleben der Schule besser, angenehmer und effektiver gestalten können. Dazu kommt, Ansprechpartnerin vor allem für Schüler, aber auch Kollegen zu sein, bei Problemen zu helfen oder Laufbahnberatungen durchzuführen.
Und natürlich unterrichte ich auch in meinen Fächern in der Oberstufe. Die Arbeit mit den bzw. für die Schüler ist das, was mir am wichtigsten ist und richtig Spaß macht.
Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie für Schüler bei der Planung ihrer zukünftigen Bildungs- und Berufslaufbahnen? Und wie unterstützt die Schule diese dabei?
Für viele unserer Schüler gilt, dass Deutsch nicht ihre Erstsprache ist, einige sind erst seit sechs, sieben Jahren hier und stehen trotzdem kurz vor dem Abitur – das finde ich sehr bewundernswert. Trotzdem denke ich, dass sie größere Hürden vor sich haben, als Schüler mit Deutsch als Erstsprache und vor allem aus bildungsnahen Haushalten – das belegen genug Studien.
Die Schüler wissen oft nicht um die Vielfalt an Berufen und Möglichkeiten, und welche Talente bzw. soft skills sie haben, die sie hier sinnvoll einsetzen können.
Leider gaukeln soziale Medien oft genug vor, dass man als Influencer richtig viel Geld verdienen kann, so dass ich das schon mehrfach als Berufsplan gehört habe. Die mittel- und langfristige Perspektive denken viele Jugendliche eben noch nicht mit.
Begeistert bin ich an der TJG aber tatsächlich vom Bereich Berufsorientierung – ich habe noch keine Schule erlebt, an der dieser Bereich so vielfältig und engagiert geführt wird, so dass jeder Schüler und jede Schülerin wirklich die Chance hat, Ideen für die Zukunft zu entwickeln und Kontakte zu Firmen und Universitäten aufzunehmen. Jede und jeder von ihnen kann die eigenen Stärken sowie Schwächen feststellen, über fachliche Leistungen in der Schule hinaus.
Sie sind auch Lehrerin für Englisch und Geschichte. Würden Sie uns etwas über Ihre Erfahrungen im Unterrichten von Englisch und Geschichte erzählen?
Ich unterrichte beide Fächer unheimlich gern, wobei es in Geschichte doch immer wieder mal Themen gibt, wo sich Klasse und Lehrkraft etwas quälen müssen. Aber die Lehrpläne sind vor allem in der Oberstufe inzwischen so verbessert worden, dass wir viel mehr die Verbindung zu aktuellen Themen herstellen können. Und am aktuellen Rechtsruck und steigenden Antisemitismus sieht man, wie wichtig es sein kann, dass junge Menschen fundierte Kenntnisse in Geschichte haben und diese auf heutige Entwicklungen anwenden können.
Englisch gehört inzwischen einfach dazu, das ist eigentlich keine vollwertige Fremdsprache mehr – und viele unserer Schüler beherrschen die Sprache hervorragend, sind viel selbstbewusster und redegewandter, als das vielleicht vor 20 Jahren üblich war. Auch hier geht es viel um aktuelle Entwicklungen und um die Kultur in den verschiedenen englischsprachigen Ländern, längst nicht mehr nur in Großbritannien und den USA. In beiden Fächern werden Horizonte erweitert, Perspektivwechsel ermutigt und kritisches Denken geschult, und das halte ich für unabdingbar.
Welche Aspekte dieser Fächer finden Sie persönlich besonders faszinierend und warum?
Besonders wertvoll sind meines Erachtens Lernmöglichkeiten außerhalb der Schule: Fahrten beispielsweise ins englischsprachige Ausland sorgen für die direkte Auseinandersetzung mit der Sprache und der Kultur. Das sorgt oft für Selbstbewusstsein im Umgang mit der Sprache – ich kann das ja doch –, aber vermittelt auch Einblick und Verständnis in andere Länder mit ihren Bewohnern. Meine besten Erlebnisse mit Schülern waren auf Fahrten nach Schottland, Buchenwald, in die USA… Es sind letztlich diese Erlebnisse, an die sich alle Beteiligten länger und lieber erinnern, als an das, was letzten Montag im Unterricht los war.
Wie können Schülerinnen und Schüler von den Fächern Englisch und Geschichte profitieren, wenn es um ihre persönliche Entwicklung und ihr zukünftiges Leben geht? Und welche Tipps geben Sie?
Wenn sich Schüler tatsächlich für Berufe „mit Geschichte“ interessieren, kann ich ihnen nur raten, viele Praktika zu machen und sich vor allem zu erkundigen, was es da eigentlich alles jenseits von Forschung und Lehre gibt. Ich fand Geschichte immer toll, Englisch auch, naja, dann mache ich halt Lehrer… Aber ich wusste gar nicht so recht, dass es in Museen, bei Stiftungen, in Gedenkstätten etc. ebenfalls tolle Arbeitsmöglichkeiten gibt.
Oder dass Geschichte ein tolles Hobby sein kann und ich mein Organisationstalent vielleicht anderweitig beruflich anbringen könnte. Das gleiche gilt eigentlich auch für Berufe „mit Sprachen“ – erstmal überlegen, was man eigentlich an Sprachen gut findet oder was man mit ihnen verbindet. Geht es um die Kommunikation mit Menschen? Geht es um die andere Kultur, die ich nur mit der Sprache verstehe? Lese ich einfach gern Literatur? Jeder Schwerpunkt kann beruflich in ganz andere Richtungen führen.
TEXT Hilke Ohrt
FOTO Reinhart Witt