Schulabgänger sollten mutig sein, ihr Leben nach ihren eigenen Maßstäben zu leben
Jacqueline Shayesteh-Kohar ist im vergangenen Schuljahr als Referendarin neu an die Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule gekommen. Die 33-Jährige ist Lehrerin in Ausbildung mit der Fächerkombination Deutsch und NaWi/Bio. Während des Gesprächs vor den Sommerferien absolviert die Referendarin gerade ihr erstes Schuljahr an dieser Schule; das Referendariat umfasst in der Regel eineinhalb Jahre. Zunächst hatte sie utopische Vorstellungen vom Schuldienst, ist jetzt aber dabei, ihre Rolle zu finden und auszufüllen.
Die junge Referendarin fand über das Bewerbungsportal des Landes ihren Weg an diese Schule. Sie hat gerne in Flensburg studiert und wäre am liebsten dort geblieben; Kiel war damals ihre zweite Wahl. Mittlerweile hat sie sich allerdings gut in Kiel eingelebt. „Ich bin hier angekommen und sehr zufrieden mit dieser Stelle“, sagt Jacqueline Shayesteh-Kohar. Mit viel Elan und Engagement möchte sie einige Projekte umsetzen und einen positiven Einfluss auf die Schulgemeinschaft haben.
Als Deutschlehrkraft trägt sie Verantwortung für die durchgehende Förderung der Sprachkompetenz und des literarischen Verständnisses ihrer Schüler. Sie hat bereits Erfahrungen in diesen Bereichen gesammelt. Als Halbperserin kennt sie kulturelle Vielfalt und unterschiedliche Perspektiven. Obwohl sie nicht zweisprachig aufgewachsen ist, hat sie dennoch einen Einblick in beide Kulturen und nutzt dieses Wissen, um ihre Schülerinnen und Schüler zu inspirieren.
In Bezug auf die Lektüre im Unterricht, aber auch auf Rechtschreibung und weitere Kompetenzen folgt sie ihrem Unterrichtskonzept. Da heute Zusammenfassungen von Büchern leicht online verfügbar sind, verzichtet Shayesteh-Kohar bewusst darauf, Inhalte abzufangen. Stattdessen legt sie in der Literaturarbeit den Fokus auf die thematischen Schwerpunkte der Lektüre wie beispielsweise Konfliktmanagement, Selbstmord oder Rollenbilder in der Familie. Diese Themen haben einen starken Alltagsbezug und dadurch Relevanz für die Schülerinnen und Schüler. Das weckt ihr Interesse und fördert ihre aktive Beteiligung. Innerhalb des schulischen Rahmens besteht die Möglichkeit, aus einem Literaturkanon zu wählen und entsprechende Bücher gemeinsam mit der Klasse zu lesen.
„Ich bin mit idealistischen Vorstellungen in die praktische Schularbeit eingestiegen und habe die durchgängige Sprachbildung als Ziel“, so die Referendarin.
Zur Sprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler gehört unter anderem Rechtschreibung. „Bei vielen Schülern bestehen hier Defizite und es ist eine Herausforderung, diese zu beheben. Allerdings sind die Schülerinnen und Schüler in der Regel motiviert, sich zu verbessern“, erzählt sie. Das ist wichtig, denn auch nach dem Schulabschluss spielt Rechtschreibung noch eine Rolle. Bereits die Bewerbung sollte fehlerfrei sein, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Shayesteh-Kohars Rat für bessere Rechtschreibung lautet: viel lesen, gezielte Übungen machen und die grundlegenden Rechtschreibregeln verstehen.
In diesem Schuljahr betreut sie eine neunte Klasse in Deutsch und wird ein Bewerbungstraining durchführen. Außerdem stehen in der neunten Klasse Projektprüfungen an, berichtet die Lehrerin in Ausbildung. Dabei geht es um Präsentationen, bei denen sowohl die sprachliche Ausdrucksfähigkeit als auch die nonverbale Kommunikation, also Körpersprache, eine wichtige Rolle spielen. Durch Übungen in der Schule, in denen sie lernen, sich zu präsentieren, können Jugendliche sowohl im Betrieb als auch in der Projektprüfung sicherer auftreten; das sei auch allgemein bei Bewerbungsgesprächen wichtig und teilweise entscheidend.
Shayesteh-Kohar berichtet ebenfalls von positiven Erfahrungen im naturwissenschaftlichen Unterricht. Auch wenn nicht jede Stunde ein Experiment beinhaltete, zeige sich, dass Schülerinnen und Schüler besonders motiviert und engagiert seien, wenn praktische Versuche durchgeführt werden.
„Natürlich geht es in der Schule nicht nur um fachliche, sondern auch um soziale Kompetenzen. Das beginnt mit einem respektvollen Umgang miteinander. Gemeinsam arbeiten wir daran, diese Werte zu fördern. Dazu haben wir Klassenverträge aufgestellt, die klare Regeln, Konsequenzen und auch Belohnungen festlegen“, so die Referendarin.
Sie legt großen Wert darauf, dass der Klassenraum ein sicherer Ort sei, in dem die Jugendlichen frei sprechen können: „Ein Beispiel: Wir lachen nicht über den anderen, wenn wir etwas sagen. Auch nicht unter Freunden, denn selbst, wenn es nicht böse gemeint ist, macht das Lachen etwas mit jemandem.“ Dazu wurden klare Gesprächsregeln eingeführt und erfolgreich implementiert: „Mir ist es wichtig, dass wir im Klassenraum einen gemeinsamen Raum haben, in dem wir frei miteinander reden können und keine Angst haben müssen.“
Nach der Beobachtung, dass es vielen Schülerinnen und Schülern oft schwer fiel, sich nach der Pause sofort auf den Unterricht einzulassen, wurde eine anderthalbminütige „Ankommenszeit“ eingeführt, die von einem Jugendlichen gestoppt wird. Alltagsrelevante Methoden wie diese, werden nicht an der Hochschule gelehrt, den Impuls hierfür habe Shayesteh-Kohar von ihrer Mentorin bekommen, die eine stille Minute eingeführt hat. Je nach Klassenstufe werde variiert; in der sechsten Klasse müssten die Schülerinnen und Schüler nach der Pause runterkommen, in der achten Klasse müssten sie erstmal im Unterricht ankommen und bereit dafür sein.
„Ich befinde mich selbst noch in der Ausbildung, um meine Rolle als Lehrerin zu finden und weiter zu entwickeln. In der Schule sammle ich viele Eindrücke und setze mich mit Fachanforderungen, dem schulinternen Curriculum sowie anderen wichtigen Unterrichtskomponenten auseinander. Dabei berücksichtige ich Bildungsstandards und die Bedürfnisse meiner Lerngruppe“, sagt die Referendarin.
Nach ihrem Schulabschluss sei sie unsicher über ihren weiteren Weg gewesen und habe mehrere Optionen ausprobiert. Schließlich habe sie sich für den Lehrerberuf entschieden und die Fächerkombination gewählt, die sie begeistere. Aus ihrer eigenen Erfahrung möchte sie Jugendlichen einige Erkenntnisse vermitteln: „Während der Ausbildung ist es entscheidend, eigene Erfahrungen zu machen und nicht nur auf andere zu hören. Jeder Beruf birgt unterschiedliche Facetten, und Erfahrungen anderer sind nicht immer auf die eigene Situation übertragbar.
„Ich selbst habe Horrorgeschichten über den Lehrerberuf und vor allem den Vorbereitungsdienst gehört und anfangs Angst gehabt. Das war absolut unnötig“, sagt sie. Schulabgänger sollten mutig sein, ihr Leben nach ihren eigenen Maßstäben zu leben. In der Ausbildung erwartet niemand, dass man bereits alles kann oder perfekt ist; man wächst mit der Zeit. „Ich habe verschiedene Wege ausprobiert, bevor ich meinen Weg fand. Jetzt bin ich dort angekommen, wo ich sein möchte und fühle mich bestätigt, dass ich am richtigen Platz bin“, betont Shayesteh-Kohar. Eine weitere wichtige Erkenntnis sei, dass man ein Leben lang lerne.
TEXT Hilke Ohrt
FOTO Reinhart Witt