Yacht- und Bootswerft Rathje in Kiel verbindet Bootsbautradition mit Hightech und bildet den Berufsnachwuchs aus
Motorboote, Segelklassiker aus Holz, moderne Kunststoffboote und so manche Luxusyacht warten in den Hallen direkt an der Kieler Förde auf kundige Bootsbauerhände. „Wir haben meist immer etwa zwanzig Boote, um sie im Kundenauftrag zu reparieren, mit neuer Technik auszustatten oder für die neue Saison fit zu machen“, erzählt Edith Vonhoff, Inhaberin der Yacht- und Bootswerft Rathje in Kiel-Pries.
Schwimmende Oldtimer aus edlen Hölzern werden bei der Traditionswerft außerdem fachmännisch restauriert, um die wertvollen Schmuckstücke für die Zukunft zu erhalten. In ihrer Branche gehe es nicht um anonyme, austauschbare Produkte: „Segelyachten haben eine besondere emotionale Bedeutung für die Eigner. Sie verbringen viel Zeit an Bord, oft mit der ganzen Familie; sie segeln in den Urlaub oder nehmen an Regatten teil. So manches gut gepflegte Boot segelt über Jahrzehnte“, weiß Edith Vonhoff, die den 1922 gegründeten Familienbetrieb in dritter Generation führt.
Ich wollte diesen Beruf auf jeden Fall erlernen – und das geht nun mal meist nur an der Küste.
– Basti Kemper
Weil Rathje in der maritimen Welt ein bekannter Name ist, kommt es immer mal wieder vor, dass Kunden der Werft 30 oder 40 Jahre die Treue halten. „Einige Kunden kommen schon seit 60 Jahren zu uns, sodass auch enge persönliche Bindungen entstanden sind. Und wir kennen ihre Yachten natürlich bestens.“ Die Kunden schätzen die Qualitätsarbeit, für die Rathje als traditionsreicher Handwerksbetrieb seit bald 100 Jahren steht.
„Wir legen größten Wert auf Mitarbeiter mit fundierter Ausbildung und Liebe zum Handwerk. Nur gemeinsammit unserem eingespielten und leistungsfähigen Team aus kompetenten Fachkräften können wir unseren Kunden herausragende Qualität bieten“, betont die Chefin. 23 Mitarbeiter bilden die „Mannschaft“, darunter zwei Bootsbaumeister, Bootsbauer, Motorenschlosser und sieben Azubis.
Einer von ihnen ist Basti Kemper. Der 24-Jährige kam aus Nordrhein-Westfalen an die Waterkant, um seinen Traumberuf zu erlernen – Bootsbauer in der Fachrichtung Neu-, Aus- und Umbau. Bastis Vater ist selbst Handwerker, und schon als Kind war Basti ein begeisterter Segler. „Ich wollte diesen Beruf auf jeden Fall erlernen – und das geht nun mal meist nur an der Küste.“ So ist er schließlich nach Kiel zu Rathje gekommen, wo er schon im dritten Lehrjahr die Vielfalt des Handwerks lernt: „Wir gehen nicht nur mit verschiedenen Hölzern als Material um, sondern auch mit Stahl, Aluminium und faserverstärkten Kunststoffen (GFK), erzählt Basti, während er eine Stelle am Rumpf einer Yacht mit einem Schleifgerät so perfekt bearbeitet, dass von dem kleinen Unfallschaden schließlich nichts mehr zu sehen ist.
Basti lernt, Boote selbst zu bauen, sie umfassend zu reparieren, mit Einbauten an Deck zu versehen und die Rümpfe im Unterwasserbereich speziell zu beschichten, damit das Salzwasser keine Schäden anrichten kann. „Wer mit wertvollen Booten arbeiten will, sollte den Anspruch haben, Top-Qualität abzuliefern“, sagt der 24-Jährige selbstbewusst. „Wichtig ist auch, einen Sinn für Ästhetik zu entwickeln. Ich finde beispielsweise ein Deck aus Teakholz an Bord einer Traditionsyacht besonders schön.“
Auf jeden Fall sollten die jungen Leute Spaß daran haben, mit den Händen zu arbeiten.
– Edith Vonhoff
„Der Schulabschluss ist bei uns nicht ganz so wichtig“, ergänzt seine Chefin Edith Vonhoff. Dafür zählen handwerkliches Geschick, körperliche Fitness und Teamfähigkeit. „Denn in einer Werft arbeiten alle immer eng zusammen und Hand in Hand.“ Wert lege sie bei den Bewerber/innen außerdem auf gutes Benehmen, Höflichkeit und Zuverlässigkeit. „Auf jeden Fall sollten die jungen Leute Spaß daran haben, mit den Händen zu arbeiten.“
Ob für sie der Beruf des Bootsbauers in Frage kommt, können Schüler in einem Praktikum ausprobieren. Auch Mädchen bekommen bei Rathje immer eine Chance, auch wenn die Mehrzahl der Azubis Jungen sind.
Rund 50 Nachwuchskräfte hat Betriebsleiter und Meister Thomas Klotz bisher bei Rathje ausgebildet, darunter sechs junge Frauen. „Wir bekommen viele gute Bewerbungen von Jugendlichen. Den Beruf des Bootsbauers verknüpfen viele mit Fernweh, der Weite des Meeres und dem anspruchsvollen Umgang mit dem Material Holz.“ An guten Bewerbern mangele es dem Unternehmen bisher nicht. In jedem Jahr stellt die Werft zwei bis drei Azubis ein. „Derzeit bieten wir eine Ausbildungsstelle für den Bootsbauer mit der Fachrichtung Yachttechnik an.“ Auch Basti hegt noch einen großen Traum, der mit Fernweh zu tun hat: „Nach der Ausbildung will ich im Ausland Berufserfahrung sammeln, am liebsten in den USA oder in Australien.“
Der Schulabschluss ist bei uns nicht ganz so wichtig
– Edith Vonhoff
Und was lernen die Azubis bei Rathje? „Besonders wichtig ist uns eine solide Ausbildung. Die Schwerpunkte liegen im Holz- und GFK-Bootsbau. Darüber hinaus durchlaufen unsere jungen Mitarbeiter alle anderen Arbeitsbereiche unserer Werft, wie Auf- und Abriggen (Segel setzen und ein- holen), Ein- und Auslagern von Booten und ab diesem Jahr auch den Neubau von Wohnyachten“, berichtet Edith Vonhoff. Denn der Prototyp einer 18 Meter langen Neukonstruktion soll ab 2018 bei Rathje in Eigenregie gebaut werden. „Auf unserer ‚Pahi C 60‘ können Menschen recht komfortabel wohnen – sozusagen in einem schwimmenden Eigenheim. Doch es ist kein Hausboot, sondern ein Sportboot, das selbst fahren kann.“ Wenn sich die Kunden begeistern lassen, will Rathje eine Serienproduktion starten.
Mehr mit alter Schiffsbautradition hatte ein ungewöhnliches Neubauprojekt zu tun, mit dem die Werft 1987 Schlagzeilen machte. „In unserer Werft wurde damals die mittelalterliche Hansekogge originalgetreu nachgebaut. Zum Team gehörten arbeitslose Jugendliche und ältere Arbeitslose. Einige durchliefen bei uns eine Berufsausbildung“, berichtet die Werftchefin. Die Kieler Hansekogge lädt bis heute Interessierte auf der Förde zu Segeltörns ein – zum Beispiel während der Kieler Woche. Und was ist mit der Familientradition? Edith Vonhoff freut sich, dass die Geschichte des gesunden Unternehmens auch nach dem 100. Jubiläum weitergehen wird.
Facts Bootsbauer/-in
Anerkannter Ausbildungsberuf
Duale Ausbildung Betrieb/Berufsschule
Dauer: dreieinhalb Jahre (verkürzt 3 Jahre)
Fachrichtungen: Neu-, Aus- und Umbau und Yachttechnik
Schulabschuss: mindestens Erster Allgemeinbildender Schulabschluss
Anzahl der Ausbildungsanfänger in Deutschland pro Jahr: 156
Weitere Informationen: www.dbsv.de/de/ ausbildung-zum-bootsbauer
Die Yacht- und Bootswerft Rathje bietet folgende Ausgildung an:
Bootsbauer/-in
TEXT Joachim Welding
FOTOS Sebastian Weimar