Flüchten. Mutig sein. Coffee to go.

Flüchten. Mutig sein. Coffee to go.

Junger Syrer entkommt dem Krieg und eröffnet in Kiel sein eigenes Café́.

Die Geschichte Obadias beginnt traurig und endet mit einem Lachen. Der junge Syrer muss wegen des Bürgerkrieges flüchten, seine Familie zurücklassen und um sein Leben bangen. Doch der gelernte Elektriker versucht seinem Leben einen Sinn zu geben, strandet in Libyen, findet Arbeit und muss erneut flüchten. Erst in Kiel angekommen, kann er seinen Traum verwirklichen: Obaida eröffnet sein eigenes Café!

Hama, eine Metropole in Syrien, so groß wie Frankfurt. Hier lebt Obaida mit seiner neunköpfigen Familie. Täglich muss er aufs Neue einem Bürgerkrieg ins Auge sehen, der schon seit Jahren in seinem Heimatland wütet. Die Familie hat bis jetzt Glück im Unglück: „Wir wurden nicht bombardiert, alle sind wohlauf. In den benachbarten Dörfern aber schlagen die Geschosse ein, alles ist zerstört.“ Irgendwann beschließt der damals 24-Jährige: „Ich muss weg. Hier gibt es keine Zukunft.“ Schweren Herzens verabschiedet er sich 2014 von seinen Eltern, Schwestern und Brüdern. Von jetzt an ist er allein auf sich gestellt.

Mutig in Freiheit ein selbstbestimmtes Leben führen. – Obaida

Sein Glück will Obaida 2500 Kilometer entfernt im nordafrikanischen Libyen suchen, auch wenn es dort nicht sicher ist. Zuhause hat er schon als Elektriker gearbeitet – das ist sein Glück: „Ich habe einen Job in einer Fabrik gefunden, war dort sogar Vorarbeiter.“ Doch nach zwei Jahren beherrschen auch in Libyen die Waffen, Attentate und viel Leid den Alltag. „Ich konnte nicht bleiben. Ein normales Leben war nicht mehr möglich. So habe ich mich entschlossen, in einem der Boote über das Mittelmeer nach Europa zu flüchten.“ In einer Nacht- und Nebelaktion kann er an Bord gehen, mit ihm 120 andere Flüchtlinge, darunter 40 Kinder. Schon wieder hat der Syrer Glück: „Unser Boot hat durchgehalten. Es war Sommer, und die See lag ganz ruhig.“ Nach fünf Tagen erreicht das Boot die italienische Küste.

Syrische Küche am Ostufer junger Syrer

Obaida bewirtet sein Gäste an der Fachhochschule Kiel mit moderner syrischer Küche.

Obaida hat einen Traum: Er will nach Deutschland, wo es sicher ist und viele Menschen hilfsbedürftige Flüchtlinge willkommen heißen. Über die Schweiz fährt er mit dem Zug nach München und wundert sich: „Ich habe noch nie so viele grüne Wiesen gesehen. Ich dachte, in Deutschland gibt es nur Hochhäuser. Während der Fahrt durch Bayern staunte ich jedoch über die schönen, alten Wohnhäuser.“ Schließlich landet er im Erstaufnahmeheim in Neumünster, wird als Kriegsflüchtling anerkannt und bekommt eine Aufenthaltsgenehmigung. Er sucht Arbeit und erhält einen Praktikumsplatz bei einer Malerfirma. „Ein Mitarbeiter hat mich sehr unterstützt und mir gesagt: Du musst Deutsch lernen! Er half mir dabei, und so konnte ich die Sprache schon nach einem halben Jahr ganz gut“, erzählt der junge Mann mit dem sympathischen Lächeln.

Hygiene ist in der Gastronomie superwichtig. – Obaida

Nach dem Deutsch-Sprachkurs ist Obaida fit für den Arbeitsmarkt: Ein Handwerksunternehmen stellt den Elektriker ein. „Weil meine Berufsausbildung in Syrien nicht anerkannt wurde, musste ich die Lehre leider wiederholen“, berichtet er. Doch er merkt bald: Von dem Azubi-Gehalt kann er nicht leben. Obaida muss neu überlegen. Er lernt eine junge Frau kennen, die beiden werden ein Paar. Eines Tages fahren sie an einem geschlossenen Café an der Fachhochschule Kiel vorbei und rufen: „Das ist es!“ Sie sind mutig und übernehmen den Laden „Coffee Cloud“.

junger Syrer Obadia steht am Tresen

Vom Elektriker zum Gastronom: Obaida kocht, seine Partnerin backt – in der Coffee Cloud wird man herzlich umsorgt.

Die Aufteilung ist klar: Obaida kocht gerne, seine Partnerin backt köstliche Kuchen. Das Café an der Ecke wird gemütlich eingerichtet, die Speisekarte ganz trendy gestaltet – mit Produkten aus biologischem Anbau, dazu vegetarische und vegane Zutaten. Natürlich Coffee-to-go und ein Schlemmerfrühstück, das sich auch Studierende leisten können. Knackige Salate, Falafel, Fritz-Cola sowie Kaffeespezialitäten aus eigener Herstellung. Mittags bereitet Obaida Suppen zu, dazu gibt es frische Brötchen. Penibel sauber hält der junge Unternehmer sein Café: „Hygiene ist in der Gastronomie superwichtig“, meint er.

Die Zukunft kann kommen in Kiel, auch wenn Obaida manchmal traurig ist. „Ich halte immer Kontakt zu meiner Familie. Aber der Krieg belastet uns alle sehr. Und ich habe Heimweh!“ Deshalb hat er einen zweiten großen Traum: „Ich hoffe, dass der Krieg endlich aufhört!“ Seine Familie soll sehen können, was ihm geglückt ist – mutig in Freiheit ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Coffee Cloud Kiel
Eichenbergskamp 22
24149 Kiel

TEXT & FOTOS Joachim Welding