Lehrerin Sevda Temur setzt ein Zeichen gegen Rassismus in der Schule

Lehrerin Sevda Temur setzt ein Zeichen gegen Rassismus in der Schule

In der Hans-Brüggemann-Schule (HBS) in Bordesholm ist das Engagement gegen Rassismus und für demokratisches Denken kein bloßes Schlagwort, sondern eine gelebte Realität. Seitdem Sevda Temur an der HBS unterrichtet, ist sie ein Teil des schulinternen Arbeitskreises Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage (SORSMC). Ein Netzwerk, das sich in 13 Bundesländern sowie in Frankreich und Österreich für demokratische Werte einsetzt. Mit einer Vielzahl von Projekten und Aktivitäten positioniert sich die Gemeinschaftsschule in Bordesholm gegen menschenverachtendes Denken und für eine tolerante Gesellschaft.

In einem persönlichen Gespräch mit der engagierten Lehrerin Sevda Temur werfen wir einen Blick auf die Bedeutung von Courage im Bildungswesen und erfahren, warum gerade die Schule ein entscheidender Ort für demokratisches Denken sein sollte.

Vor welchem Hintergrund engagieren Sie sich für demokratische Werte an der Schule?

Mir ist es ganz besonders wichtig, darüber zu informieren, dass Rassismus ein Thema ist, das nicht nur in den Geschichtsbüchern verankert ist, sondern gegenwärtig viele Menschen in unserer Gesellschaft betrifft. Als Lehrerin mit türkischen Wurzeln sehe ich mich persönlich mit dem Thema Rassismus konfrontiert und weiß daher, wie essentiell es ist, Schülerinnen und Schüler zu unterstützen, die Erfahrungen mit Ausgrenzung und Rassismus machen. Ich habe wiederholt beobachtet, dass Menschen zu passiv auf rassistische Vorfälle reagieren. Daher betrachte ich es als Teil unseres Bildungsauftrags an Schulen, Jugendliche in diesem Kontext aufzuklären und zu stärken.

Welche positiven Erfahrungen haben Sie in Bezug auf das Engagement gegen Rassismus an Ihrer Schule gemacht und wie hat dies Ihre eigene Einstellung beeinflusst?

Als ich 2019 als Lehrerin für die Fächer Spanisch, Geschichte und Weltkunde an die HBS kam, erlebte ich eine angenehme Überraschung: Meine deutschen Kolleginnen und Kollegen waren bereits äußerst engagiert im Kampf gegen Rassismus. Diese Erfahrung zeigte mir, dass man nicht zwangsläufig einen Migrationshintergrund benötigt, um sich für das Thema einzusetzen. Umso erfreulicher ist, dass die Schule bereits seit 2011 Mitglied des Projekts ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage’ ist. Inspiriert durch dieses Engagement, entschloss ich mich, dem Arbeitskreis beizutreten. Seit Dezember 2013 treffen wir uns mindestens einmal im Monat. Ich bin erst später dazugekommen und habe einen Werkstatttag gegen Rassismus und Ausgrenzung ins Leben gerufen, an dem sich die Jahrgänge 5 bis 13 intensiv mit dem Thema auseinandersetzen.

Welche Projekte finden am Werkstatttag statt?

Im letzten Jahr haben wir hochkarätige Referenten eingeladen, darunter Vertreter einer Migrationsorganisation für Bildung, Beratung und Integration, Mitglieder des Schlau SH und sogar einen Überlebenden des Brandanschlags in Mölln, Ibrahim Arslan. Besonders beeindruckend für viele Schülerinnen und Schüler waren die Erfahrungen von Herrn Welzer. Er bewegte sich über ein Jahr lang undercover in der Naziszene und muss sich bis heute aggressiven Anfeindungen aussetzen. Auch ein Anwalt, der Nebenkläger im NSU-Prozess war, berichtete von seinen Erfahrungen. So lernten die Schülerinnen und Schüler ganz verschiedene Blickwinkel und Perspektiven kennen, die dazu beitragen, ein tieferes Verständnis für die Auswirkungen von Rassismus zu schaffen und die Sensibilität unserer Schülerinnen und Schüler für diese Thematik zu schärfen.

Wie macht die Schule außerhalb der Werkstatttage auf das Thema Rassismus aufmerksam?

Uns als Kollegium ist es ein besonderes Anliegen, uns nicht nur mit dem Siegel ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage’ zu schmücken, sondern diesen Leitsatz authentisch zu leben. Innerhalb der Fachschaft Geschichte überlegen wir zum Beispiel fortlaufend, wie wir das Thema Rassismus in den Unterricht integrieren können. Der Geschichtsunterricht der 7. Klasse bietet dabei durch das Thema Kolonialismus viele Möglichkeiten, auch auf aktuelle Ereignisse einzugehen. In der 5. Klasse greifen wir im Kontext des Mobbing-Themas die Problematik der Ausgrenzung auf. Zudem besuchen wir mit dem 9. Jahrgang die KZ-Gedenkstätte Neuengamme und nehmen an Workshops und Vorträgen teil, um tiefer in die Thematik einzusteigen.

Warum denken Sie, ist das Thema politische Bildung an Schulen so wichtig?

In meinen Augen ist es von großer Bedeutung, dass Schülerinnen und Schüler sich im Laufe ihrer Schulzeit eine eigene Meinung bilden. Um dazu in der Lage zu sein, ist es unumgänglich, sich kritisch mit politischen Themen auseinanderzusetzen. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Kinder auf ein selbstbestimmtes Leben nach der Schule vorzubereiten und zu ermutigen, facettenreich zu denken, ihre Meinung zu äußern und für ihre Rechte einzustehen. Als Schule, die ja im Grunde die Gesellschaft in all ihrer Vielfalt widerspiegelt, ist es wichtig, einen tragbaren demokratischen Rahmen zu schaffen.

Wie reagieren die Schülerinnen und Schüler auf dieses Angebot?

Unsere Schülerinnen und Schüler setzen sich aktiv gegen Rassismus ein und treten für Toleranz ein. Sie gehen beispielsweise durch die Klassen, klären auf und haben eine kleine Gruppe für LGBTQ gegründet, in der sich betroffene Schülerinnen und Schüler treffen, sich outen und austauschen können.

Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie als Rassismusbeauftragte?

Ich würde mir wünschen, dass wir eine Schule ohne Rassismus werden und Menschen, die Rassismus erfahren, das Gefühl geben, gesehen und gehört zu werden. Ich könnte mir außerdem vorstellen, eine Sprechstunde zu dem Thema zu etablieren.

TEXT Sophie Blady
FOTO Caren Detje