„Meine Tiere bedeuten mir alles!“ Bio-Landwirtin Kirsten Staben im Interview

„Meine Tiere bedeuten mir alles!“ Bio-Landwirtin Kirsten Staben im Interview

Kirsten Staben aus Schülldorf hat sich mit der Übernahme des elterlichen Hofs ihren Traum erfüllt.

Ökologischer Landbau liegt voll im Trend. Die Zahl der Bio-Betriebe und ökologisch bewirtschafteter Flächen wächst von Jahr zu Jahr. 1980 gab es bundesweit circa 450 Bio-Höfe in Deutschland, 2017 waren es rund 25.000 Betriebe. Allein in Schleswig-Holstein bewirtschaften ungefähr 600 Öko-Betriebe rund 50.000 Hektar. Das sind fünf Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Einer dieser Höfe wird von der Schülldorferin Kirsten Staben betrieben. Nach einer anfänglichen Karriere im Einzelhandel entschloss sie sich 2011, Landwirtin zu werden, den Hof ihrer Eltern zu übernehmen und ihn auf ökologische Milchviehwirtschaft umzustellen. Im Gespräch mit ME2BE verrät die 32-Jährige, welches Schlüsselerlebnis sie zum ökologischen Landbau führte, wie sie mit ihren Kühen und Kälbern kommuniziert und warum sie dringend eine Auszubildende oder einen Auszubildenden sucht.

Ihre Tiere bedeuten Kirsten Staben alles.

Die Tiere bedeuten Kirsten Staben alles.

Hallo, Kirsten. Danke für die Einladung. Dein Hof wirkt idyllisch. Und du siehst glücklich aus. So stellt man sich Bio-Landwirtschaft vor!

Moin und herzlich willkommen! Ja, genau so soll es auch sein … gesund und natürlich! Ich glaube, mir geht es deshalb gut, weil ich meinen Platz endlich gefunden habe.

Das möchten wir genau wissen. Vorab eine Frage: Nennst du dich Bio-Bäuerin oder Öko-Landwirtin?

Die offizielle Bezeichnung für meinen Beruf lautet ‚Agrarbetriebswirtin in der Fachrichtung Ökologischer Landbau’. Aber ‚Öko-Landwirtin’ hört sich auch gut an.

Du bist auf dem Hof deiner Eltern aufgewachsen. War es schon immer dein Wunsch, Landwirtin zu werden?

Nein, überhaupt nicht! Ich bin hier als Kind aufgewachsen und hatte eine unglaublich schöne Kindheit, konnte mir Landwirtschaft als Beruf aber nie vorstellen. Mit 15 Jahren wollte ich erst mal etwas anderes erleben und habe eine kaufmännische Ausbildung in einer Drogerie absolviert. Die Arbeit hat mir richtig gut gefallen, vor allem die Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen war fantastisch. Was mir fehlte, war die Leidenschaft! Nach Abschluss der Ausbildung wechselte ich in die Einkaufsabteilung der Firma und war unter anderem für die Lagersteuerung zuständig. Damals kamen mir jeden Tag mehr Zweifel. Wozu brauchen wir in jeder Drogerie sechs Meter lange Regale unterschiedlicher Shampoos in zig verschiedenen Sorten? Dieser Überfluss hat mich auf die Dauer demotiviert. Im Gegenzug genoss ich es immer öfter, zuhause auf dem Hof zu sein und die Ruhe sowie die Nähe zu den Tieren zu spüren. Meine Eltern hatten zu diesem Zeitpunkt bereits die Hoffnung aufgegeben, den Hof innerhalb der Familie weiterzugeben …

… doch dann hast du deine Meinung geändert?

Genau. Ich war 25 Jahre alt und spürte in mir den Drang, mein Leben sinnvoller zu gestalten, also begann ich, mich intensiv mit dem Gedanken zu beschäftigen, eine landwirtschaftliche Ausbildung zu absolvieren, um unseren Hof und die rund hundert Hektar Land irgendwann übernehmen zu können. Was für eine Bürde! Was für eine Chance! Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir der Gedanke.

Während die Kühe draußen weiden, füllt Kirsten Staben den Heuvorrat im Stall auf.

Wie haben deine Eltern reagiert?

Die sind vor Begeisterung völlig ausgerastet! Klar, der Hof wäre wohl stillgelegt worden, wenn meine Eltern in Rente gegangen wären. Und dann entscheidet sich plötzlich die Tochter um und möchte das Lebenswerk der Eltern weiterführen. Die Freude war riesengroß.

Wie bist du anschließend Öko-Landwirtin geworden? Ist das ein spezieller Ausbildungsberuf?

Nein, in Deutschland gibt es nur die Ausbildung zur Landwirtin. Sie dauert drei Jahre und umfasst die beiden Betriebszweige ‚Pflanze’ und ‚Tier’. Um dich auf ökologischen Landbau zu spezialisieren, kannst du entweder Fortbildungen besuchen, oder du sammelst während der Ausbildung praktische Erfahrungen in einem ökologischen Betrieb. So habe ich das gemacht. Aufgrund meiner ersten Ausbildung war eine Verkürzung auf zwei Jahre möglich. Ein Jahr lang habe ich in Eckernförde auf einem Hof mit Schwerpunkt Bio-Gemüsebau gearbeitet. Das war zwar interessant, aber ich verspürte keine wirkliche Begeisterung. Für das zweite Jahr bewarb ich mich bei dem Demeter-Betrieb Buschberghof in Fuhlenhagen, im Kreisherzogtum Lauenburg und erhielt den Platz. Großartig! Dieser Betrieb ist das Non-plus-Ultra, was gemeinnützige, ökologische Landwirtschaft anbetrifft. Brot, Käse, Milchprodukte – alles wird dort selbst hergestellt, die Tierhaltung ist vorbildlich, sodass ich am Ende nur dachte: Genauso will ich das auch machen!

Mit deinem ökologischen Milchviehbetrieb scheinst auf einem guten Weg zu sein. Welche Auflagen musst du erfüllen?

Ich bin Mitglied im ‚Demeter-Verband’ und muss viele Bestimmungen beachten. Einige Beispiele: Meine Tiere haben jeden Tag, 24 Stunden lang die Möglichkeit, draußen zu weiden. Außerdem werden allen Tieren ihre Hörner gelassen und ihnen ausreichend Raum geboten. In den meisten konventionellen Milchviehbetrieben werden die Hörner entfernt, um die Verletzungsgefahr der Tiere im Stall zu vermeiden. Sie verletzen sich aber auch nur, wenn sie zu wenig Platz haben! Es gibt strenge Vorschriften für das Tierfutter. Meine Tiere werden zweimal am Tag gefüttert, bekommen frisches Heu, Ackerbohnenschrot und 4 Liter Milch pro Mahlzeit. Erkrankt ein Tier, muss seine Milch anschließend für die Dauer von zehn Tagen weggeschüttet werden. Sie darf weder verfüttert noch geliefert werden. In konventionellen Betrieben sind es nur fünf Tage.

Auf dem Bio-Hof haben die Kühe jederzeit die Möglichkeit, draußen zu weiden.

Auf dem Bio-Hof haben die Kühe jederzeit die Möglichkeit, draußen zu weiden.

Was braucht man grundsätzlich, um Landwirtin zu werden?

Man braucht nur eines: absolute Leidenschaft! Ohne die Neigung, mit Tieren zu arbeiten oder Ackerbau zu betreiben, wird man es nicht schaffen. Vor der Entscheidung sollte man mehrere Praktika absolvieren, um die Anforderungen des Berufs kennenzulernen und richtig einschätzen zu können.

Du betreibst ausschließlich Milchviehwirtschaft. Wie viele Tiere hast du?

Ich habe 60 Kühe, aber insgesamt 200 Tiere. 140 Tiere bilden die sogenannte ‚Nachzucht’. So wird eine Herde aufgestellt, damit man den Tierbestand kontinuierlich aufrecht erhält.

Was für eine Beziehung hast du zu deinen Kühen und Kälbern?

Meine Tiere bedeuten mir alles! Ich möchte auf den täglichen Umgang mit ihnen nicht verzichten. Sie haben ihre eigene Sprache, aber ich kann mich sehr gut mit ihnen verständigen, am besten über Körpersprache. Kühe sind fantastische Tiere. Und außerdem können sie Gras in Milch umwandeln. Großartig!

Wie sieht dein Tagesablauf aus?

Der klassische Tagesablauf sieht folgendermaßen aus: Jeden Morgen um sechs Uhr werden die Tiere gemolken, anschließend werden sie gefüttert. Um 7.30 Uhr frühstücke ich mit meinen Eltern, danach gehe ich raus und widme mich unterschiedlichen Arbeiten auf dem Hof. Um 12 Uhr treffen wir uns wieder zum Mittagessen. Anschließend lege ich mich eine halbe Stunde hin, und ab 13.30 Uhr erledige ich meistens die anstehende Büroarbeit. Um 16 Uhr wird wieder gemolken, und um 18 Uhr ist der Arbeitstag beendet.

Nach dem Melken ist vor dem Melken.

Nach dem Melken ist vor dem Melken.

Wie schaffst du das allein?

Allein ist das überhaupt nicht zu schaffen, aber meine Eltern unterstützen mich hervorragend. Trotzdem benötige ich dringend Verstärkung, um mir auch selbst mehr Auszeiten zu gönnen. Deshalb biete ich zum 16. Juli 2019 einen Ausbildungsplatz an. Da ich einen Ausbilderschein besitze, darf ich Nachwuchskräfte ausbilden und habe auch große Lust dazu. Also, liebe Schülerinnen und Schüler da draußen. Wenn ihr die Nähe zu Tieren mögt und in einem entspannten Familienbetrieb den Beruf des Landwirts erlernen möchtet, dann meldet euch bei mir!

Wie verbringst du deine Freizeit?

Ich gehe regelmäßig zum Yoga und liebe es zu tanzen. Natürlich treffe ich mich auch mit Freunden oder fahre mit meinem Hund ans Wasser nach Kiel-Schilksee oder Falkenstein. Insgesamt wünsche ich mir aber etwas mehr Freizeit.

Letzte Frage: Wie stellst du dir deinen Hof in Zukunft vor?

Langfristig träume ich von einem Hofladen, in dem ich mehrere Produkte direkt vermarkten kann. Doch dafür braucht es Zeit. Ein Hof, insbesondere ein Bio-Hof sowie ein Kundenstamm lassen sich nicht einfach aus dem Boden stampfen. Das muss wachsen … auf natürliche Art!

Vielen Dank, Kirsten, für das Gespräch und den spannenden Rundgang. Wir wünschen dir viel Glück für die Zukunft!

 

TEXT Christian Dorbandt
FOTO Sebastian Weimar