Kein Schüler geht verloren

Kein Schüler geht verloren

Berufsberaterin Ulrike Gronau spricht über ihre Arbeit an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule

Ulrike Gronau ist Berufsberaterin der Agentur für Arbeit Kiel und betreut die Toni-Jensen- Gemeinschaftsschule in allen Belangen rund um den Berufswahlprozess. Ihre Arbeit ergänzt den Berufsorientierungsunterricht und gibt den Schülerinnen und Schülern wertvolle Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf. Im folgenden Interview gibt sie einen Einblick in die Rolle der für diesen Prozess wichtigen Institution, für die sie tätig ist.

Welche Rolle spielt die Agentur für Arbeit?

Die Bundesagentur für Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung, indem sie junge Menschen bei einem erfolgreichen Übergang von Schule in den Beruf unterstützt. Ein entscheidender Vorteil ist, dass unser Dienstleistungsangebot neutral und unentgeltlich ist. Wir verschaffen den jungen Menschen einen umfassenden Überblick in die Berufswelt und über den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Die Kooperation zwischen Schule und der Agentur für Arbeit spielt dabei eine tragende Rolle, weil Berufswahl ein Prozess ist und die Jugendlichen während ihrer Schulzeit wichtige Schritte in der Berufsorientierung durchlaufen. Die Agentur für Arbeit bietet neben berufsorientierenden Workshops und Informationsveranstaltungen auch individuelle gezielte Berufsberatung an. Wir bereiten Jugendliche ganz persönlich auf die Herausforderungen in der Arbeitswelt vor und begleiten sie auf ihrem Weg in eine Ausbildung oder Studium. Durch unsere Kontakte zu lokalen Unternehmen und Hochschulen und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Netzwerkpartnern vermitteln wir zudem Praktikumsplätze und Ausbildungsstellen, unterstützen beim Übergang in das Studium und informieren über mögliche finanzielle Hilfen.

Wie ist die Zusammenarbeit mit dieser Schule?

An der TJG ist die Zusammenarbeit besonders eng und wertschätzend. Seit drei Jahren bin ich als Berufsberaterin Teil des Schullebens und erlebe wie wichtig es der Schulleitung und den Lehrkräften ist, das Thema Berufsorientierung an der Schule intensiv zu leben. Ich bin regelmäßig ein bis zweimal in der Woche in meinem Beratungsbüro anzutreffen und biete donnerstags feste Sprechzeiten an. Darüber hinaus können Termine bei mir über die Schulplattform IServ angefragt und gebucht werden. Die Sprechzeiten sind für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte vorgesehen, aber auch Eltern sind zu den Gesprächen herzlich willkommen. Ich arbeite sehr eng mit der BO-Koordinatorin – Ann-Kathrin Wille – zusammen. Wir stehen in einem regelmäßigen Austausch und probieren für eine erfolgreiche Berufsorientierung an der TJG immer wieder Neues aus. Hierzu gehören neben Workshops zum „Berufswahlprozess“, „Telefonie mit Arbeitgebern“ und u.a. auch Schnuppertage bei Unternehmen und diese Berufsmesse. Der berufsorientierende Unterricht in der Schule wird durch meine Veranstaltungen – u.a. zu den Themen „Veränderung der Berufswelt durch die Digitalisierung“ und „Vorbereitung auf das Schulpraktikum“- ergänzt. Insgesamt bieten wir an der TJG ein sehr breites Spektrum rund um das Thema Berufsorientierung an. Auch die Lehrkräfte werden in diesen Prozess aktiv einbezogen, um die Schüler bestmöglich zu unterstützen.

Welche ersten Schritte gehen die Schüler?

Die Berufsorientierung an der TJG beginnt bereits in der siebten Klasse mit einem Stärkenparcours, der vom Ministerium und der Agentur für Arbeit organisiert wird. In diesem Parcours entdecken die Jugendlichen spielerisch ihre Stärken. Durch meine Begleitung lernen mich die Jugendlichen und Lehrkräfte frühzeitig kennen. Zur ersten Heranführung an die Berufswelt bin ich in der Vorhabenwoche der TJG im vergangenen Schuljahr mit dem achten Jahrgang auf Entdeckungstour verschiedener Berufsfelder gegangen. Da in der achten Klasse das erste Schulpraktikum stattfindet, liegt in diesem Jahrgang hier der Schwerpunkt meiner Workshops. Dazu gehören gemeinsame Besuche im Berufsinformationszentrum (BIZ) der Agentur für Arbeit sowie in der Jugendberufsagentur (JBA). Ich lade Schülerinnen, Schüler und Lehrer gemeinsam ins BIZ ein, um die Jugendlichen darin zu befähigen, sich eigenständig zu informieren. In der JBA erleben die Jugendlichen virtuelle Berufsorientierung. Sie lernen die JBA als Ort kennen, wo sie neben Berufsberatung auch bei anderen Themen und Sorgen, die sie bewältigen müssen, jederzeit umfassende Unterstützung erhalten. In den weiteren Klassen wird das Thema Berufsorientierung u.a. mit Workshops zu „Auswahltest“ und „Arbeitsmarkt und Berufe der Zukunft“ weitergeführt und so in jedem Jahrgang als fester Bestandteil des Schullebens etabliert.
Darüber hinaus unterstütze ich im weiteren Berufswahlprozess die jungen Menschen in Beratungsgesprächen individuell bei ihrer Entscheidungsfindung und begleite sie beim Übergang von der Schule in Ausbildung und Studium.

Was ist eine Jugendberufsagentur?

Zur Jugendberufsagentur Kiel gehören alle Personen, die junge Menschen im Übergang von der Schule in das Berufsleben unterstützen. Neben der Berufsberatung, der Beratung im Jugendlichen- Jobcenter gehören u.a. auch die Jugendberatung im Jugendamt sowie die Pädagogischen Fachkräfte der Jugendtreffs zu diesem Netzwerk. Alle diese Personen haben sich zusammengetan und entschieden, gemeinsam das Beste für jeden einzelnen Jugendlichen zu erreichen. Die JBA ist zentral im neuen Rathaus, Andreas-Gayk-Straße 31b zu finden. Hier sind Jugendliche und deren Eltern ebenfalls herzlich willkommen.

Welche Wege gibt es für unentschlossene Schülerinnen und Schüler?

Kein Jugendlicher geht verloren – das ist mir besonders wichtig.

Dafür stehe ich im engen Austausch mit Eltern, Lehrkräften und den Jugendlichen, um gemeinsam den besten Weg zu finden. Nach der 9. oder 10. Klasse starten die jungen Menschen in eine Berufsausbildung oder bleiben an der Schule, um in die Oberstufe zu gehen und das Abitur zu absolvieren. In Schleswig-Holstein gibt es viele Möglichkeiten im Schul- und Bildungssystem. Daher muss es nicht immer der klassische Weg sein. Die Jugendlichen können eine Ausbildung machen und dabei oder später die Hochschulreife nachholen. Wer noch unsicher ist, welcher Ausbildungsberuf passt, kann überbrückend eine Berufsvorbereitung besuchen. In diesem Zeitraum werden mit Hilfe von Praktika verschiedene Berufsfelder ausprobiert. Ein Wechsel zu einem Regionales Berufsbildungszentrum (RBZ) kann für Schülerinnen und Schüler, denen der allgemeinbildende Weg nicht so leichtfällt, eine gute Alternative sein. Mein Ziel ist es, jedem jungen Menschen die passende Möglichkeit aufzuzeigen, zu beraten und ihn auf seinem individuellen Weg zu unterstützen.

Geht die Beratung immer in Richtung Ausbildung?

Viele Schülerinnen und Schüler sind sich unsicher, ob sie eine Ausbildung oder ein Studium beginnen sollen. Zur Unterstützung biete ich daher neben meiner Beratung in der Oberstufe gemeinsam mit dem Berufspsychologischen Dienst der Agentur für Arbeit den Studienfeldbezogenen Beratungstest an. Hier wird die Eignung für ein bestimmtes Studienfeld überprüft. Weiterhin können die Schülerinnen und Schüler an einem Begabungstest teilnehmen. Anhand dieses Tests und einem Gespräch mit einer Berufspsychologin werden Stärken erkannt und ein möglicher Ausbildungsweg (Studium oder Ausbildung) thematisiert.

Wie werden die Eltern in den Prozess einbezogen?

Eltern spielen eine zentrale Rolle bei der Berufswahl ihrer Kinder. Daher lade ich sie aktiv zu Gesprächen ein und informiere sie bei Elternabenden zum Thema Berufsorientierung. Im vergangenen Schuljahr habe ich erstmals an einem Elternabend der sechsten Klassen teilgenommen, um mich vorzustellen und die Eltern auf den Start des Berufswahlprozesses in der siebten Klasse vorzubereiten. So wissen sie bereits, dass ich als Berufsberaterin für die Jugendlichen, Lehrkräfte und auch für sie zur Verfügung stehe und die Berufsorientierung ein bedeutendes Thema sein wird. Mein Ziel ist es, dass die Eltern mich kennen und wissen, dass wir gemeinsam die Kinder auf ihrem Weg zur Berufs- und Studienwahl unterstützen und begleiten können.

Haben Sie persönlich Freude an der Arbeit als Berufsberaterin?

Als Mutter von zwei Kindern weiß ich aus eigener Erfahrung, wie wichtig das Thema Berufsorientierung ist. Die Berufs- und Arbeitswelt ist so vielfältig und das Spektrum an Entscheidungsmöglichkeiten ist sehr groß, so dass eine Unterstützung der Jugendlichen bei diesem Prozess enorm wichtig ist.
Meine Berufsberaterin hatte mich damals in meiner eigenen Schulzeit so beeindruckt und unterstützt, dass ich diesen Beruf selbst ergreifen wollte. Heute arbeite ich genau in dem Bereich, den ich mir immer gewünscht habe: Ich begleite junge Menschen auf ihrem Weg zur Berufs- und Studienwahl.

TEXT Hilke Ohrt
FOTO Reinhart Witt