Im Zentrum der Macht – Nadjas Praktikum in Washington D.C.

Im Zentrum der Macht – Nadjas Praktikum in Washington D.C.

Drei Monate lang arbeitete Nadja (28) bei der Nichtregierungsinstitution Common Cause in Washington D.C. – der Hauptstadt der USA. Was die Studentin aus Kiel bei ihrem Auslandspraktikum erlebte, berichtet sie der ME2BE-Campus.

Fernweh

Als ich das erste Mal von dem Austauschprogramm auf der Kieler Messe für Auslandspraktika an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel hörte, wusste ich sofort – Da bewirbst du dich! Damals steckte ich gerade mitten in den Vorbereitungen zu meiner ersten Masterarbeit in ‚International vergleichender Soziologie‘. Für mich stand fest, nach so viel theoretischer Arbeit wollte ich erst mal weitere Praxiserfahrungen sammeln und das am liebsten im Ausland. Da kam das Praktikumsprogramm des Hinckley Institutes der Universität von Utah wie gerufen.

Praktikum in Washington D.C.

CAU-Studentin Nadja

Sobald ich den Entschluss gefasst hatte, begann ich sofort, alle nötigen Unterlagen zusammenzusuchen, denn aus Erfahrung weiß ich, dass es viel Zeit und Arbeit kostet, bis man alles beieinander hat. Einige Unterlagen, wie meinen Lebenslauf und das Motivationsschreiben, musste ich außerdem auf Englisch einreichen. Da ich gleichzeitig aber noch Anglistik/Nordamerikanistik im Master studiere, bereitete mir die Übersetzung keine Probleme. Nachdem ich meine Bewerbung eingereicht hatte, hieß es abwarten und Fingernägel kauen. Einige Wochen später erhielt ich dann den erlösenden Anruf. „Sie haben den Platz!“, ließ mich Jan Bensien vom ‚International Center‘ der CAU wissen. Vor Erleichterung schrie ich erst mal laut auf, blöd nur, dass ich gerade in der Bibliothek war, sodass einige Studenten mich verdutzt anguckten. Ich nahm es mit Humor.

Jetzt ging es also in die heiße Phase, denn trotz der Zusage musste ich mich noch direkt bei einer Organisation meiner Wahl bewerben und hoffen, dass sie mich annehmen würde. Ich entschied mich schließlich für ein Praktikum bei „Common Cause“. Die Nichtregierungsinstitution setzt sich für politische Themen wie ein  uneingeschränktes Wahlrecht, mehr Transparenz in der Politik sowie den Schutz der Meinungsfreiheit ein. Kurz nachdem ich meine Bewerbung eingereicht hatte, lud mich der Director of Legislative Affairs zum Skype- Interview ein. Vorab informierte ich mich sehr gründlich über die Organisation und ihre Ziele. Das Gespräch verlief so gut, dass mir am Ende des Telefonats die Stelle direkt angeboten wurde. Nun brauchte ich nur noch ein Arbeitsvisum, für das ich mich ebenfalls bei der amerikanischen Botschaft bewerben musste. Rückblickend war der Bewerbungsprozess ziemlich nervenaufreibend. Die Vorgaben sind sehr streng, und wer sich nicht genau daran hält, läuft Gefahr, kein Visum zu erhalten. Außerdem stand auch die Abgabe meiner Masterarbeit kurz bevor. Stress pur. Um eine Unterkunft brauchte ich mich zum Glück aber nicht zu kümmern, da das Hinckley Institute Appartements zur Verfügung stellt. Das Appartement teilte ich mir mit drei Praktikanten aus Utah. Das Visum bekam ich allerdings buchstäblich in letzter Minute – zwei Tage vor Abflug.

Auf Erkundungstour in der Hauptstadt

Am Tag der Abreise lief alles reibungslos. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Reykjavik, kam ich nachts völlig erschöpft in D.C. an. Glücklicherweise befanden sich die Appartements direkt über der Metro-Station. Als erstes lernte ich meine deutsche Mitbewohnerin Lena kennen, mit der ich mich auf Anhieb verstand. Da ich ein paar Tage vor meinem ersten Arbeitstag angekommen war, hatte ich die Gelegenheit einige Museen zu besuchen. In vielen Museen ist der Eintritt sogar frei. Ansonsten gehört die Stadt eher zu den teureren Pflastern, mit Preisen, die in New York üblich sind. Dennoch gibt es viel zu sehen, angefangen von Sport- und Kulturveranstaltungen bis hin zu leckeren Restaurants und schicken Bars. Zusammen mit den anderen Praktikanten und meinen Mitbewohnerinnen ging ich regelmäßig auf Erkundungstouren. Zu meinen Highlights gehörten: Dirk Nowitzki live Basketball spielen zu sehen, ein Open-Air Konzert auf dem Rasen des Capitols und die verrückteste Halloween-Party, auf der ich je war.

Praktikum in Washington D.C.

Dirk Nowitziki live erleben

Road trips

Wenn uns vor Ort mal die Decke auf den Kopf fiel, nutzten wir die Wochenenden dazu, andere Staaten zu besuchen. So fuhren wir mit dem Auto Richtung Süden nach South Carolina in das wunderschöne Charleston. Während die Temperaturen in D.C. eher winterlich waren, konnten wir dort noch die Sonne genießen und den Tag am Strand in Folly Beach verbringen. An einem anderen Wochenende stapften wir im tiefsten Schnee durch die „Streets of Philadelphia“, von denen auch Bruce Springsteen singt. Atemberaubend waren auch die Wälder rund um Roanoke mit vielen kleinen Flüssen und Wasserfällen. Natürlich durfte der „Big Apple“, wie New York genannt wird, als Ausflugsziel nicht fehlen. Trotz des hektischen Alltags ist New York immer eine Reise wert. Egal ob ein Spaziergang im liebevoll angelegten „Highline Park“ im Westen Manhattens oder ein Besuch im „Museum of Modern Art“, kurz MOMA – an New York kann man sich nie satt sehen.

Praktikum im Zentrum der Macht

Schauplatz der berühmten Schlacht von Gettysburg

Work, work, work

Der erste Arbeitstag war sehr aufregend. Ich erinnere mich noch genau, wie ich am frühen Morgen in die Metro stieg und alle in ihren schicken Business Outfits die Nachrichten auf ihren Smartphones verfolgten. Das Büro von Common Cause befindet sich mitten in Downtown D.C., einen Block vom Weißen Haus und dem Hauptbüro der „Washington Post“ entfernt. Jeden Morgen kamen alle Abteilungen zu einem „huddle“ zusammen, um sich über das Tagesgeschäft auszutauschen. Per Telefonkonferenz wurden regelmäßig die Büros anderer Staaten hinzugeschaltet. Jeder Praktikant musste sich am ersten Tag kurz vorstellen und etwas Witziges über sich erzählen. Danach lernten wir unser Team kennen und die Projekte, an denen wir arbeiten würden. So verfasste ich beispielsweise einen kritischen Bericht über die Gefängnisindustrie. In den USA steckt nämlich eine riesige Geldmaschinerie dahinter, die nur von einer Handvoll von Firmen beherrscht wird. Außerdem durften wir an Veranstaltungen verschiedenster Institutionen teilnehmen, die ihre neusten Studien zu politischen Themen vorstellten. Eine Problematik, die zu dieser Zeit sehr brisant war, ist das „Gerrymandering“, ein Prozess, bei dem Wahlkreise so zugeschnitten werden, dass sie eine Partei begünstigen. Speziell zu diesem Thema organisierte Common Cause eine Demonstration vor dem „Supreme Court“ (dem obersten Gerichtshof), bei dem Senatoren und andere Organisationen für die Abschaffung von Gerrymandering plädierten. Zu den Rednern gehörte unter anderem auch der ehemalige Gouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger.

Praktikum in Washington D.C.

Demonstration gegen Gerrymandering vor dem Supreme Court

Unsere Aufgabe als Praktikanten war es dabei, für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen und Interviews mit den Teilnehmern zu führen. Nach jeder Veranstaltung veröffentlichten wir einen Bericht für den Common Cause Blog „Democracy Wire“. Während meiner Zeit bei Common Cause habe ich unheimlich viel über das politische System gelernt: Wie werden Gesetze erlassen? Wie ist das Wahlverhalten der Amerikaner und welche Gründe sind dafür verantwortlich? In welchen Bereichen gibt es Unterschiede in der Gesetzgebung zwischen Landes- und Bundesebene? Auf all diese Fragen habe ich Antworten bekommen und dadurch viel über die amerikanische Gesellschaft und deren Werte gelernt.

Auch in persönlicher Hinsicht habe ich mich weiterentwickelt. Ich habe gelernt Situationen auf mich zukommen zu lassen und bin bereit, auch Aufgaben zu übernehmen,  die außerhalb meiner Komfortzone liegen. Denn nur so lernt man dazu und wächst über sich hinaus. Alles in allem kann ich nur jedem empfehlen, sich der Herausforderung zu stellen und ein Praktikum im Ausland zu machen. Die drei Monate möchte ich auf jeden Fall nicht mehr missen.

Das Praktikum ist Teil des Austauschprogramms zwischen der CAU Kiel und dem Hinckley Institute of Politics der University of Utah. Jedes Jahr haben zwei Studierende oder Doktoranden die einmalige Chance, sich für einen der zwei begehrten Praktikumsplätze beim International Center der CAU zu bewerben. Das Programm ist für alle Fachrichtungen offen.
Mehr Infos findet ihr hier

TEXT & FOTOS Nadja Linke