Ich habe den tollsten Job der Welt!

Ich habe den tollsten Job der Welt!

Im Interview: Gabriele Kaiser ist Berufs-Coach an der Goethe-Gemeinschaftsschule

Frau Kaiser, Sie sind Berufs-Coach an der Goethe-Gemeinschaftsschule. Was zeichnet Ihre Arbeit aus?

Ich bin jetzt seit anderthalb Jahren an der Goethe-Gemeinschaftsschule tätig. Davor war ich viele Jahre als Dipl.-Sozialpädagogin für freie Bildungsträger im Einsatz. Ich nutze alle meine Kontakte aus jeder Phase meiner eigenen beruflichen Laufbahn, um Schülerinnen und Schüler zu unterstützen. Ich bin täglich in der Schule präsent und kenne daher die meisten Schülerinnen und Schüler und natürlich auch deren Lehrerinnen und Lehrer persönlich ganz gut. Von diesen langfristig aufgebauten Beziehungen profitieren alle gleichermaßen. Daher freue ich mich besonders, dass das Grone-Bildungszentrum Schleswig-Holstein – mein Arbeitgeber – von der Stadt Kiel den Zuschlag bekommen hat, noch bis 2025 an der GGS tätig sein zu können. Die Frau Kaiser bleibt den Schülerinnen und Schülern also noch länger erhalten!

Was machen Sie als Job-Coach anders als eine Lehrerin oder ein Lehrer?

Ich mache keinen Unterricht und muss niemandem eine Note für ein Schulfach geben. Im Unterschied zu Lehrpersonen kommen die Schülerinnen und Schüler freiwillig zu mir, um sich in Sachen Berufsorientierung, Ausbildungsplatz und Praktikum beraten zu lassen. Das ist ein großer Unterschied. Nicht dass Sie mich falsch verstehen – die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften an dieser Schule ist toll! Es ist aber erfahrungsgemäß effektiver, wenn man das Thema Berufsfindung in einer 1:1 Beratungssituation angehen kann. Das ist der große Unterschied zu einer Lehrperson, die ja immer eine ganze Schulklasse gleichzeitig vor sich hat. In meiner Eigenschaft als Berufs-Coach kann ich da wesentlich zielführender beraten.

Ihr seid super! Ihr werdet gebraucht.

Wie steht es um Kontakte zu in Frage kommenden Unternehmen? Die klagen ja oft darüber, dass junge Leute angeblich nicht motiviert genug seien.

Das erlebe ich eindeutig anders! Jugendliche sind motiviert. Nur schafft es nicht jeder alleine. Ich habe die Schülerinnen und Schüler ja erstmal ganz unvoreingenommen bei mir im Büro sitzen. Noch bevor ich irgendetwas von ihnen weiß – ob sie gut oder schlecht in Mathe sind oder ob sie als schüchtern gelten oder als Klassenclown. Das ist eine unglaubliche Chance! Ich vermittle zunächst allen, die zu mir kommen, das Gefühl ‘Ihr seid super’. Ich helfe jungen Menschen damit, ihren Platz im Leben und in der Gesellschaft zu finden. Berufsorientierung ist ja auch Sinn-Suche. Herauszufinden und dann sicher zu sein: ‘Hier werde ich gebraucht!’.

Müssen Unternehmen den jungen Menschen Ihrer Ansicht nach stärker entgegenkommen?

Das sehe ich in der Tat so. Auf der einen Seite finde ich es natürlich großartig, dass es mittlerweile so viele innovative Ansätze gibt, die Schülerinnen und Schüler neugierig machen sollen auf das Arbeitsleben. Zu nennen wären da beispielsweise das Young Waterkant Festival oder Projekte aus dem Programm Schule-Wirtschaft. Ich rate stets jedem dazu, einfach alles mitzunehmen und nichts auszulassen, um in die Arbeitswelt von morgen hineinzuschnuppern. Letztlich müssen sich meiner Ansicht nach jedoch Unternehmen noch stärker als bisher auf Schülerinnen und Schüler zubewegen. Im persönlichen Austausch werbe ich für meine Coachies und sage immer: ‘Gebt denen doch mal eine Chance!’

Könnten Sie hier bitte mal ein konkretes Beispiel nennen?

Nehmen Sie beispielsweise mal die Schülerinnen und Schüler einer DaZ-Klasse. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern hat man sich im deutschen Bildungssystem ja dafür entschieden, Sprachkompetenz bis zu einem bestimmten Niveau zur Voraussetzung für die Teilnahme am regulären Unterricht zu machen. Das bedeutet in Bezug auf die Berufsorientierung, dass Schülerinnen und Schüler eigentlich erst dann in Betriebspraktika vermittelt werden, wenn sie in eine Regelklasse versetzt werden. Ich habe mich jedoch darum bemüht, Unternehmen zu finden, die sich auf ein von Herrn Flint, dem Klassenlehrer der DaZ-Klasse, initiiertes Pilotprojekt eingelassen haben. Ich habe ihn darin unterstützt, vier Schülerinnen und Schüler direkt aus der DaZ-Klasse in Betriebe zu vermitteln. Zwei Personen haben in einer Zahnarztpraxis gearbeitet, zwei in einer Kindertagesstätte. Und was soll ich sagen? Die sind vor unseren Augen durch die Decke gewachsen!

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der beruflichen Orientierung?

Ich wünsche mir für jede Schule eine fest installierte Stelle für diese Aufgabe. Als Job-Coach an der Goethe-Gemeinschaftsschule habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht und weiß einfach, dass sich diese Investition in die Zukunft lohnt. Die Kontinuität, der Aufbau von persönlichen Beziehungen zu Schülerinnen und Schülern und zu Personalern und Ausbildungsleiterinnen, aber auch der stückweise Vertrauensaufbau zu Lehrpersonen zahlt sich vor allem lang- und mittelfristig aus. Für die Goethe-Gemeinschaftsschule wünsche ich mir, dass wir alle gemeinsam unsere erfolgreiche Arbeit noch mindestens bis 2025 gemeinsam fortsetzen können.

Liebe Frau Kaiser, vielen Dank für das Gespräch!

TEXT Natascha Pösel
FOTO Henrik Matzen