Gezielt begleiten

Gezielt begleiten

Die Schule mit der Welt draußen zu verknüpfen, hält BO-Koordinatorin Ann-Kathrin Wille für wichtig.

Ann-Kathrin Wille unterrichtet seit sechs Jahren hier an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule die Fächer Deutsch und WiPo. Die Lehrerin hatte bereits ihr Referendariat an der Toni absolviert und im Anschluss zusätzlich zu ihrer Lehrtätigkeit die Koordination der Berufsorientierung übernommen. Seitdem hat sie die Berufsorientierung ein umstrukturiert und diese praktischer gestaltet.

Wie wird die Berufsorientierung an Ihrer Schule umgesetzt?

Berufsorientierung ist seit der fünften Klasse verpflichtend, basierend auf der neuen Landesverordnung. Wir schaffen bereits in dieser Klassenstufe Situationen, in denen die Schülerinnen und Schüler darüber nachdenken, was sie später beruflich machen möchten. Ab der siebten Klasse wird dieser Prozess intensiv mit dem Stärkenparcours begonnen. Er hilft den Schülerinnen und Schülern ihre individuellen Fähigkeiten und Interessen zu entdecken.
In meiner eigenen Klasse habe ich den Stärkenparcours im letzten Schuljahr vorbereitet. Gemeinsam mit ME2BE haben wir eine Vorhabenwoche konzipiert, die die Lernenden darin schult, ihre eigenen Stärken selbst zu entdecken. Die Entdeckung der eigenen Stärken bildet die Grundlage für die weitere Berufsorientierung. Hier setzt die intensive Zusammenarbeit mit Berufsberaterin Ulrike Gronau von der Bundesagentur für Arbeit ein.

Wie läuft die Berufsorientierung ab Klasse acht?

In der achten Klasse starten die Jugendlichen in ihr erstes Praktikum. Dieses wird durch die unterschiedlichen schulischen Unterrichtsfächer vorbereitet.
Gemeinsam mit der Berufsberatung wird eine praktische Woche mit Workshops durchgeführt und die Agentur für Arbeit besucht. Wir führen zudem eine zweiwöchige Berufsfelderprobung durch, bei der die Schülerinnen und Schüler praktische Erfahrungen in Handwerksberufen sammeln; sie arbeiten zum Beispiel im Tiefbau, beim Bäcker oder im Maurerbetrieb. Das zeigt den Schülerinnen und Schülern, wie anstrengend und erfüllend körperliche Arbeit sein kann.
Mit dem Praktikum in der neunten Klasse setzt sich die Berufsorientierung fort. Ab dieser Jahrgangsstufe beginnt zudem die Phase des individuellen Entscheidens und Überprüfens von Entscheidungen. Das geschieht im Kontext des ersten anerkannten Schulabschlusses und dient auch dazu, die individuelle Weiterentwicklung zu sichern.

Wird Berufsorientierung in jedem Schuljahr durchgeführt?

Ja, das ist das Wesen des Spiral-Curriculums. Es besteht darin, dass das Thema Berufsorientierung immer wieder aufgegriffen wird. Dabei werden jedoch unterschiedliche Aspekte beleuchtet, die für die jeweilige Jahrgangsstufe relevant sind. Im siebten Jahrgang müssen die Schülerinnen und Schüler noch keine Bewerbungen schreiben können, aber sie sollten sich bereits damit auseinandersetzen: Was kann ich eigentlich und was interessiert mich?
Weil das Thema an unserer Schule eine Querschnittsaufgabe bildet, setzen es viele Lehrkräfte in ihren Fächern um. Die Praktika werden zum Beispiel durch die Weltkundeunterrichtslehrkraft betreut. Und da diese in zwei verschiedenen Jahrgangsstufen stattfinden, baut die Vorbereitung aufeinander auf. Auch die Kontakte zu Unternehmen werden sukzessive aufgebaut. Wir beziehen die Eltern mit ein, aber die Schule spielt eine sehr entscheidende Rolle und hat eine bedeutende Aufgabe zu erfüllen.

Wie wird die Verbindung zur Praxis hergestellt?

Das geschieht durch die erwähnten Praktika, die sehr wichtig sind, weil sie den Schülern einen realistischen Einblick in verschiedene Berufe erlauben. Die Eltern werden ebenfalls einbezogen: Mit den Zeugnissen erhalten sie ein Schreiben, das über das anstehende Praktikum informiert. Nach intensiver Vorbereitung suchen die Schülerinnen und Schüler ihren Praktikumsplatz selbstständig.
In meiner Klasse absolvieren die Schülerinnen und Schüler ihr Praktikum im Februar 2025, und wir haben bereits viele Rückmeldungen zu erfolgreichen Anmeldungen erhalten.

Die Schülerinnen und Schüler freuen sich schon auf diese Gelegenheit, einen Beruf in der Praxis auszuprobieren.

Wie unterstützen Sie die Schüler bei der Entscheidung für eine Berufsausbildung?

Wir gehen ehrlich mit den Schülerinnen und Schülern um und fragen, ob sie das Abitur machen möchten und benötigen. Es ist wichtig zu erkennen, dass nicht jeder Beruf ein Abitur erfordert und dass drei Jahre eine lange Zeit sind, in der man bereits eine Berufsausbildung abschließen könnte. Wir begleiten die Schülerinnen und Schüler intensiv und beraten sie individuell, damit sie die bestmögliche Entscheidung für ihre Zukunft treffen. Wir freuen uns natürlich auch über alle Lernenden, die das Abitur als Ziel haben!
Insgesamt versuchen wir, allen Schülern den Eintritt in den ersten Arbeitsmarkt so niedrigschwellig wie möglich zu gestalten. Mein Ansinnen als BO-Koordinatorin ist es, die Hemmschwellen zu senken. Denn wenn Jugendliche in der Schulzeit schon vorbereitet werden, ist der Schritt später nicht so groß, sich für einen Ausbildungsplatz zu bewerben.

Wie begleiten Sie die Schüler in der Oberstufe?

Auch in der Oberstufe betreuen wir die Schülerinnen und Schüler intensiv. Wir begleiten sie zu Informationstagen an der Fachhochschule oder Universität und bieten außerdem vielfältige Angebote, um den Eintritt in den Arbeitsmarkt oder das Studium so einfach wie möglich zu gestalten. Dabei ist es wichtig, dass die Jugendlichen eine realistische Vorstellung davon bekommen, welche Möglichkeiten ihnen offenstehen. Auch hier ist die Zusammenarbeit mit der Berufsberatung von Bedeutung.

Welche Ziele verfolgen Sie mit der schuleigenen Messe?

Unser Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern nicht nur Informationen, sondern auch praktische Erfahrungen zu bieten. Wir wollen Raum für Erfahrungen schaffen, Experimentierräume, in denen sie sich mit einer praktischen Tätigkeit ausprobieren können, zum Beispiel, indem sie eine Hochsteckfrisur in einem Friseursalon machen. So bekommen sie eine realistische Vorstellung von verschiedenen Berufen und können besser einschätzen, ob dieser Beruf zu ihnen passt.

Welche Rolle spielt die Schule insgesamt bei der Berufsorientierung?

Schule spielt eine große Rolle bei der Berufsorientierung und unterstützt die Schülerinnen und Schüler dabei, ihre Stärken und Interessen zu entdecken.

Wir beziehen die Eltern ein und helfen den Jugendlichen, realistische Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft zu entwickeln. Es geht darum, etwas zu finden, wofür man brennt und was einen glücklich macht. Durch die kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema helfen wir den Schülerinnen und Schülern, gut vorbereitet in ihre berufliche Zukunft zu starten.

Warum sind Sie selbst Lehrerin und BO-Koordinatorin geworden?

Es war meine innere Motivation. Ich wusste schon seit der Grundschule, dass ich Lehrerin werden wollte. Allerdings fand ich es sehr schade, dass ich schulisch nicht auf das Berufsleben nach der Schule vorbereitet worden bin. Es war eine andere Zeit und ich möchte es heute besser machen. Mir ist es wichtig, die Schule mit der Welt draußen zu verknüpfen.
Ich empfehle Schülerinnen und Schülern, in einen Beruf zu gehen, wenn sie es möchten. Manchmal gehört Mut dazu, sich für eine Ausbildung zu entscheiden. Mein Rat lautet: „Ihr habt alles, was ihr braucht, den letzten Schritt müsst ihr selber gehen. Steht für euch und eure Interessen ein!“

TEXT Hilke Ohrt
FOTO Reinhart Witt