„Für eine KI-generierte Steuererklärung übernimmt niemand die Haftung“

„Für eine KI-generierte Steuererklärung übernimmt niemand die Haftung“

Steuerberater wissen, wie das Geld im Land verteilt ist und verdienen selbst hervorragend. Besonders lukrativ sind Nischen wie die Kryptosphäre, erklärt Maximilian Freyenfeld. Er ist Professor für Steuerberatung und Digitalisierung an der Technischen Hochschule Augsburg.

„Auch in der digitalen Kanzlei bleibt für die Menschen genug zu tun.“

Herr Freyenfeld, haben Steuerberater in zehn Jahren noch etwas zu tun oder erledigt alles eine KI?

Der komplette Datenstrom und Routineaufgaben wie die Buchung von Belegen werden dann sicherlich automatisiert erfolgen. Eine KI generiert daraus zum Beispiel einen Vorschlag für die Steuererklärung, die dann vielleicht beim steuerlichen Berater in der VR-Brille erscheint. Der Entwurf ist nur noch zu prüfen, bevor er an die Finanzbehörde geht.

Und im nächsten Schritt wird dann der Steuerberater überflüssig?

Auch in der digitalen Kanzlei bleibt genug für die Menschen zu tun. Schon jetzt wird mit KI-Anwendungen experimentiert. Es sind aber eher Spielereien und Hilfestellungen, die so ähnlich auch in anderen Branchen genutzt werden. So lässt sich zum Beispiel ein Steuergutachten mit Hilfe von generativen Sprachmodellen erstellen. ChatGPT würde die Prüfung für Steuerfachangestellte schon heute bestehen und kann zum Beispiel allgemeine Vor- und Nachteile einer GmbH solide benennen. Anders sieht es etwa bei der Nachfrage aus, wie es sich bei dieser Rechtsform mit einem betrieblichen Grundstück verhält. Weil die verfügbaren KIs mit frei zugänglichen und daher ungeprüften Daten aus dem Internet trainiert wurden, kommt es zu Fehlern. Deshalb würde wohl niemand die Haftung für eine KI-generierte Steuererklärung übernehmen.

Könnte sich das in Zukunft nicht ändern?

Um die Qualität zu steigern, entwickeln Anbieter von Steuerverwaltungsprogrammen inzwischen eigene KI-gestützte Services. Allein damit ist die Bilanz eines Unternehmens jedoch nicht rechtssicher zu erstellen. Angesichts der hohen Summen dürfte sich auch künftig keine Versicherung finden, die für einen KI-generierten Jahresabschluss geradesteht. Auch Datenschutz ist in unserem Metier ein heißes Thema – ich kann bei einer KI nicht einfach die Daten meiner Mandanten eingeben. Mittelfristig lässt sich die fachliche Arbeit bei einem komplexen, individuellen Fall nicht vollständig von einer KI erledigen. Ob das jemals erreichbar sein wird, ist für mich denkbar, aber aus heutiger Perspektive ungewiss.

„Als Steuerberater bekommt man einen einzigartigen Einblick …“

Steuerberatung klingt trocken – macht Digitalisierung das Berufsfeld attraktiver?

Die steuerliche Beratung ist schon heute alles andere als langweilig. Künftig werden wie gesagt die Routineaufgaben durch die Digitalisierung fast komplett entfallen. Was bleibt sind coole Themen und die individuelle Beratung: Lohnt sich für meinen Mandanten eine bestimmte Immobilie oder die Gründung einer GmbH? Als Steuerberater bekommt man außerdem einen einzigartigen Einblick, wie das Geld in Deutschland verteilt ist und wohin es fließt. Welche Ausgaben hat ein Arzt und wieviel verdient er? Wer gibt für was wieviel aus? Die finanziellen Verhältnisse in unserer Gesellschaft werden in der ganzen Breite transparent. Die Steuerberatung bietet tolle Perspektiven und gutes Geld – das Berufsfeld kann sehr lukrativ sein.

Neben Ihrer Professur sind Sie als Fachanwalt für Steuerrecht bei ALPHYN Rechtsanwälte tätig sowie Mitglied der Geschäftsführung der CRYPTOLIGHT GmbH. Was verdient jemand, der sich auf steuerliche Fragen bei Kryptowerten spezialisiert?

Die Nachfrage nach steuerlicher Beratung zu Krypto-Assets ist derzeit so groß, dass manche Kanzleien Stundensätze bis zu 800 Euro aufrufen. Dennoch warten Interessenten teilweise ein halbes Jahr auf einen Termin. Als Spezialisten agieren wir in einer Nische, die zunehmend größer wird. Allein der Bitcoin ist aktuell mit rund zwei Billiarden Dollar mehr wert als beinahe jedes Unternehmen der Welt. Und bis zu 15 Prozent der Deutschen geben an, Erfahrungen mit Krypto zu haben. Der Bereich hat demnach eine hohe wirtschaftliche Relevanz.

Wie helfen Sie Ihren Mandanten?

Es gibt viele rechtschaffene Menschen, die Krypto-Assets legal verwenden und die Gewinne außerhalb dieser Sphäre nutzen wollen. Dazu gehört die korrekte Versteuerung. Für Einzelpersonen ist das meist überschaubar. Bei einem Unternehmen, das 40.000 Transaktionen aus der Blockchain in eine Bilanz überführen muss, dagegen eine anspruchsvolle Aufgabe. Wir haben Mandanten, die softwaregestützt dreistellige Millionenbeträge bewegen. Diesen Unternehmen bieten wir unter anderem Module für Buchungssätze, um einen Jahresabschluss zu erstellen. Zu unseren Aufgaben zählt es manchmal auch, Finanzverwaltungen mit Informationen im Bereich Krypto zu versorgen. Nicht alle wissen zum Beispiel, wie sich aus einem Block Explorer, mit dem sich Transaktionen und Blöcke in einer Blockchain anzeigen und überprüfen lassen, steuerliche Nachweise ergeben.

Handeln Sie selbst mit Krypto-Assets?

Ich investiere keine großen Beträge und bin nicht aktiv, um große Gewinne zu erzielen. Es geht mir vor allem um ein Verständnis dafür, wie neue Entwicklungen in der Kryptosphäre funktionieren, die über den Bitcoin und andere Währungen hinausgehen. Das Spektrum reicht hier von neuartigen Handelsplattformen bis zu kleineren NFT-Projekten mit sogenannten Non-Fungible Token, also Kryptowerten, die anders als Kryptowährungen einmalig und nicht teilbar sind.

„Wichtig finde ich, …welche ökonomischen Überlegungen für meinen Alltag relevant sind.“

Oft wird mehr Finanzbildung an Schulen gefordert, sollte auch Wissen rund um Steuern und Krypto dazugehören?

Wichtig finde ich, nicht nur allgemeine volks- und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge zu erklären. Sondern auch, welche ökonomischen Überlegungen für meinen Alltag relevant sind. Wie haushalte ich sparsam, welche Altersvorsorge ist sinnvoll und wie gebe ich Geld so aus, dass es mich glücklich macht? Bei der beruflichen Orientierung würde ich mir wünschen, dass die Selbstständigkeit verstärkt in den Blick kommt. In der Schule hatte ich Wirtschaft als Leistungskurs, für meine berufliche Zukunft aber zunächst nur eine Tätigkeit als Angestellter vor Augen. Die Option, zu gründen oder freiberuflich zu arbeiten, wird kaum vermittelt. Das liegt vermutlich auch an fehlenden Rollenvorbildern. Dass ich eine Kanzlei und ein Start-up gegründet habe, hat mir nicht die Schule mit auf den Weg gegeben.
Im Bereich Steuern und Krypto sollten zumindest Grundlagen vermittelt werden. Etwa Wissen zu Einkommen- und Umsatzsteuer sowie den Sozialabgaben. Die wachsende Bedeutung von Kryptowerten legt es aus meiner Sicht nahe, sich auch mit diesem Thema schon frühzeitig zu befassen.

Was empfehlen Sie Start-ups, die Sie an Ihrer Hochschule beraten?

Gegründet wird – neben anderen Motiven – zumindest auch, um Geld zu verdienen. Gewinne sind zu versteuern und ich muss auch in einem Start-up aufpassen, mich korrekt zu verhalten. Auch bei Steuerangelegenheiten schützt Unwissenheit nicht vor Strafe. Ich sollte mich also von Anfang an beraten lassen und mich als Gründer informieren, zum Beispiel zur passenden Rechtsform meines Unternehmens oder zum korrekten Verbuchen der Umsatzsteuer.

TEXT Peter Ringel
FOTO ALPHYN Rechtsanwälte