Fridays for Future: Mitorganisator Jakob fordert radikales Umdenken

Fridays for Future: Mitorganisator Jakob fordert radikales Umdenken

Jakob Blasel ist Schüler des Gymnasiums in Kronshagen und Mitorganisator der Protestbewegung „Fridays for Future“, bei der Schülerinnen und Schüler an jedem Freitag, statt zur Schule, auf die Straße gehen und für eine radikale Veränderung der Klimapolitik demonstrieren. Begonnen hat die Bewegung im August 2018 mit dem Schulstreik der 16-jährigen schwedischen Schülerin Greta Thunberg. Mittlerweile erhält die Bewegung weltweite Aufmerksamkeit. Am Freitag, den 15. März, schlossen sich rund um den Globus circa 300.000 Schüler dem Protest an, davon allein etwa 15.000 in Schleswig-Holstein. Im Gespräch mit ME2BE Campus wiederholt Jakob die Forderungen seiner Generation an die politischen Entscheidungsträger und erklärt, warum diese wichtiger sind als die Abiturvorbereitung.

Hallo, Jakob. Du gehörst du zu den ersten Schülern, die sich in Deutschland für die Protestbewegung „Fridays for Future“ stark gemacht haben. Wann und wie fing das an?

Mit dem Thema Klimawandel beschäftige ich mich schon seit langer Zeit und engagiere mich in mehreren Jugendgruppen. Als Greta Thunberg dann letztes Jahr für eine andere Klimapolitik zu streiken begann und im November 2018 die ersten Schülerproteste in Berlin aufkamen, traf ich mich mit einigen Leuten. Wir beschlossen, uns dem Protest anzuschließen, und verabredeten uns über Whatsapp mit anderen Schülern in Kiel und ganz Deutschland. Bei unserem ersten Protest am 14. Dezember vor dem Kieler Landeshaus rechneten wir mit 20 Teilnehmern. Es kamen 500!

Was genau ist eure Forderung?

Wir fordern die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens, also die Selbstverpflichtung der Staaten, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Wir verlangen einen radikalen umweltpolitischen Kurswechsel und eine sofortige und drastische Reduzierung der Emissionen.

Auf welche Erkenntnisse stützt sich der Protest?

Auf die Erkenntnisse weltweiter Klimaschutzforschung! Wissenschaftler aus aller Welt kommen im Intergovernmental Panel on Climate Change, im IPCC, also im Klimaschutzprogramm der UNO, zu der Erkenntnis, dass es einen Klimawandel gibt, dass er von Menschen verursacht wird und dass wir schätzungsweise nur noch 11 Jahre Zeit haben, um einer Klimakatastrophe entgegenzuwirken. Anschließend droht ihrer Meinung nach die Gefahr eines irreparablen Schadens! Der Klimaforscher Mojib Latif beobachtet einen Anstieg des Meeresspiegels um jährlich 3 Zentimeter. Das könnte bedeuten, dass Kiel in 30 Jahren ein Meter unter Wasser stehen wird!

Gegen wen richtet sich euer Protest?

Wir protestieren gegen die bisherige und aktuelle Klimapolitik der Bundesregierung. Sie wird nicht ansatzweise ausreichen, um die Klimaschutzziele innerhalb der nächsten Jahre zu erreichen. Wir erwarten von Politikerinnen und Politikern aller Parteien, aber auch von Bürgermeistern und allen anderen Entscheidungsträgern, sich bedingungslos für den Klimaschutz einzusetzen.

Muss sich nur die Politik ändern oder auch das Konsumverhalten jedes Einzelnen?

Wir alle müssen unser Verhalten ändern! Es wäre meines Erachtens hilfreich, wenn jeder sofort zu einem Ökostromanbieter wechseln und auf Flugreisen und Kreuzfahrten verzichten würde. Wärmedämmung, Verzicht auf Fleischverzehr … es gibt viele Ansätze, doch ich glaube nicht, dass wir so lange abwarten können, bis jeder sein eigenes Verhalten verändert hat. Das Problem kann nur durch einen schnellen Politikwechsel gelöst werden.

Ist es nicht naiv zu glauben, dass alle Schadstoffemissionen innerhalb weniger Jahre um 95 Prozent reduziert werden können?

Nein, wir halten es für naiv zu glauben, es sei in Ordnung, es nicht zu tun! Wir hätten uns auch gewünscht, man hätte schon vor über vierzig Jahren auf die Warnungen des Club of Rome reagiert, als vor den Grenzen des Wachstums gewarnt wurde. Passiert ist nichts. Daran sind andere Generationen schuld, nicht unsere!

Viele loben das politische Engagement der „Fridays-for-Future-Bewegung“, doch es gibt auch Kritik, vor allem an dem Zeitpunkt der Proteste während der Schulzeit. Wie stehst du zu diesen Vorwürfen?

Wir würden diese enorme Aufmerksamkeit nicht bekommen, wenn wir uns an Samstagen vor das leere Landtagsgebäude stellen würden. Außerdem möchten wir bewusst die Botschaft vermitteln: Was hilft es uns, zur Schule zu gehen, wenn gleichzeitig unsere Zukunft verspielt wird? Ich glaube, dass Nichtstun mein Leben stärker bedroht als eine schlechtere Abiturvorbereitung!

Wie hat deine Schule bisher auf die Fehlzeiten reagiert?

Für die Schule kam es natürlich überraschend, sodass anfangs niemand genau wusste, wie damit umzugehen sei. Es gibt auch ein gewisses Verständnis für unsere Haltung, aber auch Einträge, Vermerke und teilweise ruppige Kommentare. Ironischerweise habe ich im Geografie-Unterricht gelernt, warum nachhaltiges Handeln so wichtig ist! Die Schule ist also auch eine Art ,Entwicklungszelle‘ unserer Haltung.

Greta Thunberg sagt: „Ich will, dass ihr in Panik ausbrecht!“ Stimmst du ihr zu?

Absolut, denn ich verspüre selbst Panik, wenn ich an die Zukunft denke! Es geht uns nicht um blinde Panik, sodass man die Flucht ergreift, sondern darum, die Bedrohung zu verdeutlichen und die richtigen Lösungen zu finden!

Was für eine Zukunft wünschst du dir?

Ich wünsche mir eine Zukunft, in der unsere Gesellschaft funktioniert, in der unsere Häuser nicht unter Wasser stehen und Natur- und Umweltschutz in Ergänzung zur Menschenwürde als oberste Priorität weltweit in allen Verfassungen verankert wird!

Woche für Woche wächst eure Bewegung. Am vergangenen Freitag zogen allein in  Kiel 7.000 Schülerinnen und Schüler durch den strömenden Regen. Wie lange wollt ihr den Protest noch aufrechterhalten?

So lange, bis endlich gehandelt wird und bis es einen verbindlichen Klimaschutzplan gibt, dessen Ziele auch eingehalten werden. Deutschland ist einer der größten Klimaverschmutzer, hat als einziges Land kein gesetzliches Tempolimit und gehört zu den größten Förderern des Braunkohleabbaus, des dreckigsten Energieträgers überhaupt. Wie wollen wir Brasiliens Präsident Bolsonaro dazu bewegen, die Abholzung des Regenwaldes zu stoppen, wenn wir gleichzeitig den Hambacher Forst roden? Wenn wir glaubwürdig sein wollen und eine Vorbildfunktion für den Rest der Welt einnehmen möchten, brauchen wir ein radikales Umdenken.

Du stehst – trotz der Proteste – kurz vor dem Abitur. Weißt du schon, was du anschließend machen wirst?

Nein, ich habe mich noch nicht festgelegt. Grundsätzlich würde mich eine Tätigkeit in einer Non-Government-Organisation oder bei einer nachhaltig wirtschaftenden Firma interessieren, aber es kann auch sein, dass ich erstmal ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviere.

Gibt es Politiker, Wissenschaftler oder andere Personen, die deiner Meinung nach das Thema Klimaschutz sinnvoll angehen?

Ja, Greta Thunberg.

Vielen Dank für das Gespräch, Jakob.

 

TEXT Christian Dorbandt
FOTO Florian Kolmer