Interview mit dem Golftrainer Alen Mischkulnig
Viele Eltern träumen davon, dass ihre Kinder Jura studieren. Der Anwaltsberuf verspricht Wohlstand und Ansehen, doch er ist nicht für jeden geeignet. Die Liste ehemaliger Juristen, die in einem anderen Beruf zu Ruhm gekommen sind, ist lang: Goethe, die Gebrüder Grimm, Heinrich Heine, Gustave Flaubert, Franz Kafka und Paulo Coelho haben Rechtswissenschaften zwar studiert, aber nie oder nur kurz ausgeübt. Heine trauerte sein Leben lang um vergeudete Jahre an der Rechtsfakultät und Flaubert schrieb: „Die Rechtswissenschaften bringen mich um, verblöden und lähmen mich, es ist mir unmöglich, dafür zu arbeiten.“ Alen Mischkulnig war auch einmal Anwalt, bei einer Kanzlei von der viele Jurastudenten träumen: Freshfields Bruckhaus Deringer, einer der größten und renommiertesten internationalen Wirtschaftskanzleien der Welt. Aber auch mit Alen hatte das Schicksal etwas anderes vor. Er wurde Golftrainer.
Wie bist du darauf gekommen, Jura zu studieren?
Ich bin in Thailand aufgewachsen und habe mein Abitur an der Swiss School in Bangkok gemacht. Zum Ende der Schulzeit wusste ich überhaupt nicht, was ich studieren sollte. Ich habe irgendwann meinen Vater gefragt, und sein Vorschlag war Jura. Und das wurde es dann auch.
Hat dir das Studium Spaß gemacht?
Nein, mir hat Jura schon nach der allerersten Vorlesung nicht gefallen. Mein Gedanke war: „Mist! Das ist ja genau das, was ich nicht mag!“ Ich war in der Schule gut in Mathe und Physik, Lesen und Interpretieren hat mich nie besonders interessiert. Das Problem war aber, dass ich in den Prüfungen nach dem ersten Jahr zu den besten 10 Prozent meines Jahrgangs gehört habe. Im Jurastudium muss man fleißig, diszipliniert und ein bisschen clever sein. Wenn man viel lernt und sich anstrengt, schafft man es auch. Man muss sich durchbeißen. Ich hatte aber die Hoffnung, dass es nach dem Studium besser wird und man im Job mehr Spaß hat. Außerdem hatte ich keine Alternative zu Jura. Ich hatte keine Idee, was ich sonst hätte machen sollen.
Wie bist du zu Freshfields gekommen?
Ich habe in den Prüfungen nach dem zweiten Jahr wieder gut abgeschnitten und wurde dann als einer der Jahrgangsbesten von der Kanzlei als Rechtsreferendar angenommen.
Wie lange hast du in der Kanzlei gearbeitet?
Ich war insgesamt sieben Jahre bei Freshfields, zwischendurch habe ich auch ein Jahr lang bei der amerikanischen Bank Morgan Stanley gearbeitet. Ich habe mich mit Finanz-, Bank- und Immobilienrecht beschäftigt.
Wieviel hast du damals gearbeitet?
Schon viel. Vor allem am Ende von Projekten haben wir wochenlang 15 bis 16 Stunden am Tag gearbeitet – häufig auch nachts und am Wochenende. Man könnte sagen, dass ich damals vor allem für meine Freizeit und meinen Urlaub gelebt habe. Ich bin zur Arbeit gegangen und hatte das Wochenende vor Augen.
Wann hast du gemerkt, dass die Anwaltstätigkeit nicht der richtige Job für dich ist?
In den letzten zwei Jahren habe ich nachts oft wachgelegen und mich gefragt, wo dieses Leben nur hinführen soll. Ich wusste, dass ich niemals Partner der Kanzlei werden würde. Dafür hat mir die Leidenschaft für diesen Beruf gefehlt. Ich habe mir meine Frustration im Büro nie anmerken lassen, aber meine Mutter und meine damalige Freundin haben gesehen, dass ich bedrückt war und mir dann geraten, mich nach etwas anderem umzugucken, was mir mehr Spaß macht.
Du bist dann zu einem Karrierecoach gegangen.
Ja, ich habe mit ihm viel über mein Leben geredet und meine Fähigkeiten analysiert. Dabei kam heraus, dass ich nicht besonders gut darin bin, schnell viele Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Dabei war das genau das, was ich als Anwalt gemacht habe. Zu Stoßzeiten lagen auf meinem Schreibtisch stapelweise Dokumente und Schriftsätze und jede Minute gingen fünf E-Mails in meinem Posteingang ein. Mir wurde damals schlagartig klar, weshalb mir der Job als Anwalt keine Freude gemacht hat. Wann macht einem ein Job Spaß? Wenn er einem leicht fällt und man gut darin ist. Ich hatte Fleiß und Disziplin, aber ich musste immer einen extra Schritt gehen, um mit meinen Kollegen mitzuhalten.
Was hat dir dein Coach geraten?
Er hat mir gesagt, dass ich viel Geduld habe und ein Typ bin, der sich Informationen mit Bedacht anschaut und sich Zeit nimmt, sie zu durchdenken und erst dann seine Meinung von sich gibt. Das ist genau das, was Golftrainer machen. Sie stellen sich neben den Schüler, schauen sich seinen Schwung an, analysieren ihn und geben ihm dann Ratschläge. Und sie müssen geduldig sein, so wie alle Lehrer. Als ich verstanden habe, dass meine Fähigkeiten zu dem Beruf des Golftrainers passen, war es eine leichte Entscheidung, den Job als Rechtsanwalt an den Nagel zu hängen und eine Ausbildung als Golftrainer zu beginnen. Glücklicherweise habe ich einen Ausbildungsplatz in der Golfakademie eines Bekannten in Brunstorf in der Nähe von Hamburg sichern können.
Wie sieht dein Leben heute aus?
Ich habe meine Ausbildung Ende 2012 abgeschlossen und bin jetzt Trainer in dem Berliner Golfclub Stolper Heide. Ich unterrichte dort an der Golfakademie eines sehr renommierten deutschen Trainers. Ich arbeite auch heute viel, aber die Arbeit macht mir viel Spaß und sie fordert mich. Ich trainiere nicht nur Erwachsene, die Golf zum Ausgleich spielen, sondern auch leistungsstarke Kinder und Jugendliche, die viel Potential haben. Die Arbeit im Leistungsbereich ist mir besonders wichtig – als Golftrainer erarbeitet man sich nämlich einen guten Ruf, wenn man erfolgreiche Clubmannschaften langfristig trainiert und mit starken Einzelspielern zusammenarbeitet.
Würdest du jemals zurück in den Anwaltsberuf gehen?
Niemals! Als ich im letzten Jahr für meine Abschlussprüfung gelernt habe, hatte ich in einer Nacht einen Albtraum. Ich war wieder Anwalt, trug einen Anzug und war auf dem Weg in die Kanzlei. Als ich aufgewacht bin und gemerkt habe, dass ich nur geträumt hatte, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen und mir wurde klar, wie unglücklich ich damals war und wie glücklich ich heute bin.
www.golfclub-stolperheide.de
www.tilchgolf.de
TEXT Slaven Marinovic
FOTO Alen Mischkulnig