Energiewissenschaften – Weniger ist mehr!

Energiewissenschaften – Weniger ist mehr!

Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. Jochen Wendiggensen, Dekan des Fachbereichs Energie und Biotechnologie an der FH Flensburg über den neuen Bachelor-Studiengang „Energiewissenschaften“

Herr Professor Wendiggensen, an der FH Flensburg wird das Thema ENERGIE traditionell groß geschrieben. Zum Wintersemester 2015/16 vereinen Sie die drei Bachelorstudiengänge im Bereich Energie zu einem neuen Studiengang namens Energiewissenschaften. Warum?
Aus der Zusammenlegung ergeben sich zwei wesentliche Vorteile. Erstens: Die Studierenden erhalten mehr Freiraum durch größere Wahlmöglichkeiten. Zweitens: Unser Lehrkörper wird entlastet. Beispiel: Das Fach Thermodynamik stand bisher in allen drei Studiengängen auf dem Lehrplan. Zukünftig wird es nur in dem neuen Studiengang Energiewissenschaften angeboten, dafür natürlich in jedem Semester.

Freiraum im Studium hört sich immer gut an. Wie genau wird der aussehen?
Bisher waren die Möglichkeiten individueller Schwerpunktsetzung begrenzt. Das haben unsere Studierenden immer wieder bemängelt. Zukünftig wird das Studium anders gegliedert: Der Grundlagenbereich ist für alle identisch. In ihm werden die energiewissenschaftlichen Grundlagen gelegt. Anschließend entscheidet sich jeder Studierende für eine von drei Studienrichtungen: EES – Elektrische Energiesystemtechnik, RET – Regenerative Energietechnik, oder EUM – Energie- und Umweltmanagement. Im darauf folgenden Profilbereich erhält die gewählte Studienausrichtung ihr genaues Lehrprofil. Es ergeben sich dann für jeden Studierenden individuelle Pflichtveranstaltungen. Abschließend kommt der Wahlbereich. Hier wird nicht mehr vorgeschrieben, welche Fächer die Studierenden belegen müssen.

Wie sieht allgemein die Situation in Ihrem Fachbereich aus?
Mit der Auslastung sind wir zufrieden, auch wenn der Zulauf in den vergangenen Jahren etwas abgenommen hat. Ein Grund dafür sind steigende Hochschulangebote im gesamten Bundesgebiet. Das können wir daran erkennen, dass noch vor einigen Jahren ca. 80 Prozent der Studierenden aus anderen Bundesländern zu uns kamen, nur 20 Prozent aus Schleswig-Holstein. In diesem Jahr war die Verteilung 50:50.

„Wir bringen an unserer FH die Leute zusammen, die später miteinander arbeiten!“

An wen richtet sich der neue Studiengang Energiewissenschaften?
Wir sprechen alle technisch interessierten Schülerinnen und Schüler an, auch solche, die noch nicht genau wissen, in welche Richtung sie tendieren. Es gibt sehr unterschiedliche Aufgabenbereiche im Energiesektor: Elektrotechnik, Maschinenbau, Verfahrenstechnik, aber auch Planung, Öffentlichkeitsarbeit, Projektierung – viele Optionen für die Studierenden in der Energiewirtschaft.

Welche Energiethemen werden uns zukünftig besonders stark beschäftigen?
Es geht nach wie vor um die drei großen E‘s der Energiewende: Einsparung, Erneuerbare Energien und Energie-Effizienzsteigerung. Mit Wärmeverlust und Stromtransport werden wir uns auch noch in vierzig, fünfzig Jahren beschäftigen.

Thema Energiepolitik. Blicken Sie als Wissenschaftler optimistisch oder pessimistisch in die Zukunft?
Optimistisch, was die Stromversorgung angeht. Weniger optimistisch bei den Themen Verkehr und Wärme. Pessimistisch, was das Zwei-Grad-Klimaziel betrifft. Damit kommen wir meiner Einschätzung nach zu spät.

Warum sollte man bei Ihnen an der FH Flensburg studieren? Was ist das Besondere?
Erstens: Wir sind die einzige Hochschule im Norden, die Energiewissenschaften anbietet. Zweitens: Wir bringen hier die Leute zusammen, die später miteinander arbeiten. Wer reine Elektrotechnik studiert, lernt viele Elektrotechniker kennen. Energiewissenschaftler mit Schwerpunkt Elektrotechnik lernen auch Energiewissenschaftler kennen, die in anderen Wirtschaftssektoren arbeiten. Drittens: Unsere Ausstattung ist sehr gut. Wir haben eine eigene Windkraftanlage, eigene Versuchsanlagen, Labore, Fotovoltaikanlagen, Brennstoffzellen, Erdwärmepumpen, also direkten Kontakt zu allen bekannten Technologien. Und viertens: Flensburg ist eine attraktive Stadt mit tollen Wassersportmöglichkeiten. Wir haben übrigens viele gute Kiter unter unseren Studierenden, teilweise mit Werksverträgen!

Haben Sie einen Wunsch an Ihre zukünftigen Energiewissenschaftler?
Ja. Im Bereich Energie- und Umweltmanagement haben wir es erlebt, dass viele Studierende sich außerhalb des Studiums sehr aktiv engagiert haben, z.B. im Klimaschutz, durch Patenschaften oder Dritte-Welt-Projekte. Ich wünsche mir, dass alle Studierenden des neuen Studiengangs intensiv zusammenarbeiten, damit sich eine neue Identität von Energiewissenschaftlern entwickeln kann. Wir brauchen sie!

Text: Christian Dorbandt
Foto: Sebastian Weimar