Peter-Ustinov-Schule Eckernförde: Eine musikalische Schule mit Herz, Hand und Seele

Peter-Ustinov-Schule Eckernförde: Eine musikalische Schule mit Herz, Hand und Seele

Egal welche Herkunft, ob hochbegabt oder lernbehindert: Die Peter-Ustinov-Schule Eckernförde fördert alle Schüler mit ihren Stärken und Schwächen.

Hier stimmt doch etwas nicht?! Schon der Name! Peter Ustinov war doch dieser seltsame britisch-deutsche Schauspieler. Und dann das: Eine Schulstunde dauert an der Peter-Ustinov-Schule 60 Minuten, Hausaufgaben gibt’s nicht und alle Schüler bleiben bis zum Nachmittag. Schon seit fast 25 Jahren lernen Haupt- und Realschüler gemeinsam mit Gymnasiasten im Klassenverband. Und jeder zweite Schüler musiziert in einer der sechs Schulbands!

Mittags geht’s schon los: Saxofon-Sound dringt bis ins Foyer, und irgendwo dahinten trommelt einer auf dem Schlagzeug. Ganze Räume voller Instrumente warten darauf, gespielt zu werden. Über 400 der 850 Schüler/-innen an der Peter-Ustinov-Schule beherrschen Tuba, Gitarre, Oboe oder E-Bass. „Ich komme eigentlich aus einer unmusikalischen Familie“, erzählt der 16-jährige Philipp Hoy. „Doch hier an der Schule konnte ich seit der 5. Klasse Querflöte lernen. Inzwischen trete ich mit unserer Schulband Red Scorpions regelmäßig bei Festen oder Veranstaltungen wie beim 1.-Mai-Feiertag auf dem Rathausplatz auf.“ Es rockt in der Schule, wenn „Smoke on the water“ durch die Flure hallt. Einige Schüler üben ihr Gesangstalent im Chor, andere Gruppen nennen sich nach ihrer Altersstufe „Sixteenth“ oder „Fofftein“.

Der Schulhof der Peter-Ustinov-Schule in Eckernförde.

Der Schulhof der Peter-Ustinov-Schule in Eckernförde.

Doch das heißt nicht, dass hier nur Musikgenies eingeschult würden. „Wir legen nur viel Wert darauf, dass alle Schüler mehr als den Unterrichtsstoff lernen. Wir wollen die Persönlichkeit und Talente jedes Einzelnen fördern und ihnen vermitteln, dass es Spaß macht, in einer Gruppe etwas zu erarbeiten“, erzählt Schulleiter Dirk Söhren. „Bei uns lernen alle früh, sich Dinge selbst zu erarbeiten, Projekte mit anderen zu gestalten. Im Unterricht werden die Schüler je nach ihrer Stärke dort gefördert, wo sie jeweils stehen. Oft kümmern sich zwei Lehrkräfte in einer Klasse um die Schüler“, erzählt der 59-jährige „Direx“.

Dirk Söhren ist Schulleiter der Peter-Ustinov-Schule Eckernförde.

Dirk Söhren ist Schulleiter der Peter-Ustinov-Schule Eckernförde.

Wie soll das nur funktionieren, wenn Schüler der drei Schularten in einer Klasse gemeinsam lernen, anfangs sogar ohne Noten? „Eine Schule für alle heißt, die Bedürfnisse und Interessen des Einzelnen nicht zu vergessen. Das ist unser Anspruch – in einem Klima der Achtung und Freundlichkeit“, erzählt Dirk Söhren. „Bei uns lernen Hochbegabte mit Lernbehinderten zusammen in einer Klasse, sitzen handwerklich Geschickte neben Kindern, die mehrere Musikinstrumente beherrschen.“

Statt „Gleichmacherei“ bekommt jeder Schüler, jede Schülerin die Förderung, die er/sie braucht. „Viele Kinder mit Hauptschulempfehlung bestehen bei uns sogar das Abitur“, betont Dirk Söhren. Wer in einigen Fächern besonders gut ist, bekommt zusätzlich „Futter fürs Hirn“ in dieser Förderschwerpunktschule für Hochbegabte. Die Früchte der engagierten pädagogischen Arbeit: Die Schulleistungen können sich sehen lassen. „Beim großen PISA-Test haben wir besser abgeschnitten als das internationale Siegerland Finnland“, sagt der Schulleiter. Außerdem kam dabei heraus, dass die Schüler besonders stark darin sind, Probleme eigenständig zu lösen – eine wichtige Voraussetzung für das spätere Berufsleben.

Kreatives selber machen in der Peter-Ustinov-Schule Eckernförde.

Kreatives selber machen in der Peter-Ustinov-Schule Eckernförde.

„Und in den Kompaktwochen, viermal im Jahr, erarbeiten alle gemeinsam Projekte, unternehmen Klassenfahrten oder absolvieren Betriebspraktika.“

Unterricht ist hier auch irgendwie anders: In 60-Minuten-Stunden können die Kids intensiver in den Schulstoff einsteigen. Neben den vier Stunden am Vormittag wartet nach der Mittagspause und den Arbeitsgruppen eine weitere Schulstunde auf die Schüler. In der Mensa können auch die Kinder und Jugendlichen des benachbarten Jungmann-Gymnasiums und der Grundschule zwischen drei leckeren, auch vegetarischen Gerichten wählen. Erst um 15 Uhr dürfen Schüler und die Lehrer nach Hause (außer freitags, dann ist mittags Schluss). „Außerdem haben wir zwei weitere Besonderheiten: In der ‚Lernzeit‘ darf jeder Schüler selbst bestimmen, was er lernen will – festen Unterricht gibt’s dann nicht. Und in den Kompaktwochen, viermal im Jahr, erarbeiten alle gemeinsam Projekte, unternehmen Klassenfahrten oder absolvieren Betriebspraktika.“

Eine Musicalproduktion aus 2013 der Inklusionsklasse.

Eine Musicalproduktion aus 2013 der Inklusionsklasse.

Weil der Tag in der Ganztagsschule – wie der Name schon andeutet, recht lang ist, gibt’s tolle Freizeitangebote nach Mittag zur Auswahl: Von der Fahrradwerkstatt, Schülerzeitung und dem Modelleisenbahnbau über Backen, Badminton und Einradfahren bis Segeln, Akrobatik, Imkern und – natürlich – die Musik! Und dann bekennt sich die Schule klar gegen Rassismus, was sie in vielen Projekten zum Ausdruck bringt: etwa in einer Projektwoche gegen Rechtsradikalismus (Motto: „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“) oder bei Exkursionen zu den Gedenkstätten von Konzentrationslagern. Darin hatten die Nazis bis 1945 viele Millionen Juden ermordet.

Ohnehin spielt das Engagement für andere eine große Rolle im Schulalltag. Die Oberstufenschüler etwa leisten soziale Stunden, manche übernehmen Aufgaben von Schulsanitätern oder Konfliktlotsen. Ältere Schülerpaten kümmern sich um die Fünftklässler, und dann ist da noch das Bekenntnis als UNICEF-Schule, ganz nach dem Vorbild und Namensgeber Peter Ustinov (1921-2004). Der war berühmt, nicht nur als Filmstar. Der große Menschenfreund setzte sich außerdem als UNICEF-Sonderbotschafter international für benachteiligte Kinder ein – mit Herz, Hand und Seele. Weil er Toleranz so wichtig fand, sagte er: „Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.“ Dafür engagieren sich die Schüler etwa bei „Laufen für UNICEF“ oder bei der UNICEF-Gala. Auch beim Weltkindertag bieten sie Besuchern Selbstgemachtes an, präsentieren Musik und Akrobatik, um möglichst viel Geld zu sammeln. Das spendet die Schule für ein Hilfsprojekt gegen Kinderarbeit in Burkina Faso. Ganz im Sinne von Ustinov also. Der hat als lebenskluger, witziger Denker einmal gesagt: „Bildung ist nicht auf die Schule begrenzt. Sie geht unerbittlich bis ans Lebensende.“

Der Pausenhof der Peter-Ustinov-Schule in Eckernförde.

Der Pausenhof der Peter-Ustinov-Schule in Eckernförde.

TEXT Joachim Welding
FOTOS Joachim Welding/Michael Baum