Jürgen Evers, Aus- und Fortbildungsleiter bei Covestro, erzählt uns, wie man auch ohne Abitur Ausbildungsleiter für ein namhaftes Chemieunternehmen werden kann.
Er hat schon bei Covestro gelernt und sich auch ohne Abitur in diesem Unternehmen Schritt für Schritt weiterentwickelt. Der dreifache Familienvater Jürgen Evers schaut sehr motiviert, entspannt und optimistisch auf die Entwicklung und Zukunft „seiner“ Auszubildenden. Vielleicht auch deshalb, weil er viel Wert auf eine gewisse Unaufgeregtheit legt und sich mehr Gedanken über den Menschen an sich als über die sogenannten Hard Skills macht.
Hier geht es zum Podcast:
Guten Morgen, Herr Evers, wann und wie kamen Sie zu Covestro?
Ich bin 35 Jahre im Unternehmen. In der 10. Klasse mit 15 habe ich mich beruflich orientieren müssen. Eine Berufsorientierung während der Schulzeit gab es in der Form wie heute nicht. Einmal habe ich einen Test bei der Agentur für Arbeit gemacht und erhielt den Berufsvorschlag ‚Landwirt’. Keine Ahnung warum, außerdem hat mich das ja nun gar nicht interessiert …
Woher kam dann der Tipp mit Covestro?
Nachdem ich mich bei vielen Stellen beworben hatte unter der Prämisse – Hauptsache einen Ausbildungsplatz finden – gab ein Schulfreund meines Bruders mir den Tipp, mich bei Covestro, damals noch zu Bayer gehörend, zu bewerben. Als ich dann zum Ausbildungsgespräch zum Chemiefacharbeiter kam, wusste ich überhaupt nicht, was ein Facharbeiter macht. Damals gab es noch ganztägige Bewerbungsrunden, und danach mussten wir zum Chefgespräch. Ich hatte großen Bammel, aber irgendwie war er von meinem sozialen Engagement bei der DLRG angetan. Ich war dort in der Kinder- und Jugendarbeit aktiv, und das fand er spannend. Es ging ihm offensichtlich mehr um meine Persönlichkeit.
Achten Sie deshalb heute selber bei der Einstellung sehr darauf?
Ja, diese Ansicht habe ich aufgrund eigener Erfahrung gewonnen. Mir geht es immer in erster Linie darum, ob die Bewerber ins Team und zum Unternehmen passen. Wir machen natürlich auch Tests und schauen dann, was sie so draufhaben, aber Noten allein sind nicht das Wichtigste. Es geht mir mehr darum herauszufinden, wofür sich die Bewerber begeistern können und wie viel Potential in jedem steckt.
Erinnern Sie sich noch an Ihre eigene Ausbildungszeit?
Damals waren wir 24 Azubis und haben das erste Jahr im Unternehmen unterschiedliche Stationen durchlaufen. Das war eine schöne und lustige Zeit. Dann ging es in die einzelnen Betriebe. Dort war es etwas anders, und man hatte mit den unterschiedlichsten Charakteren und vielfältigen betriebsinternen Strukturen zu tun. Es galt herauszufinden, wie jeder Einzelne tickt, wer wofür zuständig ist, wie das Team funktioniert und was überhaupt die eigenen Aufgaben waren. Es war auch nicht jeder Mitarbeiter gleich motiviert – für einen jungen Menschen nicht ganz einfach einzuordnen.
Was macht Covestro genau?
2015 ist Covestro aus der Bayer AG entstanden. Wir stellen Vorprodukte für Kunststoffe her: Hartschaum, Weichschaum und andere Produkte. Unsere Materialien finden sich beispielsweise im Armaturenbrett oder im Sitz eines Autos. Was Covestro ausmacht, ist die Innovationskraft des Unternehmens sowie die Maßgabe, sich an der Kreislaufwirtschaft auszurichten. Das bedeutet, alles, was wir produzieren, muss wieder in den Kreislauf zurückführbar sein. Wir arbeiten an der Dekarbonisierung für unseren Standort. Das heißt, wir wollen auf CO2 möglichst verzichten.
Wir setzen auf Nachhaltigkeit und das nicht erst seit ein paar Jahren, sondern schon seit mehr als 20 Jahren. In diesem Bereich forschen wir intensiv, mit guten Ergebnissen. Wir haben uns den UN-Zielen verschrieben und nehmen das sehr ernst.
Wie sind Sie vom Chemiefacharbeiter zum Ausbildungsleiter geworden?
Mein Traumberuf war eigentlich Erzieher. Dass sich meine Tätigkeit im Unternehmen so verändert hat, hat viel damit zu tun, dass ich zwar gerne als Chemiefacharbeiter tätig war, aber für mich immer die Menschen im Fokus standen. Erzieher bin ich damals nur nicht geworden, weil ich früh eine Familie gründen und Kinder bekommen wollte. Dafür musste ich finanziell abgesichert sein, deshalb habe ich mich schließlich für die Ausbildung bei Covestro entschieden.
Ich selbst bin in einem Mehrgenerationenhaushalt groß geworden und habe das sehr genossen. Früh war mir klar: Ich möchte arbeiten, um zu leben, und nicht leben, um zu arbeiten. Engagement im privaten Bereich bedeutete mir schon immer sehr viel und hat mir schließlich auch zu meinem beruflichen Erfolg verholfen. Mit meinem Engagement bei der DLRG im Landesjugendvorstand und bei der Jugendgruppenleiterausbildung habe ich bereits in jungen Jahren Seminare gegeben und Verantwortung für meine Mitmenschen übernommen und so den Grundstein für meine heutige Tätigkeit als Ausbildungsleiter gelegt.
Ein gutes Beispiel dafür, wie man sich im Unternehmen umorientieren und seine Berufung finden kann, wenn das Unternehmen offen für Veränderung ist. Was machen Sie genau als Ausbildungsleiter?
Ich leite die Aus- und Fortbildung am Standort Brunsbüttel. Das lebenslange Lernen hört nicht auf, und unsere 600 Mitarbeiter werden regelmäßig geschult, damit sie immer auf dem neuesten Stand bleiben. Speziell als Ausbildungsleiter kümmere ich mich in unserem eigenen Ausbildungszentrum, mit Labor, Werkstatt für Metall und anderen Einrichtungen, einfach darum, dass alles funktioniert und unsere Auszubildenden das nötige Fachwissen erwerben können. Auch anderen Firmen können wir daher die Möglichkeit bieten, uns ihre Azubis zu schicken. Wir sind ein Produktionsstandort mit Ausbildungszentrum und vier Ausbildungsbereichen. Danach geht es für die Azubis in die Fachwerkstätten, um das nötige Know-how zu vertiefen, sodass sie dann auch nahtlos ins Berufsleben starten können.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
(Lacht) Aufstehen, Arbeiten, Bett! Nein, natürlich nicht! Morgens gibt es mit den Kollegen eine Besprechung, bei der wir uns darüber austauschen, was ansteht. Daraus ergeben sich dann die unterschiedlichen Aufgaben. Aber ich nehme auch andere Aufgaben wahr. Heute zum Beispiel muss ich in den Berufsbildungsausschuss nach Husum, denn ich bin auch Arbeitgebervertreter bei der IHK, und wir beschäftigen uns zum Beispiel mit der Verbesserung und Anpassung im Sektor Ausbildung.
Wie viele neue Azubis starten dieses Jahr?
Dieses Jahr haben wir 13 Ausbildungsanfänger. Nächstes Jahr werden es 18 sein. Es kommt immer drauf an, wie viele ältere Mitarbeiter ausscheiden. Wir starten mit der Ausbildung in Grömitz, einem Jugenddorf der IG BCE. Das ist eine sozialpädagogische Auftaktveranstaltung, um sich besser kennenzulernen. Hierbei geht es um die Vermittlung der Werte des Unternehmens, und wir geben Tipps rund um die Ausbildung. Natürlich stehen aber auch Spaß, Sport und Freizeit auf dem Programm. Das schafft eine gute Basis und baut Ängste ab.
Was ist das Besondere an einer Ausbildung bei Covestro?
Unser Ausbildungszentrum mit hauptberuflichen Ausbildern hebt uns ganz klar von anderen ab – durch eine sehr gute Betreuungssituation und eine übersichtliche Struktur in der Ausbildung. Wir haben zum Beispiel ein Organisationstool, auf dem Ausbildungspläne und vieles mehr abgerufen werden können. Außerdem legen wir viel Wert auf gegenseitige Wertschätzung und gute Unternehmenskultur, getreu unserem Motto: Mutig. Neugierig. Vielfältig.
Die Verdienstmöglichkeiten und Vorteile wie Boni, Urlaubsgeld oder ein Laptop sind nur einige On-top-Leistungen von vielen. Grundsätzlich halte ich aber den Spaß an der Tätigkeit für sehr wichtig. Wenn man morgens mit einem Lächeln zur Arbeit kommt und abends mit einem Lächeln nach Hause geht, kann dazwischen nicht viel falsch gelaufen sein – und das ist mir persönlich das Wichtigste.
Welche Bewerbungstipps können Sie Interessenten vorab geben?
Ich rate dazu, sich vorher schon mal Gedanken zu machen, ob der Beruf etwas für einen sein könnte. Ein Bewerbungsgespräch ist ja keine einseitige Sache, und der Bewerber sollte gezielt Fragen stellen, neugierig sein, um am Ende entscheiden zu können, ob er zu uns und wir zu ihm passen.
Nach den vielen Jahren bei Covestro können Sie sich überhaupt noch vorstellen, etwas anderes zu machen?
Covestro hat mir als großes Unternehmen immer die Chance geboten, mich intern weiterzuentwickeln. Zwischen meiner Zeit als Azubi über den Schichtleiter bis zum Ausbildungsleiter liegen viele Stationen, die mir aber immer angetragen worden sind – und das alles ohne Abitur und Studium. Mein Job als Ausbildungsleiter ist sehr erfüllend, und aus dieser Tätigkeit beziehe ich zusätzlichen Antrieb, mich immer weiterzuentwickeln.
Du willst mehr über Covestro erfahren? Wir wollten von acht Schülerinnen und Schülern wissen, welche Erfahrungen sie beim Covestro Wirtschaftspraktikum gesammelt haben und wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstellen.
TEXT Anja Nacken, Sophie Blady
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