Das BBZ-Dithmarschen ist für die Zukunft gerüstet
Monika Raguse hat im Februar 2019 das Amt der Schulleitung des BBZ-Dithmarschen übernommen. Gut ein Jahr später hat der Lockdown den Schulbetrieb mit über 3800 Schülerinnen und Schülern und 200 Lehrkräften auf den Kopf gestellt. Wir sprachen mit ihr über besondere Herausforderungen in einer besonderen Zeit.
Frau Raguse, um es vorsichtig auszudrücken: Langweilig war Ihr Beruf in den letzten Jahren nicht, oder?
Das stimmt. Wir haben eine, auch für Schulen, noch nie dagewesene Zeit erlebt. Im Rückblick spricht man gerne über den Anschub bei der Digitalisierung, die ich sehr begrüße. Aber es gab natürlich auch eine menschliche Dimension: Alle Lehrkräfte waren stark belastet, und es gab auch Ängste und Unsicherheiten, darüber hinaus mussten unzählige organisatorische Aufgaben bewältigt werden. Das war schon eine ganz besondere Zeit, die die Schule als lebendigen sozialen Lebensort in seinen Grundfesten erschüttert hat. Jetzt entsteht langsam wieder eine Alltagssituation, die wir vor der Coronapandemie als normal erlebt haben.
Der 2021 realisierte Neubau in Heide ist auch so etwas wie ein Zeichen für den Aufbruch. Wir können in der Schule wieder zusammenkommen, können Schulgemeinschaft wieder leben.
Welche Rolle spielt der Neubau des BBZ-Dithmarschen am Standort Heide in dieser Entwicklung?
Der 2021 realisierte Neubau in Heide ist auch so etwas wie ein Zeichen für den Aufbruch. Wir können in der Schule wieder zusammenkommen, können Schulgemeinschaft wieder leben. Darüber freuen wir uns natürlich sehr. Nichtsdestotrotz müssen wir schauen, dass die Schülerinnen und Schüler, die während der Pandemie lange Zeit keinen Präsenzunterricht hatten, nun auch ihre Abschlüsse erreichen. Wir haben bis heute mit den Auswirkungen zu kämpfen, das betrifft zum Beispiel Lernrückstände, mangelnde Orientierung und fehlende Begleitung.
Wie konnte während der Pandemie der Schulbetrieb aufrechterhalten werden?
Wir haben das Glück, ein regionales Bildungszentrum zu sein und damit eine gewisse Autonomie zu genießen. Wir sind als berufsbildende Schulen grundsätzlich besser mit technischen Geräten für den Unterricht ausgestattet und besaßen schon immer eine eigene EDV-Abteilung, die sich um unsere Ausstattung und Infrastruktur kümmert. Hinzu kommt eine enge Bindung zur lokalen Wirtschaft. Insofern hatten wir bereits früh eine vernünftige Ausstattungssituation. Dennoch gab es auch bei uns natürlich einige Herausforderungen, die wir bewältigen mussten: Zum Beispiel musste jede Lehrkraft mit den Schülerinnen und Schülern auf Distanz kommunizieren können. Dafür wurden aus dem Bestand des Hauses Lehrkräfte mit Endgeräten ausgestattet, die videokonferenzfähig sind. Zum Glück nutzten wir auch vor der Pandemie bereits eine Lernplattform, um Material einzustellen. Diese waren nun hilfreich, um auch online den persönlichen Kontakt sicherzustellen. Das war zu Anfang etwas schwierig, da je nach Fachgebiet einige Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler keine vernünftige, stabile Internetverbindung besaßen; zu diesem Zweck haben wir dann Räume in der Schule zur Verfügung gestellt. Die Lehrkräfte wurden zusätzlich schnell geschult, um die neuen technischen und methodischen Möglichkeiten auch pädagogisch sinnvoll einzusetzen. Ein Medienteam aus Kolleginnen und Kollegen konnten wir als Multiplikatoren nutzen. Sie haben Anleitungen und Lehrvideos erstellt, was wirklich gut funktioniert hat, auch weil wir uns schon vor der Pandemie mit dem Thema Digitalisierung im Unterricht beschäftigt haben. So konnten wir recht schnell entsprechend der Stundenpläne mit Videokonferenzen und unserer Lernplattform einen verlässlichen Unterricht anbieten.
Was waren die größten Schwierigkeiten?
Die Schwierigkeiten waren, dass wir alle gemeinsam in diese Situation unvermittelt hineingeraten sind und es sowohl an Methodenkompetenz bei Lehrerinnen und Lehrern als auch an Selbstkompetenz bei Schülerinnen und Schülern gefehlt hat. Es war für alle ein Problem, diese andere, neue Form von Unterrichtsangeboten zu nutzen und auch ernstzunehmen. An dieser Herausforderung werden wir zukünftig verstärkt arbeiten: Welche Kompetenzen sind für einen digitalen Unterricht erforderlich?
Eigenverantwortlichkeit muss also gefördert werden?
Genau darin sehe ich unsere Aufgabe, wenn man über die künftige Nutzung eines digitalen Unterrichts spricht. Es braucht vernünftige Konzepte, die auch über einen längeren Zeitraum greifen. Wir haben ausführlich evaluiert, wie der Distanzunterricht funktioniert hat und wo nachgebessert werden sollte. Gleichzeitig müssen wir festlegen, was wir noch an Hardware für einen zukunftsorientierten Unterricht brauchen. Es ist wichtig, die Erfahrungen aus der Pandemie präsent zu halten und auf ihnen aufbauen.
Welche Ausbildungsmöglichkeiten haben Schülerinnen und Schüler heute an den Standorten Meldorf und Heide?
Es gibt eine klare Profilbildung der beiden Standorte Meldorf und Heide. In Meldorf ist es der technisch-gewerbliche Bereich. Dort sind die Ausbildungsberufe aus dem Handwerk, aus der Gastronomie und der Landwirtschaft beheimatet. Den Bereich Ausbildungsvorbereitung schulen wir ebenfalls in Meldorf. Hier unterrichten wir Schülerinnen und Schüler, die noch über keine Berufswahlreife verfügen oder noch nicht beruflich orientiert sind. Am Standort gibt es Werkstätten, ein Restaurant mit Küche, alles Einrichtungen, die helfen, eine berufliche Orientierung zu erlangen. Zudem bieten wir mit der Fachschule Technik eine zukunftsgerichtete Weiterbildungsmöglichkeit an. In Heide bilden wir für Berufe im Bereich Dienstleistung, Wirtschaft, Verwaltung und Gesundheit aus. Auch die Fachschule für Sozialpädagogik befindet sich in Heide, ebenso unsere Vollzeitschulen, zum Beispiel die Berufsfachschulen, in denen Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, die einen MSA anstreben. Wer die Fachoberschule besucht, kann die Fachhochschulreife erlangen, und unser Berufliches Gymnasium führt Schülerinnen und Schüler zum Abitur.
Wie sieht es mit neuen Ausbildungsbereichen in der Zukunft aus?
Wir konnten uns in einzelnen Bereichen verstärken. Zum Beispiel bieten wir eine Ausbildung über drei Jahre zum Sozialpädagogischen Assitenten (m/w/d) an mit der Zugangsberechtigung des Ersten allgemeinbildenden Schulabschlusses. Bislang war der Zugang nur mit dem Mittleren Schulabschluss möglich. Wir sind sehr gespannt, wie wir mit den Lernenden gemeinsam das Ziel erarbeiten können.
Wie sind die beruflichen Aussichten in diesem Bereich?
Mit diesem Abschluss ist es möglich, direkt weiter zur Fachschule für Sozialpädagogik zu gehen, mit dem Ziel, Erzieherin oder Erzieher zu werden. Außerdem kann man als sozialpädagogische Assistentin oder Assistent in Kindergärten arbeiten. Als Erzieherin oder Erzieher ist das Einsatzfeld sehr breit und geht von Jugendeinrichtungen und der Jugendhilfe bis hin zu Grundschulen und Kindergärten. Bei den Erzieherinnen und Erziehern bilden wir gerade einen Schwerpunkt mit der tiergestützten Pädagogik am BBZ heraus. Das sind Ausbildungen, die neue Wege beschreiten – wir haben zum Beispiel einen Schulhund, der die Ausbildung begleitet, oder wir behandeln das Thema therapeutisches Reiten im Unterricht. In diesem Bereich bewegen wir uns in der Profilbildung ständig weiter. Die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ist erheblich, und wir versuchen möglichst viele Fachkräfte auszubilden – natürlich gemäß unserer Kapazitäten.
Wie unterstützen Sie außerhalb der Schule die Berufsorientierung?
Wir legen Wert auf ein gutes Matching zwischen den Unternehmern und den Auszubildenden. Das unterstützen wir zum Beispiel mit unserer Ausbildungsmesse getBIZzy, auf der wir versuchen, Bewerberinnen und Bewerber mit den Betrieben der Region in Kontakt zu bringen. Gefördert wird die Messe von der Bundesagentur für Arbeit, von den BO-Koordinatoren der Schulen, der Kreisfachberatung und der Kreishandwerkerschaft sowie der IHK. Wir rechnen in diesem Jahr mit einer ansteigenden Zahl von Ausstellern und interessierten Schülerinnen und Schülern.
Welche Herausforderungen sehen Sie in der Zukunft für das BZZ-Dithmarschen?
Das größte Problem ist wohl, qualifizierte und engagierte Lehrkräfte für alle Fachbereiche zu gewinnen. Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen: Wir sind eine Landesberufsschule, die für den Ausbildungsberuf der Keramikerin und des Keramikers im gesamten norddeutschen Raum zuständig ist. Leider gibt es nur noch eine einzige Lehrkraft, die allerdings bereits in Pension ist, uns aber als Seniorexpertin weiterhin unterstützt. Wenn wir nicht zeitnah eine qualifizierte Person finden, werden wir den Berufsschulunterricht am BBZ Dithmarschen für diesen Bereich schließen müssen, was sehr schade wäre. Vielleicht hilft dieses Interview ja dabei, dass sich neue, begeisterte und begeisternde Lehrkräfte bei uns bewerben – wir suchen sie ständig.
TEXT Anja Nacken
FOTO Moritz Wellmann, BBZ-Dithmarschen, privat