Sergej auf seinem Weg in den Beruf
Wie Sergej Freidenberger zu seiner Ausbildung zum Technischen Produktdesigner gefunden hat? Die Geschichte beginnt Mitte der 1990er Jahre rund 5000 Kilometer östlich von Kiel. Genauer gesagt in Kasachstan in Zentralasien. Dort nämlich ist der heute 29-Jährige geboren und nur wenige Jahre nach dem Zerfall der Sowjetrepublik im noch jungen Staat Kasachstan eingeschult worden. Dort hat Sergej die erste und zweite Klasse besucht. „Als meine Familie beschloss, nach Deutschland zu ziehen, konnte ich genau zwei deutsche Wörter: „Hallo” und „Tschüss“.“
Ich konnte vieles – nur (noch) kein Deutsch!
Sergejs Bildungsweg in Deutschland begann dann im Jahr 2002 in Eckernförde. Hier wurde er in die Albert-Schweitzer Grund- und Hauptschule eingeschult. Nach dem Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss (ESA) führte Sergejs nächste Station ans Berufsbildungszentrum Eckernförde (BBZ). Dort hat er seine Mittlere Reife gemacht und später auch noch die Fachhochschulreife. Das war 2014. „Um das Abitur nachzuholen, musste ich die Schule erneut wechseln und bin täglich von Eckernförde zum BBZ nach Rendsburg gependelt. Das Abi hatte ich dann 2015 in der Tasche.“
Odyssee auf dem Weg zu einer guten Ausbildung
Nach insgesamt fast 15 Jahren Schulzeit musste Sergej erstmal raus und etwas anderes tun, um sich zu orientieren. Sein Freiwilliges Soziales Jahr hat er in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung absolviert. Nach diesem Gap Year hat Sergej dann seine erste Ausbildungsstelle als Informatiker für Anwendungsentwicklung angetreten. Damit war allerdings schon nach drei Monaten wieder Schluss. „Das hat wohl für beide Seiten nicht gepasst“, berichtet der junge Mann achselzuckend.
In den folgenden zwei Jahren habe er sich dann sehr ernsthaft um eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich bemüht: „Ich habe gejobbt. Und sehr, sehr viele Bewerbungen geschrieben. Ich hatte ja mein Abi im Fachbereich Wirtschaft abgelegt. Mathe habe ich immer gemocht. Sogar Rechnungswesen fand ich toll!“
Trotzdem habe er viele Absagen bekommen. Die wenigsten mit einem begründeten Feedback. Für die einen sei er vielleicht schon zu alt gewesen. „Vielleicht hat auch die Drei vorm Komma auf meinem Abiturzeugnis eine Rolle gespielt. Aber letztlich weiß ich es nicht genau“, sagt Sergej. Das war sicher frustrierend, niemals ehrliche Antworten auf die berechtigte Frage zu bekommen, warum man abgelehnt wird, oder? Sergej nimmt es heute gelassen: „Was soll man machen?“
Bewährungsprobe – in Zeiten der Pandemie
Sagen wir es mal so: Wenn es jemandem gelingen konnte, auf diesem langen Weg so viel wegzustecken und trotzdem nicht den Mut zu verlieren, dann muss das wohl ein Mensch sein, der auch noch größere Hürden zu nehmen in der Lage ist.
„Die zwei Jahre bis zum nächsten Ausbildungsbeginn habe ich dann mit Jobben überbrückt. Das waren nicht immer nur positive Erfahrungen. Schließlich habe ich bei einem Holzbaubetrieb in Sörup einen Ausbildungsplatz zum Industriekaufmann gefunden. Leider ist dieses Unternehmen – am Ende meines zweiten Lehrjahres – in die Insolvenz gegangen, so dass ich den nächsten Umweg einschlagen musste.“
Das Schicksal wendet sich
„Was dann geschah, kann ich eigentlich nur als glücklichen Zufall beschreiben.“, erzählt Sergej seine Geschichte weiter. „Dank des Hinweises meines ehemaligen Klassenlehrers habe ich mich an die IHK zu Kiel gewendet und die haben mir – mitten im Lockdown 2020 – ein digitales Vorstellungsgespräch bei EDUR vermittelt. War schon komisch, im Anzug zu Hause zu sitzen und mich via Zoom zu präsentieren. Aber es hat gut geklappt. Das persönliche Kennenlernen haben wir nachgeholt – als es eben wieder möglich war.“
EDUR ist ein schleswig-holsteinisches, weltweit agierendes Traditionsunternehmen, das Kreiselpumpen für unterschiedliche industrielle Anwendungen entwickelt, produziert und vertreibt.
Apropos möglich: „Mein neuer Ausbildungsbetrieb EDUR hat für mich von Anfang an so vieles möglich gemacht! Ganz anders, als die Erfahrungen, die ich bis dahin gemacht hatte. Beispielsweise haben die sich sehr dafür eingesetzt, dass ich genau an dem Ausbildungsstand anknüpfen konnte, an dem ich schon gestanden hatte – und nicht noch einmal ganz von vorne beginnen musste. Ich musste nämlich die Berufsschule wechseln – in Kiel ist ja die IHK zu Kiel zuständig und nicht Flensburg. Dann haben die bei EDUR es mir ermöglicht, dass ich in nur einem Jahr alle Abteilungen durchlaufen konnte. Das habe ich so gut hinbekommen, dass ich im Sommer 2021 als Bester meines Jahrgangs von der IHK zu Kiel ausgezeichnet worden bin.“
Die Belohnung
Was dann geschah? „Ich wollte unbedingt bei EDUR bleiben. Weil aber unmittelbar nach meiner Ausbildung im kaufmännischen Bereich keine Stelle frei war, hat man mir zunächst einen auf sechs Monate befristeten Vertrag in der Technik angeboten.“
Dann kam die nächste Überraschung, diesmal aber eine positive: „Nach nur drei Monaten bekam ich ein Angebot. Da EDUR mich offenbar unbedingt im Technischen Bereich halten wollte, haben sie mir vorgeschlagen, eine weitere Berufsausbildung hintendran zu hängen. Sozusagen extra für mich hat EDUR den Ausbildungsbereich „Technischer Zeichner“ wieder aufleben lassen. Heute nennt sich das „Technischer Produktdesigner“.
Damit ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende, denn Sergej wird, so wie er sich das gewünscht hat, bei EDUR bleiben. Man hat ihm eine unbefristete Stelle in der Abteilung „Qualitätssicherung“ angeboten. Da kommt die Kombination aus der kaufmännischen und der technischen Ausbildung am besten zur Anwendung, denn: „Mit dieser Doppelqualifikation bin ich plötzlich ein gefragter Experte!“.
Mehr dazu: Im Gespräch mit Thomas Naß, Geschäftsführer der EDUR-Pumpenfabrik
Mehr Infos zu EDUR und den Berufsbildern Industriekaufmann (m/w/d), Industriemechaniker (m/w/d), Technischer Produktdesigner (m/w/d) und Zerspanungsmechaniker (m/w/d) findest du auf digibo.school.
TEXT Natascha Pösel
FOTO EDUR, Apo Genç