Matthias Küntzel, geboren 1955 in Osnabrück, ist promovierter Politikwissenschaftler und war lange Zeit als Berufsschullehrer in Hamburg tätig. Seit dreißig Jahren forscht er zu Fragen des Antisemitismus und des Nahostkonflikts. Für seine Publikationen wurde Küntzel wiederholt ausgezeichnet, zuletzt 2022 mit dem Theodor-Lessing-Preis. Am 1. Dezember trafen wir ihn zu einem Interview. Uns interessiert, was er als ausgewiesener Experte – insbesondere im Hinblick auf die Hamas – Schülerinnen und Schülern als Grundlagenwissen empfiehlt, um den aktuellen Nahost-Krieg besser zu verstehen – eine Patentlösung hat auch er nicht. Aber sein Wissen zur Geschichte des Konflikts teilt er gerne und derzeit immer öfter bei Vorträgen und Veranstaltungen. Gerade ist er auf dem Sprung zu Veranstaltungen in Berlin. Kein einfaches Pflaster für Dialoge derzeit. „Aber es hilft ja nichts, man muss reden und sich informieren“, sagt er.
Und da ist es wichtig, […] den Schülern klarzumachen, dass es auch im palästinensischen Lager immer verschiedene Meinungen gab.
Was würden Sie jetzt einer Lehrkraft empfehlen, wenn sie feststellt, das Thema Nahost wird unter den Schülern hitzig bis handgreiflich diskutiert? Wie geht man da am besten pädagogisch vor?
Am besten mit den Dokumenten. Die ganze Stimmung ist ja so richtig manipulativ, von verschiedenen Richtungen aus. Man muss sich auf Grundlagen-Dokumente besinnen. Und da ist es wichtig, vor allen Dingen den Schülern klarzumachen, dass es auch im palästinensischen Lager immer verschiedene Meinungen gab. Bei Palästinensern wird immer so getan, als seien sie ein einziger Block, der in eine einzige Richtung schießt, nämlich gegen Israel. Und man vergisst dabei, dass es immer wieder Versuche gab, die auch von moderaten Palästinensern unterstützt worden sind, eine Zwei-Staaten-Lösung herbeizuführen. Deswegen kann ich nur sehr empfehlen, die Geschichte der zwei Staaten-Lösungen zu behandeln.
Wann haben Sie eigentlich angefangen, sich mit dem islamischen Antisemitismus zu befassen? Gab es einen Auslöser?
Ich befasse mich seit 30 Jahren mit Antisemitismus. Die Terroranschläge vom 11. September 2001 waren für mich der Grund, zwei Dinge zu machen. Erstens, mich mit dem islamischen Antisemitismus zu beschäftigen. Und zweitens, den Nahostkonflikt richtig aufzuarbeiten.
Das war eine Zeitenwende, würden Sie das so sagen?
Leider nicht. Weil der Islamismus ja nicht wirklich bekämpft worden ist. Es wurde unter ‚Terror’ subsumiert. Aber Terror ist ja nur eine Methode. Wichtiger ist, was inhaltlich vertreten wird und erkämpft werden soll. Und darüber wurde zu wenig diskutiert. Der Islamismus stand nicht im Zentrum. Im Gegenteil, man hat gescheut, dieses Wort auszusprechen. Und deswegen war es keine Zeitwende in meinen Augen.
Wo sehen Sie die Wurzeln des derzeitigen Islamismus sowie der Hamas?
In der Muslimbruderschaft. Die wurde 1928 gegründet und hatte von vornherein ein Programm, das zurück zum ursprünglichen Islam wollte. Ablehnung der Moderne, Ablehnung der Frauenrechte, Ablehnung der Selbstbestimmung des Menschen. Stattdessen sollte man sich den Gesetzen des Korans, den Gesetzen Allahs unterwerfen.
Die Nazis hatten in der Tat versucht, ihren Rassismus in der arabischen Welt zu verbreiten.
War die Muslimbruderschaft bei ihrer Gründung schon antisemitisch?
Sie war zuerst antibritisch, eine ägyptische Bewegung gegen die britische Besatzung. Aber dann begann 1936 der sogenannte arabische Aufstand. Da haben die Muslimbrüder ihre Mitgliederanzahl von 800 auf 200.000 erhöhen können, aufgrund antijüdischer Kampagnen. Sie konnten auf ein Fundament von Ressentiments gegenüber Juden zurückgreifen, das bereits im frühen Islam gelebt worden ist. Der Koran ist in vielen Versen judenfeindlich. Es gibt auch Verse, die judenfreundlich sind, aber es dominieren die judenfeindlichen Verse, und darauf konnte sich die Muslimbruderschaft zurückziehen. Und es gab ab dem Jahre 1938 enge Verbindungen zu deutschen Nazi-Agenten, die sich um die Muslimbruderschaft sehr bemüht hatten. Sie sollten den typischen christlichen Antijudaismus, der sich dann gesteigert hat zum Antisemitismus, den Muslimbrüdern nahebringen. Es gab gemeinsame Schulungsabende über die sogenannte Judenfrage. Es gab Palästina-Versammlungen, und die Nazis gaben ihnen eine ganze Menge Geld, mehr als jede andere antibritische Gruppe in Ägypten von den Nazis bekamen.
Wie weit waren die Ideologien deckungsgleich, die nationalsozialistische Ideologie und die der Muslimbruderschaft?
In verschiedenen Fragen überhaupt nicht deckungsgleich. Die Muslimbruderschaft war eine religiöse Bewegung. Und ihr Anführer Hassan Al Banna hätte niemals Hitler als ein Führer anerkannt. Er war für sie ein Ungläubiger.
Das heißt, die Nationalsozialisten hatten vor, diese Bewegung zu instrumentalisieren?
Instrumentalisieren klingt, als hätten die Muslimbrüder wenig zu sagen gehabt. Sie waren extrem selbstbewusst. Sie suchten ihre Partner auch selbst aus. Instrumentalisieren ist da nicht das richtige Wort. Kooperieren.
Die Nationalsozialisten definierten sich als Herrenrasse. Ihr Antisemitismus war vorwiegend rassistisch.
Ja, das ist ein interessanter Punkt. Die Nazis hatten in der Tat versucht, ihren Rassismus in der arabischen Welt zu verbreiten. Und was geschah? Sie sind damit gescheitert. Auch weil es in den Ursprüngen des Islam keinen Rassismus gegeben hat. Also musste man sich etwas einfallen lassen, wie man den Antisemitismus in diesem Teil der Welt verkaufen kann. Und die Eintrittstür, die man dann gefunden hat, war die Religion. Ausgerechnet die Nazis verkleideten sich als Muslime, um den Muslimen mitzuteilen. ‚Hört mal zu, Mohamed hatte Juden aus Medina vertrieben, Hitler vertreibt die Juden aus Deutschland. Also sind wir eigentlich die Nachfolger von Mohamed’. Diese religiöse Wende ist ganz verblüffend. Ausgerechnet die Nazis! Dann haben sie über ein arabischsprachiges Radio versucht, die Masse der Araber zu erreichen. Es gab viele verschiedene Auslandssender während des Zweiten Weltkriegs, in ungefähr 20 Sprachen. Aber die wichtigste Redaktion war die sogenannte Orient-Redaktion. Die saß in Zeesen bei Berlin und hat die Texte ausgearbeitet. Das waren immerhin 80 Personen. Die haben auf Arabisch, Persisch, Türkisch und auf Hindi gesendet. Über die arabische Redaktion wissen wir genau Bescheid, weil die Manuskripte überliefert sind.
Gibt es da eine Rezeptionsgeschichte im arabischen Raum? Weiß man tatsächlich, dass die Sendungen einen Effekt hatten?
Man kann natürlich die Effekte nicht nachträglich rekonstruieren. Und es gab keine Meinungsumfragen. Ich kann nur über Vergleiche eine Schlussfolgerung ziehen. Der Vergleich ist das Jahr 1937 und die Argumentation gegen den ersten Palästina-Teilungsplan von arabischer Seite, verglichen mit der Argumentation 1947 gegen den zweiten Teilungsplan. Dazwischen lagen Jahre Radiopropaganda. Da kann man erkennen, dass 1937 eigentlich nur zwei Gruppen antisemitisch argumentierten, die Muslimbrüder und der Mufti von Jerusalem. Während im Jahre 1947 auch die sogenannten moderaten Führer der arabischen Welt plötzlich sagten, die Juden haben den Ersten und Zweiten Weltkrieg zu verantworten, und damit diese antisemitischen Standards setzten. Und über diese Vergleiche komme ich zu meiner Schlussfolgerung, dass das Nazi-Radio ein wichtiger Einschnitt in der Geschichte des Nahen Ostens war.
War das die Grundlage, die Saat sozusagen, von der die Hamas heute noch profitiert?
Das würde ich so sehen, ja. Man kann die Geschichte des Nahen Ostens in ein Vorher und in ein Nachher einteilen. Vorher, das war die Zeit vor der Goebbels’schen Propaganda in der arabischen Welt. Und das ging bis April 1945. Sechs ganze Jahre lang kam jeden Abend der Sender aus Berlin und er hatte gewisse Vorteile gehabt. Erstens war er am besten zu hören, weil man wegen der Olympischen Spiele 1936 alle Anlagen modernisiert hatte. Zweitens hatte der Sender hervorragende Redner, die auch in der arabischen Welt sehr bekannt und sehr beliebt waren. Drittens gab es diesen volkstümlichen Antisemitismus, der verbreitet worden ist, also wo man sich dann auf die Schenkel klopfen konnte und sich belustig fühlte. Der vierte Punkt war die Religion.
Wie entstand aus dieser Gemengelage die Hamas?
Die Hamas entstand zuerst als eine Sozialbewegung. Der Vorläufer der Hamas war eine Organisation, die sich um die sozialen Belange der Menschen im Gaza-Streifen und im Westjordanland kümmerte. Es wurden Spielplätze gebaut, es wurden Sportplätze gebaut, es wurde eine Eheberatung installiert. Das Problem war, dass man diese Eheberatung nur nutzen konnte, wenn man in die gleiche Moschee ging wie die Hamas-Leute. Wenn man sich also gleichzeitig einer gewissen Indoktrination unterwarf.
Leider wurde die Charta im Westen kaum wahrgenommen.
Welcher Prozess radikalisierte und militarisierte die Hamas derartig?
Der Prozess brauchte keinen langen Vorlauf. Das war bereits 1988, also direkt nach der Gründung der Hamas, als sie ihre Charta schrieb, die bis heute gültig ist. Und in dieser Charta steht alles drin: Dass es keinen Frieden mit Israel geben darf. Nur den Djihad, den heiligen Krieg gegen Israel. Dass man den Tod suchen soll im Geiste Allahs. Dass man gegen Juden kämpfen muss, wenn man ein gläubiger Moslem sein will. Leider wurde die Charta im Westen kaum wahrgenommen. Hier in Deutschland war ich, glaube ich, der erste, der diese Passagen ins Deutsche übersetzt hat.
Und in Israel?
Ja, in Israel wurde das auch nicht wahrgenommen. In Israel ist der Stand der Antisemitismus-Forschung erbärmlich. Was man zum Teil damit erklären kann, dass man nach Israel ging, um den Antisemitismus abzuschütteln, und sich nicht gerne damit beschäftigte, wie in der eigenen Nachbarschaft Antisemitismus wieder neu entsteht.
Man wollte diese religiöse Aggressivität gar nicht zur Kenntnis nehmen?
Es gab Zeiten, in denen hat man sogar die Hamas ein bisschen protegierte als Konkurrenz zur PLO. Man sah in der PLO den Hauptfeind, und es schien dann ganz passend, dass die Hamas der PLO Konkurrenz macht.
Und man muss natürlich wissen, wie der Zionismus entstanden ist.
Wenn man das über den religiösen Fundamentalismus auf der arabischen Seite wissen muss, was muss man über Religion und religiösen Fundamentalismus auf der israelischen Seite wissen?
Dass es natürlich da auch Fundamentalisten gibt. Seit November letzten Jahres hat diese Minderheit Macht bekommen, indem sie Kabinettsposten bekam, was ich selber furchtbar finde. Aber das war im Vergleich zu der Dominanz des religiösen Fundamentalismus in den Palästinenser-Gebieten eine kleine Gruppe. Und man muss natürlich wissen, wie der Zionismus entstanden ist: als Antwort auf den Antisemitismus in Europa. Als der Zionismus aufkam, dachten die meisten Juden überhaupt nicht daran, aus Europa wegzugehen. In diese Wüstengegend, in die Negev-Wüste. Und Hebräisch zu lernen. Der entscheidende Anstoß für die Gründung Israels war letztendlich der Holocaust. Deswegen hatte man über einen langen Prozess, der sich über Monate hinzog, in den Vereinten Nationen die Position gefunden, dass nach den Erfahrungen des Holocaust Juden das Recht auf Selbstbestimmung zustehe. Sie sollten als freie Juden existieren können und nicht als Juden, die abhängig sind von dem Willen anderer nichtjüdischer Menschen.
In der Nahost-Debatte gibt es ja immer ein ‚Ja, aber‘. Also wenn es heißt, es gibt islamischen Terrorismus, heißt immer: Ja, aber es gibt auch radikale Siedler, es gibt Gewalt im Westjordanland. Würden Sie sagen, das sollte man so nicht gegenüberstellen?
Nein, auf keinen Fall. Terroristen auf der einen Seite und Siedler auf der anderen Seite, ja, es gibt beides. Aber in welchem Verhältnis steht das? In dem einen Fall ist es die Regierung eines kleinen Landes wie dem Gaza-Streifen, die diesen Terrorismus vorantreibt und auch Kinder in diesem Sinne erzieht. Im anderen Fall ist es eine Minderheit in einem Land, die dort auch selbst kritisiert wird. Die Siedler werden in Israel massiv kritisiert, und man muss wieder differenzieren.
Aber es gibt dennoch einen bestimmten Punkt der Kontinuität.
Wenn ich jetzt über Sie lese, lese ich auch den Vorwurf, Sie würden die Hamas auf die Nazis reduzieren, dass die die neuen Nazis seien.
Habe ich da irgendein Wort in dieser Richtung laut werden lassen? Ich glaube nicht. Also das ist absurd. Ich bin völlig dagegen, dass man die Massaker vom 7. Oktober mit dem Holocaust vergleicht. Ich bin auch dagegen, dass man die Hamas als die neuen Nazis bezeichnet. Aber es gibt dennoch einen bestimmten Punkt der Kontinuität, nämlich im Antisemitismus und der Art des Antisemitismus. Und da besteht eine Verbindungslinie. Man kann einfach nicht leugnen, dass die Hamas in ihrer Charta die gleichen antisemitischen Vorwürfe vorbringt, wie sie Hitler in ‚Mein Kampf‘ vorgebracht hat. In beiden Fällen werden die ‚Protokolle der Weisen von Zion‘ zitiert. In beiden Fällen wird behauptet, die Juden hätten den Ersten und Zweiten Weltkrieg initiiert. Also diese Art von Argumentation, die dann letztendlich zu einem Antisemitismus geführt hat, der in beiden Fällen als Erlösungs-Antisemitismus begriffen werden muss. Und das bedeutet, dass man eine Utopie hat. Man träumt von dem ewigen deutschen Frieden, der nur dann erreichbar ist, wenn vorher die Juden ausgelöscht werden, weil die Juden all dem im Wege stehen. Daran haben die Nazis geglaubt und so haben sie argumentiert und so haben sie gehandelt. Und bei den Islamisten ist das ähnlich. Sie glauben an den ewigen islamischen Frieden, wenn nicht die Juden da im Wege stünden, die man deswegen beseitigen muss, damit sich der Islam überhaupt erst entfalten kann. Es ist in beiden Fällen ein Erlösungsgedanke, Erlösung durch Vernichtung. Und das ist etwas, wo man eine Parallele sehen kann, wo es eine Schnittmenge gibt. Aber ansonsten sind das völlig verschiedene Bewegungen, die Nazi-Bewegung und die Bewegung der Hamas.
Wäre das etwas, was man in kompakter Form auch Schülern beibringen sollte?
Das Entscheidende ist das Differenzieren, dass man nicht die arabische Straße verwechselt mit den arabischen Herrschern. Dass man nicht die Moderaten unterpflügt nach dem Motto, alle sind gleich. Man muss differenzieren.
Was würden Sie sagen, an welchem Punkt steht der Friedensprozess?
Im Moment ist er ganz gescheitert. Noch sind wir im Krieg. Das ist ein echter Krieg, und Israel steht mit dem Rücken an der Wand. Das ist für Israel ein Riesenschock gewesen. Die Hamas hat einen Riesenstein in den See geworfen, der viele Wellen auslöst. Wellen der Verunsicherung, die sehr tief gehen, weil man nie geglaubt hätte, dass Menschen, die sich wie die Einsatzgruppen der Nationalsozialisten benehmen, das Territorium Israels betreten, die Grenzen durchbrechen und dann 1200 Menschen brutal töten.
Rechtfertigt das in Ihren Augen die doch sehr starken militärischen Gegenreaktionen Israels?
Das ist dieser typische Zähl-Apparat. Derjenige, der die meisten Opfer hat, muss unschuldig sein. In Israel ist es so, dass das Leben eines Menschen viel zählt. Deswegen wird der ‚Iron Dome‘ für viel Geld angeschafft, deswegen werden überall Schutzbunker gebaut. Und bei der Hamas? Da ist es umgekehrt. Die Hamas versteckt sich hinter Menschen. Man will nicht mit den Waffen die Menschen schützen, man will mit den Menschen die Waffen schützen.
Rechtfertigt es trotzdem diese Menschen direkt anzugreifen?
Was schlagen Sie den Israelis vor? Die Hamas prahlt im Moment damit, dass das nur eine Probe gewesen sei, dass die richtige Aufführung noch komme. Also was soll man da noch sagen, außer dass so etwas verhindert werden muss?
Da kommt dann der Begriff des ‚luftleeren Raumes‘ ins Spiel. Weil man fragen kann, was sollen die Palästinenser tun, die in Gaza kaum Bewegungsfreiheit haben, kaum Entwicklungsmöglichkeiten besitzen und keine Möglichkeit der Teilhabe an dem, was sie jeden Tag in den sozialen Medien sehen.
Dann müssten sie ihre Hamas-Regierung stürzen.
Die Hamas sollte einfach sagen, wir schließen Frieden, dann wäre der Krieg beendet.
Und das kann sie aufgrund ihrer eigenen Charta nicht?
Wie es für Hitler nicht denkbar war, dass er aufgibt. So ist auch die Hamas daran gebunden, was sie sich ideologisch vorgenommen hat. Das ist tragisch. Die Zahl der Opfer auf der arabischen Seite in Palästina ist hoch. Und das ist zu bedauern, fordert Empathie. Aber es ist eine Folge der Kriegserklärung der Hamas. Ohne diesen Angriff vom 7. Oktober würde es heute keinen Krieg geben. Man war auf einem Wege zu Übereinkommen, zum Beispiel zwischen Israel und Saudi-Arabien. Das hätte bei der Normalisierung der Beziehungen Israels zur arabischen Welt eine große Rolle spielen können. Die Hamas hat explizit erklärt, dass es ihr darum ging, diesen Prozess zu stoppen. Von daher stehen die Israelis mit dem Rücken zur Wand und müssen sich gegen diese Kraft, die den Tod will und nicht das Leben will, wehren.
Wo sehen Sie eine Grenze zum Antisemitismus, wenn man das Vorgehen Israels kritisiert? Ist das zulässig? Darf man das auf Schulhöfen, kann man das im Unterricht, in Gesprächen?
Also Antisemitismus fängt da an, wo man das Existenzrecht Israels bestreitet. Und ich würde von einem Schüler verlangen, dass er sich von den Massakern distanziert. Es besteht eine ethische Grundlage, da gibt es für uns kein Pardon. Man muss darauf achten, dass Schüler Terrorbefürwortung nicht weiterverbreiten. Natürlich kann man die israelische Regierung kritisieren, das machen die Israels jeden Tag. Kritik an einer israelischen Regierung hat erstmal nichts mit Antisemitismus zu tun.
Und da kommen wir ja eigentlich immer parallel zu den sogenannten sozialen Medien. Welche Rolle spielen diese in dem Konflikt?
Die sozialen Medien machen das Ganze noch viel verheerender. So wie man damals über das Radio agitiert wurde, keine Texte lesen musste, so haben soziale Medien heutzutage die gleiche Funktion. Man braucht nicht nachzudenken, welche Ursachen etwas hat und in welchem Zusammenhang das Ganze steht. Das besitzt in meinen Augen eine verheerende Wirkung!
Vielen Dank für das Gespräch.
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TEXT Christian Bock
FOTO privat