„Wer zum Studieren nach Flensburg geht, wählt die Vielfalt!“ – Im Gespräch mit Jürgen Schwier, Professor für Sportwissenschaft an der Europa  Universität Flensburg

„Wer zum Studieren nach Flensburg geht, wählt die Vielfalt!“ – Im Gespräch mit Jürgen Schwier, Professor für Sportwissenschaft an der Europa Universität Flensburg

Jürgen Schwier fühlte sich früh dem Sport verbunden, wollte Lehrer werden, studierte an der Philipps-Universität in Marburg Sport und Geografie auf Lehramt und trat doch nie in den Schuldienst ein. Stattdessen startete er eine wissenschaftliche Karriere. Er promovierte im Fach Erziehungswissenschaften, habilitierte im Fach Sportwissenschaft, lehrte und forschte in Marburg, Oldenburg und Gießen und übernahm 2009 eine Professur an der EUF sowie die Leitung des Instituts für Bewegungswissenschaften und Sport. Zwischen Januar 2013 und Oktober 2018 war er gleichzeitig Vizepräsident der EUF. Seine Forschungsschwerpunkte sind Sportkommunikation, Schulsportforschung sowie bewegungs- und sportbezogene Jugendforschung

Moin, Herr Professor Schwier. Vor Ihnen liegen ein Volleyball, ein Fußball und ein Football. Für welchen Ball entscheiden Sie sich?

Da ich gelernter Fußballer bin und noch heute aktiv spiele, wähle ich den Fußball.

Ist ein guter Fußballspieler wie Sie, per se ein guter Lehrer in dieser Sportart?

Nicht unbedingt, wie ich immer wieder in meinen Seminaren feststelle. Im Wahlfach Fußball unterrichte ich viele hochklassige Spieler, die jedoch völlig falsche Vorstellungen davon haben, wie sie Fußball in der Schule thematisieren können. Und genau das ist ein wichtiger Teil meines Jobs: Den Studierenden zu vermitteln, wie sie über die eigene Sportlichkeit hinaus etwa in Richtung Inklusion denken: Kann man denn Fußball nur normiert spielen? Oder: Wie integriere ich beispielsweise zwei körperbehinderte Kinder in das Spiel?

Wem würden Sie das Studienfach Sport empfehlen?

Allen jungen Menschen, die nicht nur gerne Sport treiben, sondern auch lernen möchten, wie sie die eigene Leidenschaft für den Fußball, den Handball oder das Schwimmen anderen vermitteln.

Wie ist die Nachfrage der Sportstudierende an der EUF?

Die Nachfrage war eigentlich immer gut, sie ist jedoch in den letzten Jahren weiter gestiegen. Wir sind allerdings sehr stark regional gebunden. Früher wusste ich: Wenn ich beispielsweise gymnasiales Lehramt, Sport oder Mathe studieren möchte, muss ich an die CAU gehen; jetzt kann ich auch in der Heimat bleiben. Das führt dazu, dass aus dem nördlichen Landesteil viele Studieninteressierte diese Fächer hier in Flensburg belegen.

Was macht die EUF noch zu einem attraktiven Studienort?

Während andere Universitäten sich sehr stark an klassischen Sportarten orientieren, etablieren sich bei uns auch neuere Trendsportarten wie Wasserski und Wakeboard, Kitesurfen und Stand-Up-Paddling. Gerade im Bereich Wassersport bieten wir unseren Studierenden ein sehr ausdifferenziertes Angebot, sind aber auch mit dem zweitgrößten BMX- und Skate- Park in Deutschland recht prominent unterwegs.

Welche Möglichkeiten bietet die EUF noch?

Wir profitieren sehr von der städtischen Vielfalt und nutzen beispielsweise das Stadion und das öffentliche Schwimmbad. Für unser breites Wassersportangebot haben wir eine eigene Surfbasis in Fahrensodde. Neben der Ausbildung können sich Studierende, sofern ein Tutor vor Ort ist, jederzeit Surfbretter leihen und auf die Förde rausfahren. Oder mit dem SUP-Board nach Dänemark überfahren, ein Bier trinken und wieder zurückpaddeln – hatten wir auch schon. Auch sehr spannend für viele Studierende ist unsere kleine Surfbasis im Schullandheim auf Sylt. Ich sage nur: Leben, wo andere Urlaub machen.

Wie stehen Sie zum Thema E-Sports? Ein neues Fach, das in Zukunft auch in Flensburg akkreditiert werden sollte?

Das hoffe ich nicht. Einerseits kann ich jeden verstehen, der von Computerspielen fasziniert ist, andererseits wissen wir seit zwanzig Jahren, dass sich Jugendliche in Deutschland zu wenig bewegen. Das ist im Kindesalter noch unproblematisch, bei Jugendlichen können die Folgen jedoch verheerend sein. Daher halte ich es für sehr bedenklich, E-Sport mit Bewegungs-Sportarten gleichzusetzen. In unseren Seminaren veranschaulichen wir am Beispiel von E-Sport daher oft, wie willkürlich die Definition von Sport sein kann.

Was möchten Sie Ihren Studierenden mit auf den Weg geben?

Unser Hauptanliegen ist, die Studierenden nicht nur theoretisch kompetent auszubilden, sondern reflektierte Praktiker auf den Weg zubringen. Seit drei Jahren absolvieren die Studierenden in ganz Schleswig-Holstein ein Praxissemester, dabei tauchen sie zehn Wochenlang, an je vier Tagen in der Woche ganz in den Schulalltag ein. Uns ist dabei besonders wichtig, dass sie ihr Wissen praktisch anwenden.

Wir haben in der Fachrichtung Sport ein sehr ausdifferenziertes Angebot an Masterstudiengängen.

Was raten Sie Studierenden, die feststellen, dass ihnen genau das Probleme bereitet?

Es gibt tatsächlich bereits nach dem vierwöchigen Praktikum im dritten Semester jedes Jahr wieder einige Studierende, die feststellen, dass sie doch nicht so gerne als Lehrer vor einer Klasse stehen. Dann gilt es herauszufinden, welche individuellen Möglichkeiten das Studium außerhalb des Lehrberufs bietet. Wir haben ja in der Fachrichtung Sport ein sehr ausdifferenziertes Angebot an Masterstudiengängen, sodass sich Studierende im fünften und sechsten Semester in Richtung Grundschule, Gymnasium oder aber für einen außerschulischen Master entscheiden können.

Mir ist aufgefallen, dass viele junge Menschen heute im Fitnesscenter Sport treiben. Wie wirkt sich dieser Trend auf das Studium aus?

Diese Entwicklung hat auch bei uns im Studium einen Impact. Jedoch muss ich sagen, dass die meisten unserer Studierenden neben der Fitness noch mindestens eine andere Sportart betreiben. Die Faszination für Fitness lässt sich jedoch kaum leugnen und steht häufig in Zusammenhang mit der Digitalisierung: Jeder hat seine Apps, seine Fitness-Tracker etc. Eine große Rolle spielt dabei auch, dass die gemessenen Erfolge anschließend in den sozialen Netzwerken kommuniziert werden können.

Ein positiver Ansporn? Oder eher bedenklich?

Grundsätzlich bin ich natürlich froh, wenn Menschen sich bewegen, da wir ja aus Studien wissen, dass ein Großteil der Heranwachsenden zu wenig Sport treibt. Vor diesem Hintergrund ist es mir natürlich lieber, wenn sie ins Fitnessstudio gehen, als zu Hause am PC Fortnite spielen. Der Trend zum Individualsport hat ja durchaus auch seine Vorteile: Ich kann meine Sporteinheit in meinen Alltag so integrieren, wie ich es gerne möchte. Schade ist jedoch, dass jeder für sich alleine trainiert. Eine ganz neue Entwicklung, da Sport ja eigentlich sehr viel mit Gemeinschaft zu tun hat. Nur Surfer sind froh, wenn sie die Welle für sich alleine haben (lacht).

 

TEXT Christian Dorbandt / Sophie Bladly
FOTO Sebastian Weimar