Transfer in die Zukunft

Transfer in die Zukunft

Prof. Dr. Ines Lietzke-Prinz über Transformation, das Wandeln zwischen Welten und das Vermitteln von Gründergeist an der FH Westküste

Als Professorin für Entrepreneurship und Human Resource Management an der FH Westküste koordiniert Prof. Dr. Ines Lietzke-Prinz das Start-up & Innovation Center an ihrer Hochschule und ist hier die erste Ansprechpartnerin für das Thema.

„Gründung geht alle an“ – steht häufig in der Betreffzeile von Mails an alle Studiengänge beider Fakultäten an der FH Westküste, wenn die Professorin für Entrepreneurship als treibende Kraft des Gründer-Programms der FH Westküste aktiv wird. Das Start-up & Innovation Center ist ein virtueller Ort für Inspiration und Motivation, das sich aus engagierten Mitarbeitenden der Hochschule sowie vielfältigen Angeboten für Studierende und Forschende zusammensetzt.

Prof. Dr. Lietzke-Prinz, zunächst die Frage: Was bietet die FHW Gründungsinteressierten mit dem Start-up & Innovation Center?

Das Start-up & Innovation Center ist eine Plattform, auf der wir die vielfältigen Aktivitäten und Angebote von vielen Kolleginnen und Kollegen bündeln. Ein wichtiger Schwerpunkt liegt dabei natürlich auf der Lehre, in der wir interaktive und kreative Lernformate wie den Design Sprint nutzen. Darüber hinaus organisieren wir Veranstaltungen außerhalb des Lehrplans, wie die StartUp Night oder Gründungslunches. Dabei schaffen wir einen Lern- und Begegnungsraum, in dem Studierende inspirierende Gründer und Gründerinnen und deren Geschichten kennenlernen können.
Eine Besonderheit des Centers ist das Gründungssemester, das während des Praxissemesters stattfindet und eine Alternative zum klassischen Betriebspraktikum bietet. Hier haben Studierende die Möglichkeit, intensiv an ihrer eigenen Gründungsidee zu arbeiten – begleitet von uns. Sie bekommen einen Freiraum, um an Innovationen zu feilen, Netzwerke aufzubauen und ihren Business Case weiterzuentwickeln.
Mir ist es wichtig, dass wir mit unseren Angeboten nicht nur diejenigen erreichen, die bereits an einer konkreten Idee arbeiten, sondern möglichst viele Studierende ansprechen. Denn oft entdeckt man erst später im Berufsleben eine Problemstellung, aus der sich eine Geschäftsidee entwickelt – oder man bringt als Intrapreneur Innovationen innerhalb eines Unternehmens voran. Unser Ziel ist es, die Grundlagen dafür schon früh zu legen.

Wie müssen wir uns die Gründungsunterstützung der FHW inhaltlich vorstellen: Wie lautet Ihr Geheimrezept?

Ganz wichtig ist zunächst, dass es eine niederschwellige Anlaufstelle gibt. Und das bin nicht ich allein. Da ich nicht alle Studierenden der Hochschule persönlich kenne und nicht jeder meine Lehrveranstaltungen besucht, haben wir Ansprechpersonen aus verschiedenen Studiengängen. Meistens läuft es so, dass ich eine E-Mail bekomme oder jemand nach einer Lehrveranstaltung auf mich zukommt und sagt: „Ich hätte da eine Idee, können wir darüber sprechen?“ Dann setzen wir uns zusammen, ich höre erst einmal zu und gemeinsam überlegen wir, wie die nächsten Schritte aussehen.
Häufig geht es anschließend in eine Gründungsberatung, die die IHK Flensburg speziell für Studierende der FHW anbietet. Dabei holen wir die Studierenden genau dort ab, wo sie gerade stehen – egal, ob es sich um eine erste fixe Idee oder schon um einen ausgereiften Businessplan handelt. Die Bedarfe sind sehr individuell und genauso individuell gestalten wir auch die Betreuung – das ist wahrscheinlich das Geheimrezept.
Und ich freue mich, als Ansprechpartnerin für das Gründungsstipendium SH auch Sparringspartnerin für die Studierenden bei der Stipendienbewerbung sein zu können. Denn das Stipendium ist eine großartige Chance, um sicherzustellen, dass eine gute Idee nicht an der Finanzierung in der frühen Phase scheitert.

Frau auf Treppe

Prof. Dr. Ines Lietzke-Prinz legt großen Wert auf eine niederschwellige Anlaufstelle für Gründungsinteressierte.

Der wichtigste Faktor, um eine Initialzündung bei Studierenden auszulösen, ist ganz offensichtlich Vertrauen. Wie stellen Sie diese Vertrauensbasis her?

Das Teilen von eigenen Ideen ist tatsächlich etwas sehr Persönliches – das funktioniert selten in einer großen Vorlesung im Hörsaal. Aber genau hier an der FH Westküste haben wir den Vorteil, das anders gestalten zu können. Mit nur 1600 Studierenden sind wir eine vergleichsweise kleine Hochschule und das sorgt dafür, dass die Wege zwischen Lehrenden und Studierenden viel kürzer sind. Wir begegnen uns regelmäßig und in einem viel persönlicheren Rahmen als an Universitäten mit mehreren Zehntausend Studierenden. Das macht uns als Lehrende nahbar und wir können gezielt unterstützen. Auch die Wege zu anderen Fachbereichen oder zu Unternehmen in der Region sind bei uns kurz. Wenn eine Gründungsidee beispielsweise außerhalb meiner eigenen Expertise liegt, dann hole ich mir die passende Unterstützung – ob bei Kollegen und Kolleginnen oder aus meinem Netzwerk. Dafür reicht oft ein Anruf. Ein Student hat das einmal sehr charmant beschrieben: ‚Sie sind wie eine Hausärztin, die ihre Patienten gut kennt, immer weiß, was gerade gebraucht wird und den Termin beim gefragten Facharzt direkt vermittelt.‘ Und genau dieses persönliche Miteinander ist eine echte Stärke unserer Hochschule.

Wo haben Sie sich Ihr Wissen über die Analyse von Trends und Szenarien angeeignet und welche Expertise bringen Sie für die Start-up-Beratung mit?

Ich habe Diplom-Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen studiert und auch in diesem Bereich promoviert. Meine berufliche Reise führte mich zunächst von einer freien, wissenschaftlichen Tätigkeit in einem Think Tank der Bundeswehr über ein Beratungsunternehmen für strategische Zukunftsfragen zu der Innovationseinheit eines Konzerns. Am Ende bin ich jedoch wieder in die akademische Welt zurückgekehrt – eine Entscheidung, die ich getroffen habe, weil ich viele Fragen im Kopf hatte, denen ich mich gerne noch einmal wissenschaftlich widmen wollte. Nach einem dreijährigen Projekt an der Leuphana Universität Lüneburg bin ich schließlich dem Ruf an die Fachhochschule Westküste gefolgt.
Ich empfinde es als großen Vorteil, dass ich in meiner Laufbahn sehr unterschiedliche Organisationen und auch deren Führungsstrukturen von innen kennengelernt habe. Das bereichert meine Lehre und Forschung enorm. Der rote Faden, der sich durch meine berufliche Laufbahn zieht, ist die Auseinandersetzung mit Veränderung, mit Transformation. Besonders fasziniert mich der strategische Aspekt von Zukunftsanalysen – das Denken in Szenarien und die Frage, wie Organisationen sich auf künftige Entwicklungen vorbereiten können. Genauso spannend finde ich es, herauszufinden, welche Bedürfnisse die Kunden und Kundinnen von morgen haben und wie sich daraus neue Geschäftsfelder entwickeln lassen. Dieses Veränderungs-Motiv prägt sowohl meinen Ansatz im Bereich Human Resource Management als auch im Entrepreneurship. Veränderung, Zukunft und Innovation sind wohl so etwas wie die zentralen Treiber meines Handelns.

Zwei Studierende und eine Professorin

Im direkten Austausch: Prof. Dr. Ines Lietzke-Prinz im Gespräch mit den Studierenden Aleks und Nils.

Was müssen Studierende von heute lernen, um die Transformation im Sinne der Sustainable Development Goals (SDG) zu bewältigen, und wie bereiten Sie die jungen Menschen darauf vor?

Mit der Agenda 2030 haben die Vereinten Nationen 17 globale Ziele für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung definiert. Wir schreiben diese Ziele groß und sind stolz darauf, seit Oktober 2023 als erste schleswig-holsteinische Hochschule Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltigkeit an Hochschulen zu sein. Eine unserer zentralen Aufgaben ist es, Studierende auf diese Herausforderungen vorzubereiten.
Wir wissen heute schon viel darüber, wo wir stehen und wo wir hinwollen – das nennen wir System- und Zielwissen. Aber oft scheitern wir daran, diese Ziele, wie die SDGs, schnell genug zu erreichen. Der Grund ist, dass uns häufig das Transformationswissen fehlt: Wir wissen nicht, wie wir ins Handeln kommen. Genau hier müssen wir ansetzen und unsere Studierenden befähigen, aus abstraktem Wissen konkretes Handeln zu machen.
Das können wir auch über unser StartUp & Innovation Center fördern, indem wir fragen: Welche Innovation oder Geschäftsidee kann konkret zu diesen Zielen beitragen? Besonders wichtig ist mir dabei die Interdisziplinarität. Ich selbst habe immer in gemischten Teams gearbeitet und davon enorm profitiert. Ob es um Zukunftsszenarien oder Innovationen geht – unterschiedliche Perspektiven sind der Schlüssel, um kreative und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Und das gilt eigentlich immer im Leben.

Vielen Dank Prof. Dr. Ines Lietzke-Prinz für das Gespräch!

Mehr dazu: Nils und Aleks studieren beide im 3. Semester an der FH Westküste – Nils im Fach Wirtschaftsrecht, Aleks in Wirtschaftspsychologie. Nils und Aleks nutzen ein Gründungssemester, um ihre Unternehmensideen weiterzuentwickeln.

TEXT Natascha Pösel
FOTO Sebastian Weimar