SWISS ARMY MAN – Eine Filmkritik

SWISS ARMY MAN – Eine Filmkritik

Urteile nicht auf der Grundlage des ersten Eindrucks. Das gilt insbesondere für den Trailer des Films von Daniel Kwan und Daniel Scheinert SWISS ARMY MAN. Der vulgäre Humor sowie die absurd anmutenden Szenen sind Teil einer wundervoll inszenierten Geschichte über Freundschaft, Liebe und Angst.

Harry Potter ist tot

Daniel Radcliffe ist vielen durch seine Rolle als Zauberschüler Harry Potter bekannt. Die Popularität und Laufzeit der Harry-Potter- Reihe machte ihn quasi zu einer ikonischen Figur. Seither versucht sich Radcliffe mit Rollen in Filmen wie KILL YOUR DARLINGS oder den Horrorfilmen THE WOMAN IN BLACK und HORNS vom Harry Potter-Image abzunabeln. Höhepunkt dieser Neuorientierung ist jedoch der Film SWISS ARMY MAN der beiden Regisseure Daniel Kwan und Daniel Scheinert. Daniel Radcliffe spielt darin eine Wasserleiche, die scheinbar zum Leben erwacht und über besondere Eigenschaften verfügt, durch die es dem auf einer einsamen Insel gestrandeten Hank (Paul Dano) gelingt, die Insel zu verlassen. Wer nun denkt, eine Wasserleiche zu verkörpern, bedürfe keiner schauspielerischen Kunst, der irrt sich.

 

Eine fantastische Reise

Bereits die Eingangsszenen des Films verdeutlichen, was die Zuschauenden in den knapp 90 Minuten erwartet: Allein auf der kleinen Insel sieht Hank keinen anderen Ausweg als den Freitod. Die Schlinge bereits um den Hals erblickt er einen an den Strand gespülten Körper. Bei der Untersuchung beginnt dieser leblos wirkende Körper alsbald zu gluckern und zu furzen. Die entweichenden Gase setzen so viel Energie frei, dass Hank wie auf einem Jet Ski die Insel verlassen kann.
Fortan fungiert Manny, wie Hank die Wasserleiche tauft, als eine Art übernatürliches ‚Multifunktionswerkzeug‘. Auf dem Weg zurück in die Zivilisation rettet Manny Hank mehrmals das Leben. Nach anfänglichem Lallen beginnt Manny sogar einfache Sätze zu sprechen; an sein früheres Leben kann sich der (Un-)Tote jedoch nicht erinnern. Um dessen Gedächtnis anzuregen, erklärt Hank ihm unter anderem anhand von im Wald entsorgtem Müll, wie das Leben in der heutigen Zivilisation abläuft. Diese aufwendig gestalteten Sequenzen erinnern an die wundervollen und fantastischen Filme von Michel Gondry (SCIENCE OF SLEEP, BE KIND REWIND).

Mit kindlicher Naivität und Direktheit problematisiert Manny seinerseits fragwürdige Konventionen Hanks: Warum dürfe man vor anderen nicht pupsen, wenn es doch etwas ganz Natürliches sei? Warum dürften Jungs keine Kleider tragen?

Hank hingegen erklärt Manny, was Freundschaft bedeutet, wie sich es anfühlt, verliebt zu sein oder Angst zu haben.

Achtung Spoiler-Warnung

Die Bildsprache in SWISS ARMY MAN ist stark überzeichnet und steht metaphorisch für den inneren Gemütszustand des Protagonisten Hank. Die Wasserleiche Manny stellt einen Doppelgänger oder eine Art Spiegel des Protagonisten dar. Erst die Gespräche mit Manny, ermöglichen Hank nach dem Verlassen der Insel eine Art Selbstfindung bzw. Selbstheilung.
Je näher die beiden der Zivilisation kommen und Gefahren überwinden, um so sichtbarer wird der Bewusstseinswandel Hanks. Hier folgt der Film dem Modell der Heldenreise. SWISS ARMY MAN kommt allerdings nie mit erhobenem Zeigefinger daher, sondern ist amüsant, traurig und reflektiert zugleich.

Fazit

SWISS ARMY MAN ist kein konventionell erzählter Film, auf diese Prämisse müssen sich Zuschauende einlassen. Aber hinter der Fassade des scheinbar vulgären Humors verbirgt sich eine mehrschichtige Gesellschaftskritik.

Der Film ist über capelight pictures als DVD & Blu-ray sowie VOD verfügbar.

 

TEXT Marc Asmuß
FOTOS capelight pictures