Christoph Flöthmann, 27, ist seit September 2012 Doktorand an der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg. Er hat in Köln BWL studiert und in Deutschland und Indonesien Praktika bei dem Werkstoffanbieter Covestro AG und DB Schenker, dem Transport- und Logistikdienstleister der Deutschen Bahn, absolviert.
Christoph, Deine Schwerpunkte im BWL-Studium waren Finanzen und Supply Chain Management. Das ist eine ungewöhnliche Fächerkombination.
Das stimmt. Finanzen habe ich belegt, weil mich der Aktienmarkt schon immer interessiert hat und ich den Finanzsektor und komplizierte volkswirtschaftlichen Zusammenhänge verstehen lernen wollte. Mein Interesse für Supply Chain Management wurde im Grundstudium mit der Vorlesung „Operations Management“ geweckt. Der Professor hat uns z.B. beigebracht, wie man als Unternehmen Standorte plant, Prozesse oder Bestände optimiert und den Materialfluss managet.
In Deiner Abschlussarbeit hast Du Spiele entwickelt, in denen man lernt, was Logistik bedeutet. Was waren das für Spiele?
Das erste Spiel basiert auf dem bekannten Fall, in dem der italienische Bekleidungshersteller Benetton verschiedenfarbige Pullover für die Sommersaison produzieren wollte, aber nicht wußte, welche Farbe sich am meisten verkaufen würde. Normalerweise werden vorgefärbte Stoffe einkauft, die dann in der Produktion zu Pullovern verarbeitet werden und anschließend in die Geschäfte kommen. Man kann dann nur hoffen, dass man ausreichend Pullover in der kommenden Trendfarbe produziert hat. Das klappt leider nicht immer. Die Supply Chain-Spezialisten bei Benetton sind auf die Idee gekommen, erst einmal nur weiße Pullover herzustellen und sie erst zu färben, wenn klar ist, welche Farbe am meisten nachgefragt wird. Modetrends ändern sich ja immer schneller und als Bekleidungshersteller muss man in der Lage sein, schnell auf neue Entwicklungen zu reagieren.
In dem Spiel wird diese Situation nachgestellt. Zu Beginn müssen die Spieler Kleider aus roten und blauen Pappen ausschneiden. In der ersten Spielrunde verkaufen sich die roten und blauen zu gleichen Teilen gut, in der zweiten Spielrunde verkaufen sich plötzlich nur noch die roten Pullover, die blauen bleiben in den Regalen liegen und der Umsatz bricht ein. In der dritten Runde müssen die Spieler dann gemeinsam überlegen, wie sie dieses Problem in den Griff bekommen. Meistens kommt ein Spieler auf die Lösung von Benetton.
Worum geht es in den anderen Spielen?
In dem zweiten Spiel lernt man, dass unterschiedliche Produkte auch unterschiedliche Supply Chains erfordern. Die Spieler müssen überlegen, an welchen Standorten man am besten Gummistiefel und Smartphones herstellen lässt und ob man sie besser mit dem Flugzeug, dem Schiff, der Bahn oder dem LKW befördert.
Bei Gummistiefeln ist das Ergebnis einfach. Die Nachfrage ist stabil und es gibt keine Produktneuheiten. Gummistiefel sind halt Gummistiefel. Die kann man billig in China produzieren lassen und im Anschluss kostengünstig mit dem Schiff nach Europa transportieren. Das dauert ewig, ganze 30 Tage, aber die Stiefel verlieren in dieser Zeit auch nicht an Wert.
Bei Smartphones ist das anders. Die verlieren jeden Tag an Wert, weil ständig neue und bessere Smartphones auf den Markt kommen. Man muss die Telefone deshalb schnell in den Verkauf bekommen. Dafür lässt man sie entweder teuer in Europa produzieren oder man lässt sie in Asien herstellen und fliegt sie dann ein. Ein Transport mit dem Flugzeug ist teurer als mit dem Schiff, er lohnt sich in diesem Fall aber, weil die Smartphones weniger an Wert verlieren.
Geld spielt im Supply Chain Management also auch eine Rolle.
Ja, im Supply Chain Management versucht man, drei Flüsse zu optimieren: Erstens den Materialfluss, der beim Rohstofflieferanten beginnt und beim Endkunden endet. Zweitens den Finanzfluss, bei dem Geld vom Endkunden zurück zum Rohstofflieferanten wandert und drittens den Informationsfluß zwischen allen Beteiligten.
Im dritten Spiel geht es um die Finanz- und Informationsflüsse – diese wurden im Supply Chain Management im Vergleich zum Materialfluss lange vernachlässigt. Das Spiel ist für fünf Spieler ausgelegt, wobei jeder eine andere Rolle in der Supply Chain übernimmt. Einer spielt den Produzenten, einer spielt den Lieferanten, einer den Großhändler usw. Am Anfang dürfen die Spieler nicht miteinander sprechen. Jeder hat seine eigenen Bestände, jeder verkauft sein Ware an den nächsten weiter und am Ende müssen alle ihren Gewinn aufschreiben und zusammenzählen. Später dürfen sie miteinander kommunizieren und finden dann schnell heraus, dass sie unterschiedliche Lagerkosten haben und dass es doch Sinn machen würde, wenn sie ihre Bestände bei demjenigen lagern, der die geringsten Lagerkosten hat und sie ihm dafür im Gegenzug die Hälfte des zusätzlichen Gewinns abgeben.
Text Slaven Marnovic
Foto Kühne Logistics University