Was wäre, wenn wir mit Hilfe moderner Ortungssysteme nicht nur Umweltverschmutzungen schneller entdecken und bekämpfen, sondern auch Patientinnen und Patienten besser überwachen und Staus nahezu vermeiden könnten? Ortungssysteme sind mittlerweile in zahlreichen Anwendungsbereichen unverzichtbar geworden. Sie werden nicht nur in der Navigation von Fahrzeugen oder in der Vermessung von Gelände eingesetzt, sondern auch in vielen anderen Bereichen, die gesellschaftsrelevante Auswirkungen haben. Doch wie genau funktionieren diese Systeme und welche Potenziale bieten sie für den Aufbau einer Smart City in Lübeck? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir von ME2BE uns mit Sven Ole Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Technik und Informatik an der TH Lübeck, unterhalten.
Sven Ole, warum hast du dich für eine wissenschaftliche Mitarbeit an der TH Lübeck entschieden?
Nachdem ich mein Abitur in Verden absolviert hatte, begann ich mein Studium in Elektrotechnik. Im Verlauf begann ich mich immer mehr für das Thema Kommunikations- und Nachrichtentechnik zu interessieren, da es alles umfasst, was mit dem Austausch von Nachrichten zu tun hat, wie zum Beispiel WLAN und Bluetooth. Daher passte ich meinen Master komplett auf dieses Thema an und absolvierte erfolgreich meinen Abschluss als Informations- und Kommunikations-Master.
Nach meinem Studium arbeitete ich für sechs Monate, um herauszufinden, in welcher Arbeitsumgebung ich mich am wohlsten fühle. In dieser Zeit wurde mir bewusst, dass ich weiterhin im Bereich der Forschung tätig sein möchte. Daher bewarb ich mich bei verschiedenen Hochschulen und entschied mich schließlich für eine wissenschaftliche Mitarbeit an der TH Lübeck. Das Konzept, sowohl wissenschaftlich als auch praktisch arbeiten zu können, reizte mich besonders an dieser Hochschule.
Welcher Fragestellung gehst du in deiner Promotion auf den Grund?
In meiner Promotion konzentriere ich mich insbesondere auf die Weiterentwicklung des Ortungssystems für Mehrweg-Ausbreitungen. Dabei reflektieren elektromagnetische Signale ähnlich wie in einer Höhle, um eine effektivere Nutzung zu ermöglichen. Ich analysiere die Informationen aus meinen Studien, um zu verstehen, wie Informationen von A nach B gelangen und wo sie sich gerade befinden. Ich möchte herausfinden, wie diese Informationen effektiv und vor allem konstruktiv genutzt werden können.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit unter den Forschenden an der TH Lübeck?
Das Forschungsteam, bestehend aus zehn Promovenden unter der Leitung von Professor Horst Hellbrück (Professor für Kommunikationssysteme am Fachbereich Elektrotechnik und Informatik der TH Lübeck), beschäftigt sich mit dem Thema Kommunikation, sodass wir uns fachlich austauschen und ergänzen können. Wir treffen uns einmal die Woche, um neueste Erkenntnisse zu teilen und Informationen auszutauschen. Professor Hellbrück begleitet mein Thema und gibt sowohl inhaltlich als auch formell Feedback.
An welchen Forschungsprojekten bist du derzeit beteiligt und welche Ergebnisse hast du bisher erzielt?
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter bin ich derzeit an zwei Forschungsprojekten beteiligt. Im Rahmen des Transferprojekts KI Transfer HUB Schleswig-Holstein berate ich Unternehmen und bin auch auf Messen als Berater tätig. Ziel des Projekts ist es, eine Machbarkeitsstudie durchzuführen und zu analysieren, welche KI-Technologien im individuellen Fall am besten geeignet sind.
Ein weiteres spannendes Forschungsprojekt, an dem ich beteiligt bin, ist das Projekt Extense. Hierbei geht es darum, Hochspannungskabel für beispielsweise Windkrafträder oder Telekommunikation unter Wasser zu finden, die mindestens einen Meter unter dem Sediment vergraben sein müssen, um die Flora und Fauna im Wasser nicht zu beeinträchtigen. Dazu nutzen wir eine spezielle Sensor-Plattform, die unter Wasser tauchen und die Kabel aufspüren kann.
Welche Rolle spielt dieses Forschungsprojekt zum Aufbau einer smarten Stadt?
Ich bin vor allem über die Sensortechnik am Projekt Smart City in Eutin beteiligt. Dieses Forschungsprojekt spielt eine entscheidende Rolle bei der Schaffung einer vernetzten, effizienten und nachhaltigen Stadt der Zukunft. Als Mitglied des Projekts, das sich auf die Sensortechnik konzentriert, ist es unser Ziel, eine nahtlose Verbindung zwischen den kleinsten Haushalten und den größten Bereichen der Stadt herzustellen. Dabei geht es um eine intelligente Infrastruktur, die Smart Homes, freie Parkmöglichkeiten, geöffnete Supermärkte, Apotheken, Kitaplätze und vieles mehr umfasst. Unser Projekt ist darauf ausgerichtet, das tägliche Leben der Bewohner der Smart City zu erleichtern, indem es ihnen ermöglicht, alle notwendigen Ressourcen schnell und einfach zu finden und zu nutzen.
Siehst du auch Risiken in der digitalen Vernetzung von Städten?
Ich sehe eigentlich kein relevantes Risiko in dem Projekt Smart City, da wir alle mit einem Handy in der Tasche durchs Leben gehen. Unser Ziel ist nicht, die Stadt mit Kameras zu bestücken und Menschen auszuspionieren. In dem Projekt Smart City geht es vielmehr darum, kleinste Sensoren zu installieren, um gezielt Straßenbereiche zu beleuchten oder Informationen darüber geben, ob Mülleimer geleert werden müssen, um auf diese Weise die Infrastruktur der Stadt umweltfreundlicher zu gestalten und sicherer zu machen.
Wie setzt du deine Expertise ein, um gesellschaftliche Probleme zu lösen?
In meiner Promotion entwickle ich das bereits etablierte System der Sensortechnik weiter. Ich arbeite daran, durch den die Nutzung der Mehrwegeausbreitung weniger Sensorknoten (ein kleines, autarkes Gerät, das mit verschiedenen Sensoren ausgestattet ist, um Umgebungsdaten zu erfassen) einzusetzen, um Hardware- und Wartungskosten, Energie und Rechenzeit einzusparen.
Wie unterstützt du Studierende im Bereich Technik und Informatik an der TH Lübeck in ihrem Studium und bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit?
Als Forscher spiele ich eine wichtige Rolle bei der Betreuung von studentischen Hilfskräften, die an meinem Projekt beteiligt sind. Die Studierenden arbeiten an verschiedenen Themenbereichen, die in meine Promotionsarbeit einfließen und erstellen Abschluss- und Studienarbeiten. Ich stehe den Studierenden mit meiner Expertise und Erfahrung zur Seite, um ihre Arbeit zu unterstützen und ihnen wertvolle Einblicke und Anleitungen zu geben. Durch die enge Zusammenarbeit ziehen beide Seiten Nutzen davon, da die Studierenden von meinem Wissen und meiner Erfahrung profitieren und ich wiederum von den frischen Ideen und Forschungsergebnissen der Studierenden.
Horst Hellbrück leitet den Lehrstuhl für Kommunikation und verteilte Systeme und ist in allen Forschungs- und Transferprojekten, die sich mit dezentralisierter Rechenleistung befassen, in einer führenden Rolle tätig. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Durch die enge Zusammenarbeit ergänzen sich unsere Forschungsergebnisse sowie die aller anderen wissenschaftlichen Mitarbeitenden am Institut, was zu einem synergistischen Austausch führt. Wir stehen daher in ständigem Kontakt und nutzen unsere jeweiligen Kompetenzen, um die Forschungsarbeit voranzutreiben.
Warum eignet sich Lübeck für den Aufbau einer Smarten City?
Lübeck bietet ideale Voraussetzungen für den Aufbau einer smarten Stadt. Insbesondere die zentrale, sehr kompakte Innenstadt eignet sich als Modellregion für innovative Konzepte und Technologien im Bereich der intelligenten Stadtentwicklung. Durch die räumliche Nähe der verschiedenen Stadtteile und Einrichtungen können Synergieeffekte genutzt werden.
Ein weiterer Vorteil von Lübeck ist die politische Unterstützung durch das Land Schleswig-Holstein und die Stadt Lübeck. Beide Institutionen fördern den Aufbau einer smarten Stadt und tragen damit zur Umsetzung zukunftsweisender Technologien und Konzepte bei.
Ein wichtiger Faktor für den Erfolg einer Smarten City ist auch die Anbindung an akademische Einrichtungen. In Lübeck gibt es zwei akademische Hochschulen, die als wichtige Impulsgeber für die Forschung und Entwicklung neuer Technologien dienen.
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TEXT und FOTO Sophie Blady