Sei bereit für‘s Glück – „Tatort“-Kommissar Oliver Mommsen erzählt

Sei bereit für‘s Glück – „Tatort“-Kommissar Oliver Mommsen erzählt

Für viele ist Schauspielerei ein Traumjob, doch die Realität sieht oft anders aus: „Tatort“-Kommissar Oliver Mommsen sagt, wie man in der Schauspielwelt überlebt – und sich dabei selbst treu bleibt.

Du bist Bremer Tatort-Kommissar, spielst in Berlin Theater und drehst erfolgreich Filme. Was rätst du jungen Menschen, die Schauspieler werden wollen?

Fang sofort an. Nur zu träumen bringt nichts. Schauspieler ist ein Beruf, der übers Machen geht. Ein Handwerk. Guck dir bewusst Filme an, lies die Klassiker, geh ins Theater und besuche Workshops, trainiere deinen Körper, mach ihn geschmeidig und spannungsvoll.

Viele hoffen darauf, auch ohne Schauspiel-Ausbildung entdeckt zu werden. Gibt’s das in Deutschland überhaupt?

Ja, solche Märchen passieren gelegentlich. Jürgen Vogel zum Beispiel war nie auf einer Schauspielschule. Aber man sollte vorbereitet sein. Es wäre schon tragisch, entdeckt zu werden und dann nichts drauf zu haben. Also, mach deine Hausaufgaben und sei bereit für das Glück!

Wann hast du denn für sich gemerkt, dass du Talent und Interesse an der Schauspielerei hast?

Schon sehr früh. Bei mir lief es ziemlich klassisch ab. Schon in der Schule war ich der Klassenclown, imitierte die Lehrer – das volle Programm. Die Rampensau steckt bei mir tief (…lacht!). Und als ich dann aufs Internat kam, begriff ich ziemlich schnell, dass die spannendsten Leute und hübschesten Mädchen in der Theater-AG waren. Damit fing alles an!

Und dort bist du dann richtig auf den Geschmack gekommen.

Ja, ich hatte ein Riesenglück, das war eine Spitzentruppe. Da gingen Dynamiken ab, dagegen ist „Germany’s Next Topmodel“ Steinzeit. Spätestens, als ich „Peter Pan“ spielen durfte, hatte ich Blut geleckt. Und das rettete damals sogar meine Schullaufbahn.

Inwiefern?

Ich sollte eigentlich vom Internat fliegen. Dann kam der Direktor auf mich zu und sagte: „Wir wollten Sie eigentlich rausschmeißen, aber Sie spielen ja die Hauptrolle.“ Da merkte ich, dass ich da was kann, was offenbar einen gewissen Wert hat.

Nach der Schule machtest du dich auf die Suche nach einem Schauspiel-Studienplatz. Wo setzt man da am besten an?

Wer in Deutschland Schauspieler werden will, sollte zunächst die Vorsprechtermine der großen staatlichen Schauspielschulen recherchieren. In der Regel musst du dafür zwei klassische und einen modernen Monolog vorbereiten. Meistens geht das Ganze über drei Runden – und fühlt sich in etwa so an, als würde man dich auf die Schlachtbank führen. Vor allem, wenn du dir dann solche Sprüche wie „Werden Sie mal besser Schreiner, dass fängt auch mit S an“ anhören musst…

Auf der Schauspielschule werden Klassiker entstaubt und du hast plötzlich keine Angst mehr vor großen Namen

Aber du hast trotzdem nicht aufgegeben.

Ich ging erst einmal nach Berlin, schaute mich nach freien Schauspieltruppen um und machte dann ein Praktikum beim Film. Das war eine Riesen-Produktion, absolut beeindruckend. Gerade die Schauspieler fand ich unheimlich faszinierend.

Und wagtest dich dann doch noch einmal ans Thema Studium heran.

Genau. Danach klapperte ich alle privaten Schauspielschulen ab. Bei denen muss man jedoch ziemlich aufpassen. Es gibt neben einigen sehr guten auch ziemlich viele schwarze Schafe in der Branche, die für viel Geld viel versprechen. Und eigentlich nur Schaden anrichten. Schlussendlich landete ich bei Maria Körber. Sie ließ mich viermal vorsprechen, dann kam endlich die Zusage.

Dein Einsatz hat sich letzten Endes also gelohnt. Was sind denn deine Überlebens-Tipps fürs Vorsprechen?

Bei zum Teil 1.000 Bewerbern auf zehn Studienplätze sollte man wirklich nichts dem Zufall überlassen. Hol dir einen professionellen Coach für die Aufnahmeprüfung, und bereite dich extrem gut vor. Einen Rat habe ich noch von meiner Schauspiellehrerin: Wenn du vorsprichst, arbeite eine Rolle ruhig auch mal in deinem Dialekt. Wenn du sprichst, wie du aufgewachsen bist, bist du schon mal wahrhaftig. Es gibt deiner Figur etwas Persönliches. Und mit viel Glück beginnen dann für dich drei Jahre Kindergeburtstag.

Kindergeburtstag?

Es gibt einfach nichts Geileres, als auf eine Schauspielschule zu gehen. Du wirst noch mal richtig zum Kind, kannst alles ausprobieren. Du lernst tanzen, singen, atmen, sprechen. Du machst Improvisationsübungen, wirst nach und nach in das Rollenstudium eingeführt, setzt dich mit Weltliteratur auseinander, knackst Goethe! Das hat rein gar nichts mehr mit dem trockenen Stoff aus dem Deutsch-Unterricht zu tun. Auf der Schauspielschule werden Klassiker entstaubt und du hast plötzlich keine Angst mehr vor großen Namen. Ich hab’ das alles so genossen.

Und was passiert am Ende der Ausbildung? Wie kommen die Absolventen an die ersten Jobs?

Bei den großen staatlichen Schulen gibt es das so genannte I-Vorsprechen. Da kommen alle wichtigen Intendanten Deutschlands zu großen Fleisch-Beschau – da kommt der Arbeitgeber.

Was geschieht denn mit denjenigen, die nicht gleich ein Engagement kriegen?

Auf jeden Fall sollte sich jeder Absolvent, der zum Film will, sofort um eine gute Agentur kümmern, die ihn vertritt und vermittelt. Das Ticket hierfür sind drei gute Fotos und ein sehr gutes, aussagekräftiges Demoband. Gerade in Deutschland läuft rein gar nichts ohne. Der klassische Weg zum Theater besteht dann darin, herauszufinden, wo in der nächsten Spielzeit Stellen frei werden und sich dort zu bewerben. Wenn man Glück hat, darf man zum Vorsprechen anreisen.

Sei bereit für‘s Glück - „Tatort“-Kommissar Oliver Mommsen erzählt

Oliver Mommsen im Gespräch mit Katharina McKechnie

Was empfiehlst du jungen Schauspielern in Sachen Karriere-Planung?

Sie sollten auf jeden Fall versuchen, auch auf die Bühne zu kommen. Das ist gerade in Deutschland sehr wichtig. Wenn es dann mal läuft, gibt es neben Theater, TV und Kino noch viele andere Möglichkeiten für Schauspieler: Du kannst Hörbücher sprechen, Werbung machen und als Synchronsprecher arbeiten oder auf Lesereise gehen, etc. etc. etc.

Und wovon kannst du jedem nur abraten?

Statist zu werden und zu hoffen, dass man entdeckt wird, ist glaube ich eine Sackgasse. Wobei es überhaupt nicht schadet, mal am Set gestanden zu haben, um zu sehen, was da abgeht.

Was tun, wenn plötzlich eine Rolle in einer Daily-Soap winkt? Absagen?

Wenn du nichts anderes hast, dann tu es. Dort wird so hart geackert, und jeder in der Branche weiß: Der oder die hat gelernt, was dieser Job bedeutet. Das Problem ist: Als Soap-Darsteller hat du kaum Zeit, richtig gut zu werden. Die Szenen müssen sofort sitzen, da wird nicht endlos wiederholt, bis es wirklich passt. Wenn du es jedoch schaffst, in einer Soap richtig gut zu sein, dann qualifiziert dich das meiner Meinung nach auch für einen 90-Minüter.

Viele Schauspieler können von ihren Rollen alleine gar nicht leben.

Es herrscht ein absolutes Preisdumping in der Branche. Kein Witz: Eine Untersuchung der Schauspielergewerkschaft hat ergeben, dass mittlerweile schon eine Film-Kuh mehr Gage als ein Anfänger bekommt. Deswegen ist es wichtig, auf möglichst vielen Ebenen zu arbeiten.

TEXT Katharina McKechnie
FOTOS Nadya-Vanessa Gruber