Baustellentour auf Sylt mit Broder Ingwersen – Firmenchef von Ingwersen Bau

Baustellentour auf Sylt mit Broder Ingwersen – Firmenchef von Ingwersen Bau

Wer im nordfriesischen Maurerhandwerk arbeitet, kennt Steine, Mörtel, Sand … und Broder Ingwersen. Seit fast 50 Jahren pendelt der gebürtige Neukirchener zwischen Festland und der Insel Sylt, beschäftigt in seiner Firma „Ingwersen-Bau“ rund zehn Mitarbeiter, führt seit 2007 als Obermeister die Geschicke der Baugewerke-Innung Nordfriesland/Südtondern und hat als Prüfungsausschussvorsitzender in den vergangenen 20 Jahren Hunderten von Auszubildenden den Gesellenbrief überreicht. Im Gespräch mit HANDS UP-Redakteur Chris beschreibt der Hochbauexperte die Besonderheiten der Sylter Baustellen und verrät, warum er „Maurer“ und nicht „IT-Experte“ geworden ist.

Moin, Herr Ingwersen. Wir begleiten Sie heute auf die Insel Sylt, wo sie mehrere Bauprojekte ausführen. Was werden wir zu sehen bekommen?

Jetzt ist es 11 Uhr. Das Wetter scheint zu passen. Wir fahren gleich mit dem VW-Bus von Neukirchen nach Rømø. Von dort aus werden wir mit der Fähre nach Sylt übersetzen und meine Gesellen an drei verschiedenen Baustellen besuchen: Südlich von List sanieren wir für die Nordseeakademie einige Apartments, in der Nähe von Wenningstedt setzen wir bei einem Objekt Klinkerriemchen an, und in Keitum wird ein Einfamilienhaus neu verblendet. Um circa 16 Uhr werden wir dann mit dem Autozug zurück nach Niebüll fahren. Während der gesamten Fahrt können Sie mich gern ausfragen!

Mein Zuhause aber ist und bleibt Neukirchen.

Guter Plan. Los geht’s. Erste Frage: Ihre Firma hat ihren Sitz in Neukirchen, Sie arbeiten aber ausschließlich auf der Insel Sylt. Warum?

Das hat sich aus der Familientradition ergeben. Ich bin nach der Realschule 1969 in die Lehre gegangen, habe einige Jahre als Maurergeselle gearbeitet und anschließend meinen Meistertitel erworben, ehe ich 1986 die Firma meines Vaters übernahm. Mein Vater hatte sich einen Kundenstamm auf Sylt aufgebaut, den ich übernommen habe. Seit über 20 Jahren pendle ich deshalb dreimal in der Woche auf die Insel und schau nach meinen Baustellen. Mein Zuhause aber ist und bleibt Neukirchen.

Was ist das Besondere am Baugeschäft auf Sylt? Trifft man dort auf Promis und muss Hausschuhe auf der Baustelle tragen, um das Fundament nicht  zu zerkratzen?

Ja, Promis trifft man schon ab und zu, beispielsweise Jürgen Klopp oder Günther Jauch. An einigen Bauobjekten arbeiten wir auch mit sehr hochwertigem Material, das auf dem Festland seltener bestellt wird, zum Beispiel mit Marmorfliesen. Trotzdem tragen wir natürlich immer Arbeitsschuhe! Der wichtigste Unterschied zum Festland ist ein anderer: Der Untergrund ist sandig! Während wir auf dem Festlandständig ‚Klei unter den Hacken’ haben, also Lehmböden vorfinden, wird hier auf Sand gebaut. Grundsätzlich ist das gar kein Problem, doch in Hörnum und List zum Beispiel, wo sich hohe Dünenlandschaften befinden, bewegt sich der Sand, wenn die Feuchtigkeit verschwindet. Wir sagen dann: „Das Haus fängt an zu laufen!“ Deshalb setzen wir manchmal eine Notspundung oder schaffen vorher flache Böschungen. Bei viel Regen können diese allerdings wieder mit Nässe zulaufen. Bauen auf Sylt ist eine große Herausforderung! Aber genau das ist auch das Spannende. Wir finden immer eine Lösung!

Baustellentour auf Sylt mit Broder Ingwersen - Firmenchef von Ingwersen Bau

Broder Ingwersen – Firmenchef von Ingwersen-Bau

Auf Sylt gibt es viel zu tun. Täglich pendeln tausende Menschen mit dem Zug zwischen Niebüll und Westerland. Wie zuverlässig ist die Verbindung?

Die Zugverbindung ist immer wieder ein Thema, aber im Großen und Ganzen klappt es ganz gut. Es gibt ja auch keine Alternative. Morgens zur Stoßzeit sind die Züge voll, abends entspannt sich die Lage. Meine Gesellen fahren je nach Objekt nach Morsum, Keitum oder Westerland, steigen dort in unsere Busse und fahren gemeinsam zur Baustelle. Alle Mitarbeiter verfügen über eine Jahreskarte, sodass sie für die Fahrt nichts bezahlen müssen.

Lieber Herr Ingwersen, eine Frage können wir Ihnen nicht ersparen. Wieso haben Sie zurzeit keine Auszubildenden?

Das liegt allein an der Tatsache, dass ich momentan mit der Übergabe meiner Firma beschäftigt bin. Mit 65 Jahren werde ich jetzt kürzer treten. Mein langjähriger Geselle Dominick Stöver, der vergangenes Jahr seinen Meistertitel erworben hat, wird den Betrieb übernehmen. Wenn das alles geregelt ist, werden wir auch wieder ausbilden. Zum September 2019 stehen voraussichtlich wieder Ausbildungsplätze zur Verfügung.

Mit 65 Jahren werde ich jetzt kürzer treten.

Viele Schülerinnen und Schüler glauben, dass Maurer nur im Dreck stehen und im Alter von 30 Jahren chronische Rückenschmerzen bekommen. Haben sie recht?

Nein, das war früher eventuell so. Nächstes Jahr feiere ich mein 50-jähriges Jubiläum im Bauhandwerk und ich fühle mich immer noch topfit! Vieles hat sich positiv verändert. Zu meiner Lehrzeit gab es noch 50-Kilosäcke Mörtel. Davon habe ich manchmal zwei getragen, was sicherlich nicht besonders schlau war. Solche Gewichte sind nicht mehr üblich. Damals haben wir Maurer auch alles mit der Hand ausgeschachtet. Heutzutage übernehmen das größtenteils Tiefbaufirmen. Schalungen bauen wir nicht mehr selbst, sondern setzen angelieferte Systemschalungen ein. Beton wird angeliefert und fließt über Pumpen in die Schalungen, Baukräne liefern das Material an, und Steine setzen wir kaum noch per Hand, sondern setzen fertige Quadratmeterblöcke mit dem Minikran. Mithilfe dieser Technik werden  Erdgeschosse heute innerhalb von ein bis zwei Tagen gebaut. Entsprechend haben sich die technischen Ansprüche verändert. Maurer müssen heutzutage moderne Maschinen und Werkzeuge beherrschen!

Maurer müssen heutzutage moderne Maschinen und Werkzeuge beherrschen!

Würden Sie heute etwas anders machen, wenn Sie noch mal 18 Jahre alt wären?

Das glaube ich nicht, obwohl mich das Thema IT schon gereizt hätte. Als ich damals zur Bundeswehr einberufen wurde, bot man mir eine Ausbildung zum Elektroniker an. Ich sollte deshalb auf eine Sprachenschule, damit ich anschließend eine Teilausbildung in den USA absolvieren könne. Da hatte ich aber gerade meine Frau kennengelernt und war frisch verliebt. Also hab ich gesagt: Quatsch, ich bin Maurer und bleibe hier. Wer weiß, vielleicht hätte ich sonst Bill Gates in der Garage kennengelernt, als er Microsoft gegründet hat. Aber ganz ehrlich: Warum sollte ich etwas bereuen? Mehr als Glücklichsein geht nicht!

Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Bleiben Maurer auf der Baustelle unentbehrlich?

 Ja, selbstverständlich! Unsere Arbeit kann niemand übernehmen, auch keine Maschinen. Außerdem sind wir Handwerker extrem anpassungsfähig. Wenn sich Bedingungen verändern, beschäftigen wir uns damit, stellen uns darauf ein und finden neue Lösungen.

TEXT Christian Dorbandt
FOTOS Michael Ruff