Nelly Oelze ist Professorin für Betriebswirtschaft, Marketing und Supply Chain Management an der Hochschule Flensburg. Studiert hat sie European Business in Cambridge, Berlin und Groningen. Ihr Wechsel in die Wirtschaft führte sie unter anderem ins Key Account Management eines großen deutschen Medienunternehmens. 2014 promovierte sie zum Thema „Nachhaltige Lieferketten“. Bevor sie im Sommersemester 2018 ihre Professur an der Hochschule Flensburg antrat, lehrte und forschte die 40-jährige Hamburgerin an der Leibniz-Universität Hannover. In Flensburg lehrt sie im Studiengang Betriebswirtschaft (B.A.) mit den Schwerpunkten Marketing und Operations & Supply Chain Management.
ME2BE Campus: Hallo, Frau Professorin Oelze. Seit dem Sommersemester 2018 verstärken Sie den Fachbereich Wirtschaft an der Hochschule Flensburg. Haben Sie sich eingelebt?
Nelly Oelze: Ja, auf dem Campus finde ich mich schon gut zurecht. Allerdings bin ich noch nicht dazu gekommen, mein Büro optimal einzurichten.
Wie empfinden Sie die Atmosphäre an der Hochschule?
Die Atmosphäre empfinde ich als sehr persönlich. Es gibt hier einen schönen Zusammenhalt. Der Campus ist großartig! Hier kann man wunderschön spazieren gehen, und wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich Kaninchen durch das Gras hoppeln. Herrlich!
Sie haben nach ihrem Studium bei einem weltweit tätigen Konzern im Management gearbeitet. Wann zog es Sie zur Forschung und Lehre?
Als ich festgestellt habe, dass ich verschiedene Entscheidungen des Unternehmens ethisch nicht mittragen kann. Im Einkauf des Unternehmens wurde ausschließlich der Preis priorisiert, und in Personalangelegenheiten konnte ich selten angemessene Gehälter durchsetzen. An diesem Punkt entschied ich mich, das Unternehmen zu verlassen.
Als Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre widmen Sie sich unter anderem dem Thema ‚Nachhaltige Lieferketten’. Was wird damit beschrieben?
Der Fachbegriff ‚nachhaltige Lieferketten‘ meint, dass die mit der Wertschöpfung von Unternehmen verbundenen ökologischen und sozialen Herausforderungen nicht allein, sondern nur entlang der gesamten Lieferkette gelöst werden können.
Die Realität sieht oft anders aus. Noch immer lassen manche Unternehmen ihre Waren unter fragwürdigen Bedingungen im Ausland produzieren und geben vor, dafür nicht verantwortlich zu sein. Wie lässt sich das ändern?
Indem wir Unternehmen noch stärker in die Verantwortung nehmen und bewusst machen, dass Ökologie, Ökonomie und Soziales keine Gegensätze sein müssen. Stehen diese drei Aspekte im Einklang, wird daraus wahrscheinlich ein nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg entstehen. Viele Firmen beschäftigen sich mittlerweile mit Nachhaltigkeitsstrategien.
Ein weiteres Thema, mit dem Sie sich intensiv beschäftigen, ist ‚Ethischer Konsum’. Verbraucher können Einfluss nehmen, wenn sie nachhaltig produzierte Waren kaufen? Ist doch ganz einfach, oder?
Theoretisch schon, aber Verbraucher verfügen über zu wenig Informationen. Wenn Sie in einem Discounter zwei T-Shirts für 1 Euro erwerben, können Sie davon ausgehen, dass diese Ware nicht nachhaltig produziert wurde. Im Umkehrschluss haben Sie beim Kauf eines vierzig Euro teuren Designer-Shirts keine Nachhaltigkeitsgarantie. Nur wenige Unternehmen kommunizieren transparent über ihre Lieferketten und noch zu wenige Verbraucher interessieren sich dafür. Außerdem existieren unterschiedliche ethische Überzeugungen. Was ist ethischer? Der Kauf von Bio-Lebensmitteln oder von Produkten regionaler Erzeuger? Ein weiterer Aspekt ist, dass wir mehrheitlich noch mit einer Schere im Kopf konsumieren. Wir verstehen zwar die Notwendigkeit nachhaltiger Produktion, richten unsere Kaufentscheidung allerdings noch zu oft nur am Preis aus.
Wie lassen sich solche Themen praxisnah studieren?
Indem wir mit Studierenden regelmäßig Unternehmen besuchen und uns Lieferketten anschauen oder Projekte anbieten, in denen sich Studierende über einen längeren Zeitraum mit der Thematik befassen können. Durch diese praktischen Erfahrungen in realen Projekten erleben die Studierenden hautnah, wie gezielte wirtschaftliche Fragestellungen umgesetzt werden. Anstatt Unternehmen nur theoretisch zu untersuchen, geht es darum, vor Ort selbst zu erleben, wie schwierig es ist, bestimmte Nachhaltigkeitsstandards entlang von Wertschöpfungsprozessen zu implementieren.
Die Bewegung ‚Fridays for Future’ fordert ein schnelles Umdenken in Umwelt- und Klimaschutzfragen. Haben Sie die Hoffnung, dass Ihre Studierenden das irgendwann umsetzen können?
Ja, die habe ich. Junge Generationen beschäftigen sich heute bereits frühzeitig mit ‚Work-Life-Balance’ und ganzheitlichen Lebensentwürfen. Da ändert sich etwas im Denken und Handeln. Viele wollen tendenziell wieder stärker mit der Natur im Einklang leben, bewusste Kaufentscheidungen führen, weniger Müll produzieren und Waren öfter tauschen.
Vielen Dank für das Gespräch. Wo kann ich den Kaffeebecher entsorgen?
Einfach stehenlassen! Ich werde ihn auswaschen und wiederverwenden.
TEXT Christian Dorbandt
FOTOS Sebastian Weimar