Florian Borcks Ziel ist es, dass jeder Schüler und jede Schülerin einen eigenen Weg für sich findet
An der Ferdinand-Tönnies-Schule unterrichtet Florian Borck Mathematik, WiPo und Weltkunde. Er ist zudem an der Schule für die Berufsorientierung zuständig. Eigentlich alles, was aus schulischer Sicht mit Berufen zu tun hat – vom Praktikum bis zur Ausbildungsmesse – geht über seinen Schreibtisch oder Borck plant und organisiert selbst verschiedene Projekte. Als er noch Schüler war, wusste der heutige Lehrer nicht, welchen Beruf er ergreifen sollte; heute ist es ihm daher umso wichtiger, Schülerinnen und Schüler aktiv bei der Berufswahl zu unterstützen. Als Lehrer im Bereich der Berufsorientierung (BO-Lehrer), fühlt er sich am richtigen Platz und zudem sehr wohl an „seiner“ Schule, an der er seit Anfang 2012 ist.
Welchen Bereich umfasst Ihr Aufgabengebiet als BO-Lehrer?
Zu meinen Aufgaben gehört die Berufsbildung, aber auch die weiterführenden Schulen fallen mit in meinen Aufgabenbereich. Streng genommen bin ich der Beauftragte für die Berufs- und Studienorientierung. Mit dem Studium selbst habe ich hier an dieser Schule nicht direkt zu tun, aber mit den weiterführenden Schulen, die ins Studium münden können.
Was motiviert Sie zu dieser Arbeit?
Die Koordination der Berufsorientierung stellt für mich eine Zusatzarbeit dar, die ich ehrenamtlich zu meiner Vollzeitstelle als Lehrer ausfülle. Das ist quasi mein Beitrag zur Schulentwicklung. Im Grunde genommen bildet mein eigener Berufsweg den Kern meiner Motivation hierfür: Ich habe nach meiner kaufmännischen Ausbildung weiterführende Schulabschlüsse nachgeholt und dann unter anderem WiPo studiert. Damit stand für mich fest, die Berufsorientierung in meine Arbeit zu integrieren. Ich habe viel Freude daran, alleine schon wegen der interessanten Kontakte und des Austausches mit Unternehmen oder Lehrkräften von anderen Schulen.
Warum hat die Berufsorientierung an der FTS einen so hohen Stellenwert?
Wir müssen sichergehen, dass die Schüler nach ihrer Zeit bei uns gut im Beruf oder einem weiterführenden Bildungsweg unterkommen und nicht in beliebige Maßnahmen hineingesteckt werden. Die Schüler müssen im Laufe ihrer Schulzeit, ab der siebenten oder achten Klasse, Ideen entwickeln, was sie einmal beruflich machen möchten. Dazu gehört auch, sich zu überlegen, wie man leben möchte. Wir versuchen, auf diesem Weg Impulse zu setzen und Anregungen zu geben. Wir zeigen Methoden auf, damit die Schüler lernen, Optionen abzuwägen und Möglichkeiten einzuschätzen.
Welches sind die größten Herausforderungen in Ihrer Arbeit als Berufsorientierungslehrer?
Wir müssen immer den Leistungsstand und das Potenzial der einzelnen Schüler berücksichtigen. Für einige Schüler ist es der richtige Weg, in eine Ausbildung zu gehen, für andere, eine weiterführende Schule zu besuchen. Für mich stellt es sich als Herausforderung dar, die Schüler hier individuell zu beraten und ihnen für sie ganz persönlich einen guten Weg aufzuzeigen. Aufklärung ist dabei sehr wichtig.
Welche Möglichkeiten gibt es, wenn ein Schüler weiter zur Schule gehen möchte?
Wir haben viele Schüler, die von der neunten Klasse zunächst in die zehnte gehen und dann mit dem Abschluss nicht gleich ins Berufsleben einsteigen. Wir kooperieren insbesondere mit dem beruflichen Gymnasium. Wer uns nach der zehnten Klasse mit dem Abschluss verlässt, hat ab einem bestimmten Notenbild automatisch die Berechtigung, dort in die Oberstufe einzutreten.
Wie verankern Sie die Berufs- und Studienorientierung im Unterricht?
Wir haben ein durchdachtes Konzept für die Berufsorientierung im Unterricht entwickelt. Diese ist zunächst fest im WiPo-Unterricht verankert, wird aber auch fächerübergreifend integriert. So lernen die Schülerinnen und Schüler im Deutschunterricht beispielsweise das Schreiben von Bewerbungen. Im WiPo-Unterricht gibt es spezifische Einheiten zur Berufsorientierung, die Themen wie Berufskunde, Stärken- und Schwächenanalyse sowie die Vorbereitung und Nachbereitung von Aktivitäten wie Praktika, Messen, Lehrstellenrallye der IHK oder der Messe Vocatium behandeln.
Welche weiteren Angebote bieten Sie?
Wir organisieren Projekttage mit dem örtlichen Klinikum und nehmen an verschiedenen Tagen der offenen Tür teil. Unser umfangreiches Programmangebot wird stets daraufhin überprüft, was für unsere Schülerinnen und Schüler angemessen und gewinnbringend ist, und wann es möglicherweise zu viel wird.
Als Lehrkräfte müssen wir eine ausgewogene Mischung aus Zeitaufwand und interessanten Veranstaltungen finden, um das Thema Berufsorientierung für die Schülerinnen und Schüler lebendig zu halten. Insgesamt legen wir großen Wert auf Praxisnähe, etwa durch den Austausch mit Experten in verschiedenen Formaten wie allgemein Ausbildungsmessen oder natürlich unsere schuleigene Berufsmesse.
Wie und von wem wird diese Berufsmesse organisiert?
Die schuleigene Messe führen wir bereits seit 2012 durch. Ich bin mit der Organisation beauftragt, habe aber viele Helfer von der Schulleitung über den Hausmeister bis zum Mensa-Team; die Kolleginnen und Kollegen nicht zu vergessen. Wir haben viel zu tun, damit eine schöne, entspannte Atmosphäre entsteht und es insgesamt eine gute Veranstaltung wird. Wir begrüßen etwa 30 Firmen und Einrichtungen bei uns in der Schule.
Welche Intention verfolgen Sie damit?
Wir möchten den Schülerinnen und Schülern viele Ausbildungsmöglichkeiten aufzeigen und ihnen die Hemmschwelle nehmen, auf Unternehmen zuzugehen. Oft ist es einfacher, weiter zur Schule zu gehen, aber das ist nicht immer der beste Weg. Die größte Hürde stellt meist nicht der Wunsch dar, sich überhaupt für eine Ausbildung zu entscheiden, sondern die Angst, den ersten Schritt in die Berufswelt zu wagen. Viele junge Menschen scheuen sich davor, sich festzulegen, weil sie denken, dass eine Bewerbung sie für die nächsten Jahre auf ein bestimmtes Berufsfeld festlegt. Es fällt ihnen schwer, eine Entscheidung für ihre mittelfristige Zukunft zu treffen. Die Berufsmesse stellt einen einfachen Zugang zu Unternehmen dar und nimmt ihnen ihre Befürchtungen.
Wie bereiten Sie die Schüler darauf vor?
In der Regel beginnen wir mit der Vorbereitung zwei bis drei Wochen vor der Messe. Bis dahin wissen wir, welche Firmen sich angemeldet haben. Dann haben wir entsprechende Unterrichtsmaterialien an der Hand. Die Schüler können im Internet über die einzelnen Firmen recherchieren und sich, auch mit Hilfestellung der Lehrer, konkret vorbereiten.
Welche neueren Entwicklungen sehen Sie im Bereich der Berufsorientierung?
Kleine und mittlere Unternehmen bevorzugen oft noch eine traditionelle Bewerbung, bei der man persönlich eine Bewerbungsmappe abgibt. Idealerweise hat man vorher bereits ein Praktikum dort absolviert. Größere Unternehmen hingegen erwarten zunehmend Online-Bewerbungen. Es gibt viele Medien und Materialien für junge Erwachsene, wie zum Beispiel von ME2BE (digibo.school), der Agentur für Arbeit, Planet Beruf oder Praktikum Westküste. Diese Ressourcen sind im Laufe der Zeit entstanden und bieten wertvolle Unterstützung.
Wir stellen unseren Schülerinnen und Schülern eine Auswahl an Medien zur Verfügung und geben Empfehlungen. Eine Kombination aus digitalen Angeboten und persönlichen Kontakten hat sich als erfolgreich erwiesen und sollte beibehalten werden. In den letzten zehn Jahren ist das Angebot an lokalen Ausbildungsmessen stark angestiegen, sowohl schulinterne als auch externe Veranstaltungen, etwa von der IHK oder der Handwerkskammer. Heutzutage müssen sich Unternehmen aktiv an Schulen wenden, um Nachwuchs zu gewinnen.
Wie sollte die ideale Berufsorientierung aussehen?
Neben der Schule spielt das Elternhaus eine entscheidende Rolle bei der Berufsfindung und -entscheidung. Alle Beteiligten – Schule, Elternhaus, Berufsberatung, externe Fachleute, Unternehmen und natürlich die Schülerinnen und Schüler selbst – wirken zusammen. Wenn diese Zusammenarbeit gelingt, kann eine wirklich effektive Berufsorientierung erreicht werden.
TEXT Hilke Ohrt
FOTO Reinhard Witt