Mehr Zeit zur Orientierung- Ein Gespräch der Elternvertreterin an der FTS

Mehr Zeit zur Orientierung- Ein Gespräch der Elternvertreterin an der FTS

Christiane Bandholz hat einen Sohn in der 7. Klasse, ist seit der 5. Klasse Elternvertreterin an der FTS und seit diesem Jahr Mitglied im Elternbeirat. Darüber hinaus hat sie auch am Gymnasium ihrer Tochter ein Amt als Elternvertreterin inne. Wir haben uns mit der engagierten Mutter unter anderem auch über Zukunftspläne und Ängste der Jugendlichen unterhalten.

Nicht jeder kann oder will sich in der Schule einbringen. Sie machen das gleichzeitig für beide Kinder. Wie lässt sich das mit Ihrer Berufstätigkeit vereinbaren?

Ich war Krankenschwester auf der Intensivstation, bin aber zurzeit nicht berufstätig. Es ist mir ein Anliegen, ihre schulische Laufbahn zu begleiten, und von daher ist meine persönliche Lebenssituation bestens geeignet, mich in diese Ämter einzubringen.

„Schule und was dann?“, heißt es ja so oft. Wie ist Ihre persönliche Erfahrung im Hinblick auf die Berufsorientierung der Schüler?

Ich habe bei dieser Generation den Eindruck, dass die Jugendlichen oftmals gar nicht wissen, was sie machen wollen. Rückblickend gesehen, war das zu meiner Zeit anders. Vielleicht ist mein Eindruck aber auch verklärt. In Gesprächen mit meinen Kindern und ihren Freunden habe ich aber schon das Gefühl, dass sich in dieser Hinsicht einiges verändert hat.

Inwiefern?

Heute möchten die meisten erstmal die Welt entdecken und sich dann weiter orientieren. Ich finde, das ist ein spannendes Phänomen.

Normalerweise möchten Eltern aber doch, dass es nahtlos mit einer Ausbildung oder einem Studium weitergeht?

Darüber habe ich lange nachgedacht. Persönlich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Kinder sich ruhig etwas Zeit nehmen können und mal einiges ausprobieren sollten. Sie sind wirklich noch sehr jung in Bezug auf eine berufliche Festlegung. Eine gewisse Orientierungszeit kann helfen, um Unsicherheiten auszuräumen und klarer zu sehen. Es bringt doch nichts, einfach nur irgendetwas nach dem Schulabschluss zu machen, bloß weil das Umfeld oder die Eltern es erwarten. Das halte ich für falsch. Die berufliche Entscheidung sollte sich entwickeln dürfen. Natürlich gibt es auch Grenzen. Wenn mein Sohn zum Beispiel als Berufswunsch Youtuber ankreuzen würde, würde ich Stopp sagen und über längerfristige Perspektiven mit ihm sprechen.

Vielleicht gibt es aber auch Unsicherheiten in der Berufswahl aufgrund von zu vielen Möglichkeiten. Da schwingt gewiss die Angst mit, sich falsch zu entscheiden. Wäre nicht gerade in diesem Zusammenhang eine frühe Heranführung an das Thema BO wichtig?

Ja, ich gebe Ihnen in beiden Punkten recht. Die Welt hat sich verändert, und die Möglichkeiten sind sehr viel breiter gefächert als früher. Als Mutter habe ich auch das Gefühl, dass die Schulzeit sehr schnell vergeht. Wenn ich überlege, dass die Kinder noch vor Kurzem im ‚Freundebuch‘ als Berufswunsch Treckerfahrer oder Astronaut angegeben haben und sich nun schon mit Wahlpflichtkursen auf Richtungen festlegen sollen, ist das doch nur eine kurze Zeitspanne. Der Schulabschluss steht quasi auch schon vor der Tür. Deshalb finde ich alle Angebote wie Berufsberatung, den Berufsorientierungsunterricht und auch die Messen sehr wichtig und hilfreich.

Einige Eltern sind sehr in der Schule engagiert, andere wiederum nicht. Wie sehen Sie das als Elternvertreterin?

Ich finde das schon sehr schade. Auch Elternabende werden manchmal nicht wahrgenommen. Dabei kann man doch nur etwas verändern, wenn man sich in den Alltag der Kinder, der ja letztendlich auch ein Teil des eigenen Alltags ist, einbringt.

Wie ist Ihr Eindruck bezüglich des elterlichen Engagements während der Coronazeit?

Gemischt! Einige Kinder haben vom Homeschooling profitiert. Auch wenn ich nicht ständig neben meinem Sohn gesessen habe, hatte ich schon das Gefühl, dass ihm die Möglichkeit, immer mal nachzufragen, geholfen hat. In der Schule traut sich der ein oder andere Schüler vielleicht nicht zu sagen, wenn er was nicht verstanden hat. Häusliche Umstände und auch digitale Möglichkeiten waren für viele Eltern ein Problem, auch wenn sich die Schule sehr viel Mühe gegeben hat, hier entgegenzusteuern.

Welches WPU-Fach hat ihr Sohn gewählt?

Zu meinem Erstaunen hat er sich für ‚Verbraucherbildung‘ entschieden, denn eigentlich schraubt er gerne und bastelt an seinem Fahrrad. Ich hatte mit dem Fachgebiet Technik gerechnet, aber er wollte unbedingt das Fach Verbraucherbildung wählen, das die Verflechtung von Medien-, Finanz-, Gesundheits- und Nachhaltigkeitsthemen beleuchtet. In diesem Fach werden Alltagserfahrungen mit Fachwissen verknüpft, und in dieser Hinsicht wollte er unbedingt mehr erfahren, weil es ihn stört, über alltagsnahe Dinge nichts zu wissen.

Was wünschen Sie sich als Elternvertreterin von der Schule?

Ich wünsche mir noch mehr Motivation hinsichtlich der Beteiligung der Eltern und Information. Die Stärkung von Netzwerken untereinander ist enorm wichtig, und die praktische Hilfestellung durch Orientierungsplattformen sollte im Hinblick auf die berufliche Orientierung verstärkt kommuniziert werden. Es hat sich so viel geändert, seitdem wir in der Schule waren. Wie schreibe ich heutzutage eine Bewerbung? ist – nur eine von vielen Fragen, denen wir als Eltern nochmal neu begegnen.

TEXT Anja Nacken
FOTO Reinhard Witt