Jeder, der einen Garten besitzt, kennt die immer wiederkehrenden Arbeiten, wie Baumschnitt, Rasen schneiden und Unkraut zupfen. Was aber, wenn der Garten 14 Hektar groß ist – also eine Fläche von fast 20 Fußballfeldern umfasst? Der Schlossgarten der Stiftung Schloss Eutin hat in etwa diese Größe und muss natürlich ständig gepflegt werden. Nur so kann das kulturhistorische Gartendenkmal für die Besucher aus der ganzen Welt auf Dauer bewahrt werden.
Ohne das entsprechende Know-how, den Einsatz vieler verschiedener Profis und der notwendigen finanziellen Mittel wäre solch ein ambitioniertes Landschaftsprojekt nicht zu stemmen. Wir haben uns bei der “Schlossgärtnerin” – der Leiterin Garten der Stiftung Schloss Eutin – Stephanie Bolz und dem Garten- und Landschaftsbaumeister Jens Rehfeld mal schlau gemacht.
Aber fangen wir von vorne an! Zum Schloss gehört der ca. 14 Hektar große Garten, der das bedeutendste Gartenkunstdenkmal des Zeitalters der Aufklärung (18. Jahrhundert) in Schleswig-Holstein ist. Ebenso wie das Schloss hat sich natürlich auch der Garten im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert. Ein sich wandelnder Zeitgeist und Geschmack haben zu unterschiedlichen Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen des Gartens geführt. Die wohl wichtigste Etappe war hier der Wandel vom luxuriösen Barockgarten nach französischem Vorbild (ab 1716 unter Christian August von Schleswig-Holstein-Gottorf) hin zu einem durch Herzog Peter Friedrich Ludwig (ab 1786) angelegten Englischen Landschaftsgarten.
Gärten als Ausdruck kultureller Entwicklung
Die Geschichte der Gärten und die der Gartenkunst beginnt schon weit vor Christi Geburt mit der Sesshaftwerdung der Menschen. In Europa wurden die Epochen der Renaissance, des Barocks und der Aufklärung als besonders stilprägend für den Bereich der Gartenkunst. Im Barock wurden repräsentative Gärten quasi mit Lineal und Zirkel geplant. Die neue „Berufsgruppe der Gartenarchitekten” konstruierte Anlagen, die von der Erkenntnis über die Beherrschbarkeit der Natur zeugten und den Schönheitssinn ihrer Auftraggeber dokumentierten. Das wohl berühmteste erhaltene Beispiel sind die Gärten von Versailles, die durch den Pionier der barocken Gartenkunst André Le Nôtre gestaltet wurden. Kein Strauch wuchs einfach nur so, sondern wurde sorgfältig in eine Gesamtkomposition aus Brunnen, Fontänen, symmetrischen Beeten, Wegen, Skulpturen, Hecken-Labyrinthe u.ä. eingebunden. Ziel war es, das erworbene Wissen über Naturgesetze zu demonstrieren sowie die Stellung des Auftraggebers und die Architektur des Schlosses nach außen sichtbar zu machen.
Barockgarten: Johann Christian Lewon, Prospect des Schloßes von der Garten Seite, um 1743
Bereits einige Jahrzehnte später hatte sich der Geschmack durch den gesellschaftlichen und politischen Wandel geändert. Im Zeitalter der Aufklärung wurde die Liebe und Verehrung zur Natur neu entdeckt und stand in starkem Gegensatz zu den strengen geometrischen Linien und der Symmetrie der Renaissance- und Barockgärten. Der Englische Landschaftsgarten wurde das Ideal für aufgeklärte Zeitgenossen. In England entwickelte sich der neue Stil zuerst und fand, im Falle des Gartens von Schloss Eutin, durch Studienreisen des Herzogs nach England sowie durch die Schriften des Kieler Gartentheoretikers Cay Christian Lorenz Hirschfeld (1742-1792), seine Gestaltungsgrundlage.
Englischer Landschaftsgarten: Schloss Eutin 2021
Geordnete Natürlichkeit
Englische Landschaftsgärten sind durch naturnahe Landschaftselemente und organische Gestaltung geprägt. Die Strenge der exakt angelegten Beete und beschnittenen Hecken des Barocks entsprachen nicht mehr dem neuen Zeitgeist. Natur und Natürlichkeit der Landschaft traten in den Vordergrund. Aber auch in diesem Garten wurde nichts dem Zufall überlassen. Die Natur wurde weiterhin von Menschenhand gestaltet, jedoch mit der Idee dem Idealbild des naturnahen Designs zu entsprechen. Die Gartenarchitekten nutzten weite Flächen, legten kurvige Pfade, verträumte Ecken mit Brücken, Gewässern, Wasserfällen, Brunnen, Tempeln und Statuen an und gestalteten optische Eindrücke in der Art, wie ein Maler ein Landschaftsgemälde anlegt. Natur und Kunst, Nutzen und Schönheit, Gefühl und Verstand wurde zu einem Garten- Gesamtkunstwerk zusammengefügt. Diese äußerst kunstvoll geschaffenen Naturbilder sind, nicht zuletzt durch umfangreiche Sanierungsarbeiten zur Landesgartenschau 2016, in Eutin bis heute sichtbar.
Der Küchengarten Schloss Eutin – Vielfalt in jeder Hinsicht
2007 begann man mit Überlegungen zur Revitalisierung des zwei Hektar großen Küchengartens. Früher waren Küchen- und Obstbaumgärten auch mit Kräutern und Heilkräutern für die Versorgung de Hofes unverzichtbar. Viele Jahre hatte das Gelände brach gelegen und wurde bis 2016 mit Fördermitteln der EU, des Bundes, des Landes Schleswig-Holstein, der Stadt Eutin, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und privater Sponsoren saniert. Der Anbau historischer Pflanzenarten und -sorten, unter der Ägide des Landschaftsarchitekturbüros Franz, wurde zu einer der gärtnerischen Attraktionen der Landesgartenschau. Der Küchengarten gehört genau wie der Schlossgarten zur Stiftung Schloss Eutin. Schautafeln im Küchengarten geben wissenswerte Einblicke in historisches Gärtnern und das Revitalisierungsprojekt. Neben der Wiederherstellung der Ziegelmauer, die für ein mildes Klima im Garten sorgt, wurde auch die barocke Orangerie von 1750 und das Neuholländerhaus saniert. Die Orangerie wurde ursprünglich dazu genutzt, frostempfindliche Pflanzen über die Wintermonate zu bringen. Zitronen und Orangenbäume gehörten zu diesen Pflanzen und gaben dem Bau seinen Namen, der heute für Konzerte, Lesungen und Feste genutzt wird.
Die Stiftung Schloss Eutin ist sehr dankbar für das Engagement von mehr als 60 ehrenamtlichen Aktiven und das Engagement der Sparkassenstiftung Ostholstein. Ohne die Mithilfe vieler Ehrenamtlicher wäre der Erhalt des Küchengartens schwer vorstellbar. Hier engagieren sich Menschen, die Freude am Nutzpflanzengarten und der Bewahrung alter Sortenvielfalten haben. Damit interessante Kurse oder Führungen auch weiterhin in diesem erholsamen Ambiente stattfinden können, werden jede Menge helfende Hände gebraucht, die laut Stephanie Bolz herzlich willkommen sind. Und sie fügt erklärend hinzu:
„Unsere ehrenamtliche Helfer gestalten, pflegen und bewirtschaften die sogenannten Projektgärten im Küchengarten. Projektgärten sind einzelne Beetflächen, die zwischen 300 und 350 qm groß sind und einem Motto folgen. So gibt es einen ‚Hildegard-von-Bingen Garten‘, einen Garten zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt, einen Heil- und Giftpflanzengarten und den Garten ‚Neu Wurzeln´, in dem seit drei Jahren Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan ihr landestypisches Gemüse anbauen und so ein wenig Heimat mit in ihr neues Zuhause bringen”. Die Arbeit sei für alle ein Gewinn. Fast täglich treffe man die ambitionierten Gärtner in ihren Anpflanzungen. An jedem ersten Freitag im Monat stehen sie auch für die Fragen der Besucher zur Verfügung und geben ihre Erzeugnisse gegen eine Spende an Interessierte ab. “Hier findet man schnell Kontakt, und wenn sich einer der Besucher vorstellen kann, im Küchengarten mitzuhelfen, so kann er sich gerne direkt im Schloss Eutin melden“, ergänzt Stephanie Bolz.
Noch ein Tipp: Eine engagierte Pädagogin begeistere Kinder im Vorschulalter für die Geheimnisse und kleinen Wunder des Gartens, indem sie Kita-Gruppen einen erlebnis- und lehrreichen Vormittag im Küchengarten bereitet. Dieses Programm ist für die Kitas kostenfrei und kann von allen Kindergärten und Tagesmüttern in der Region wahrgenommen werden. Einige Kindergartengruppen haben sogar schon ihren eigenen Gartenbereich, den sie regelmäßig besuchen und pflegen.
Gartenpflege im großen Stil
Die bei weitem größte Pflege brauchen aber die großen Flächen des Schlossgartens. Die Alleen mit den alten Baumbeständen, die Spazierwege und vieles mehr müssen regelmäßig gepflegt werden. Seit Jahren kümmern sich die Angestellten des städtischen Baubetriebshof um den Bestzustand für die Besucher. Keine leichte Aufgabe, das weiß vor allem Jens Rehfeld, der sich dieser Aufgabe lange Zeit schon widmet. Weil er seinen Beruf so liebt, stellt er mit großem Bedauern fest, dass sich immer weniger junge Menschen für den Beruf des Garten- und Landschaftsbauers interessieren, obwohl er so viele interessante Aspekte vereint. Es gehe gerade im Falle des Schlossgartens nicht nur ums Mähen, sondern um das fachliche Verständnis von Botanik, Geschichte und die Bewahrung dieses einzigartigen Kulturdenkmals. Auch wenn der städtische Baubetriebshof nicht selber in diesem Bereich ausbildet, weiß Jens Rehfeld, dass es doch genügend Garten- und Landschaftsbauer in der Umgebung und gesamt Schleswig-Holstein gibt, die ein fundiertes Wissen über relevante Themen vermitteln. Daher rät er zu einer Ausbildung: „Im Falle der professionellen Pflege solch außergewöhnlicher Gartendenkmale wird Nachwuchs ganz besonders dringend benötigt. Und eins ist sicher! Der Erhalt dieses kulturellen Erbes für die jetzige und auch nachfolgenden Generationen ist genau das, was gerade in unserem schnelllebigen Zeitalter des stetigen Wandels sehr weitsichtig und sinnstiftend ist.”
Wer mehr über den Beruf Garten- und Landschaftsbauer oder Landschaftsarchitekt erfahren möchte, kann sich hier auf unserer DIGI.BO Seite Infos einholen.
TEXT Anja Nacken
FOTOS Mit freundlicher Genehmigung der Stiftung Schloss Eutin, Roeßler, Heinze