Jeder träumt davon, einmal auf den „Brettern, die die Welt bedeuten” zu stehen, auf den kleinen und großen Konzertbühnen der Welt. Die wenigsten wissen aber, wie aufwendig und mühsam es ist, Konzerte und Festivals zu planen und durchzuführen.
„Ein Festival zu veranstalten, ist eine große organisatorische Herausforderung.“
Wenn Musiker auf Reise gehen, dann reicht ihnen nur selten eine Wandergitarre aus. Instrumente, Verstärker, die Crew und die Musiker selbst müssen von Ort zu Ort und von Land zu Land befördert werden. Manchmal mit dem Flugzeug, aber in der Regel mit Nightliner-Bussen, „rollenden Hotels” mit bis zu 18 Betten, in denen die Künstler und ihre Mitarbeiter während der Tournee schlafen und leben.–
Bei der größten Tour aller Zeiten, der „360° Tour” der irischen Supergruppe U2, waren etwa 200 LKWs im Einsatz. 108 LKWs waren für die Beförderung der riesigen Bühnenkonstruktionen zuständig, in 50 LKWs wurde das Sound-, Licht- und Videosystem befördert und in den restlichen Trucks fanden Instrumente, Merchandisingartikel, Küchen und Lebensmittel Platz.
Und das alles für nur eine Band.
Wir arbeiten das ganze Jahr über 50 Stunden pro Woche daran, die Veranstaltung auf die Beine zu stellen.
Auf dem Reeperbahn Festival, Deutschlands größtem Clubfestival, treten 350 Künstler in 70 Spielstätten rund um die Reeperbahn und den Spielbudenplatz auf. In Konzerthallen wie der „Großen Freiheit 36”, Clubs wie dem „Uebel & Gefährlich” im Bunker an der Feldstrasse, in Bars und Theatern, Galerien und außergewöhnlichen Orten wie der St. Pauli Kirche. Beim Reeperbahn Festival verwandelt sich ganz St. Pauli jedes Jahr für ein paar Septembertage in eine riesige Jukebox. An jeder Straßenecke und in jedem halbwegs besuchertauglichen Laden gibt es Musik zu hören. Aus Deutschland, aber auch aus Großbritannien, den USA, Kanada, Südostasien, aus Skandinavien und aus Osteuropa. Das Festival ist die erste Anlaufstelle für die Popkultur von morgen und zwingt seine Besucher dazu, sich auf Neues einzulassen. 90 Prozent der Bands sind unbekannt oder höchstens Geheimtipps und hoffen, ebenso wie die Beatles Anfang der 1960-er Jahre, im Herzen von Hamburg ihren Durchbruch zu schaffen. Bekannte Künstler wie Clueso, Cro, Mumford and Sons, Gotye, Bon Iver und Biffy Clyro sind bereits vor Jahren auf dem Festival aufgetreten. Im Jahr 2013 hat dort „Gloria”, die Band von Fernsehmoderator Klaas Heufer-Umlauf, dem Klaas von „Joko und Klaas” („Joko gegen Klaas – Das Duell um die Welt”, “Circus HalliGalli” und jetzt „Late Night Berlin“auf ProSieben) und Mark Tavassol von „Wir sind Helden” ihr erstes öffentliches Konzert gegeben.
ME2BE traf Alexander Schulz, den Veranstalter des Reeperbahn Festivals, zum Gespräch. Er organisiert seit 2006 zusammen mit der Hamburger Konzertagentur Karsten Jahnke das Festival.
Alexander, woher stammt die Idee, ein Festival auf St. Pauli zu veranstalten?
Die Idee für das Reeperbahn Festival ist mir vor vierzehn Jahren auf dem South By Southwest-Festival (SXSW) in den USA gekommen. SXSW findet seit 1987 jedes Jahr in Austin, Texas, statt und präsentiert Newcomer-Bands, neue Filme und interessante Startups aus der digitalen Welt. Viele bekannte Künstler hatten ihren Durchbruch auf dem Festival, John Mayer, The White Stripes und die Strokes zum Beispiel. Ähnlich wie das Reeperbahn Festival findet auch das SXSW vornehmlich auf einer Straße, der 6th Street in der Innenstadt von Austin, statt. Dort gibt es etliche Bars und Musikclubs, durch welche die Festivalbesucher abends schlendern und sich die verschiedensten Bands und Musikrichtungen anhören. Die Atmosphäre auf der 6th Street hat mich stark an die Reeperbahn und St. Pauli erinnert und so habe mir gedacht: „Wieso mache ich so etwas nicht zu Hause?”
Wie waren die Anfangsjahre des Festivals?
Schlecht. Unsere Premiere im Jahr 2006 ist richtig gefloppt. In den ersten Jahren haben wir eine Menge Geld verloren, das Profil des Festivals aber immer weiter geschärft. Unser Konzept eines Festivals für Newcomer und unbekannte Bands hat hier niemand verstanden. Das war hierzulande völlig neu. Die Leute haben gefragt, wer denn der Headliner, die Hauptband, ist. Darauf habe ich immer geantwortet: „Das Konzept und die Marke sind bei uns die Headliner”. Es hat einige Jahre gedauert, die Leute davon zu überzeugen, dass man keine große und bekannte Band braucht, um ein Festival zu veranstalten.
Wie wählt ihr die Künstler aus, die bei euch auftreten?
Auf drei Arten. Wir erhalten jedes Jahr ungefähr 3.000 Initiativbewerbungen von Bands aus Deutschland, Österreich und der Schweiz über unsere Homepage. Daneben schlagen uns auch unsere Partner im Ausland Bands vor. Und manchmal fragen wir direkt bei dem Management von Bands nach, die uns interessieren.
Wie aufwendig ist es, ein solches Festival zu organisieren?
Sehr aufwendig, das ist ein echter Fulltime- Job. Wir arbeiten das ganze Jahr über mit einem Team von sechs bzw. fünfzehn Mitarbeitern (im 2. Halbjahr) 50 Stunden pro Woche daran, die Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Wenn man mit so vielen Bands, Clubs, Bars, Hotels, Medienpartnern und Sponsoren zu tun hat, ist das einfach eine extrem große organisatorische Herausforderung.
Informationen zum Reeperbahn Festival erhaltet ihr unter:
www.reeperbahnfestival.com
TEXT Slaven Marinovic