„Eigenmotivation ist das Allerwichtigste!“

„Eigenmotivation ist das Allerwichtigste!“

Interview mit dem Basketballprofi Marvin Willoughby

Der ehemalige Basketballprofi Marvin Willoughby wurde als Sohn einer deutschen Mutter und eines nigerianischen Vaters in Hamburg-Wilhelmsburg geboren. Er begann seine sportliche Karriere beim TS Harburg und wechselte 1998 nach Würzburg, wo er zusammen mit dem späteren NBA-Superstar Dirk Nowitzki in der ersten Basketball-Bundesliga spielte. Willoughby gewann zweimal den Liga-Pokal und absolvierte 42 A-Länderspiele für Deutschland. Heute trainiert Willoughby die U16-Nationalmannschaft und die „Piraten Hamburg“, die in der Nachwuchs- und Jugend-Basketball-Bundesliga spielen. Er ist außerdem Hauptverantwortlicher des Vereins „Sport ohne Grenzen“ und Initiator der Inselakademie und der Profimannschaft „Hamburg Towers”, die von 2014 an in Wilhelmsburg spielen soll.

Marvin, du bist in den achtziger Jahren in Wilhelmsburg aufgewachsen. Wie war Wilhelmsburg damals?
Ein Mann in brauner Lederjacke lächelt in die Kamera.
Sehr „multikulti”. Ich bin mit Kindern aus der Türkei und aus dem ehemaligen Jugoslawien aufgewachsen. Der Großteil meiner Schulkameraden waren Ausländer, wir hatten in unserer Klasse nur vier richtige Deutsche. Ich habe deshalb früh viele unterschiedliche Kulturen, Sitten und Bräuche kennengelernt. Das war ein echter Gewinn. Wenn man in einem solchen Umfeld aufwächst, entwickelt man ganz früh wichtige soziale Fähigkeiten wie Toleranz und Respekt.

Andererseits hatte Wilhelmsburg damals einen sehr negativen Ruf im Rest der Stadt. Wenn man in der Innenstadt unterwegs war und gesagt hat, dass man von hier kommt, haben die Leute nur die Stirn gerunzelt. Wilhelmsburg galt als ein gefährlicher Stadtteil, in dem man abends kaum das Haus verlassen kann.

Ich habe die Gegend ganz anders erlebt. Klar, es gab schon manchmal Stress und ein paar kriminelle Jugendliche. Aber Wilhemsburg hatte auch andere Seiten. Der Stadtteil ist sehr grün und überall ist das Wasser in der Nähe. Meine Mutter kommt aus einer alteingesessenen Hamburger Familie und wir hatten viele Verwandte in der Nachbarschaft.

Was waren deine Hobbys?
Ich habe viel Sport gemacht und einige Sportarten ausprobiert. Sogar Schach (lacht). Zum Basketball bin ich aber erst spät gekommen, mit 14 Jahren. Ich wurde immer gefragt, wieso ich mit meinen zwei Metern nicht diesen Sport ausübe und mich stattdessen beim Fußball abmühe, wo eine solche Körpergröße eher ein Nachteil ist als ein Vorteil.

Ich hatte eine ideale Statur für Basketball. Ich war groß, athletisch und ich hatte Talent. Nach einem Jahr im Verein habe ich schon in der Hamburger Auswahl gespielt und bald darauf wurde ich Jugendnationalspieler.

 „Man lernt mit seinen Mitspielern vernünftig umzugehen, man lernt Respekt und man lernt Gewinnen und Verlieren.“

Mit 19 Jahren hast du dann Dirk Nowitzki kennengelernt.
Ja, wir haben zusammen für Würzburg in der ersten Basketball-Bundesliga gespielt. Das war eine ganz tolle Zeit. Wir waren die jungen Wilden und haben spektakulären Basketball gezeigt. Dirk und ich sind damals Freunde geworden und haben viel mit seinem Trainer Holger Geschwindner trainiert. Die Trainingseinheiten mit Dirk und Holger haben mich sehr weitergebracht, wobei es auch manchmal frustrierend war, gegen Dirk zu spielen. Er war schon damals ein absoluter Ausnahmesportler.Ein Plan einer Bundesliga-Sporthalle

Geschwindner gilt als der „Macher” von Nowitzki. Hat dich sein Stil als Trainer beeinflusst?
Ja, sehr. Das wichtigste für Geschwindner war Eigenmotivation. Er hat mich nicht ein einziges Mal angerufen und gefragt, ob ich mit ihm trainieren will. Er hat sich selbst bei Dirk nie von sich aus gemeldet.

Ich mache es genauso. Ich erwarte von meinen Spielern, dass sie Eigeninitiative zeigen. Man kann andere nur ein Stück weit tragen, irgendwann müssen sie ihren Weg selbst gehen. Viele erfolgreiche Sportlern sagen, dass der Schlüssel zu ihrem Erfolg nicht ihr Talent war, sondern ihr Ehrgeiz. Das war auch bei mir so. Ich war unendlich ehrgeizig und wollte immer besser sein als alle anderen.

2006 musstest du deine Karriere wegen einer Verletzung beenden. Hast du zuviel trainiert?
Nein, ich hatte einfach nur Pech. Ich bin beim Joggen umgeknickt und ein paar Wochen später hieß es, dass ich einen Knorpelschaden habe und meine Profikarriere an den Nagel hängen kann. Das war hart.

Wie kam es zu der Gründung des Vereins „Sport ohne Grenzen”?
Nach meiner Verletzung habe ich zusammen mit Freunden ein kleines Basketballcamp für Jugendliche aus Wilhelmsburg organisiert, das von den Eltern sehr positiv aufgenommen wurde. Einige Mütter haben uns geschrieben, dass ihre Kinder seit dem Camp mehr auf ihre Ernährung achten und ein Vater hat berichtet, dass sein Sohn einen Streit zwischen zwei Gleichaltrigen geschlichtet hat, die sich normalerweise geschlagen hätten.

Der Plan für ein basketball-Spiel.Wir haben da gemerkt, dass wir den Jugendlichen mehr beibringen können als nur Korbleger und Dreier, sondern auch soziale Fähigkeiten. Von da an haben wir Basketballcamps für Jugendliche aus sozialen Brennpunkten veranstaltet. Dort wurde viel trainiert, aber auch viel geredet. Wir haben den Jugendlichen erklärt, dass sie durch Sport ihre Disziplin, ihre Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit verbessern und dass sie lernen, im Team zu denken. Ein Basketballteam ist der Mikrokosmos der Gesellschaft. Man lernt mit seinen Mitspielern vernünftig umzugehen, man lernt Respekt und man lernt Gewinnen und Verlieren.

Vergangenheit schon einige Versuche, Profibasketball in der Hansestadt zu etablieren…

…die aus verschiedenen Gründen gescheitert sind. Es gab zum einen keine passende Halle. Die o2 Arena hat 10.000 Plätze, aber zum Basketball kommen durchschnittlich nur 4.000 Zuschauer. Es fehlte außerdem ein Konzept, wie man junge Talente aus Hamburg unterstützt und zu Basketballprofis ausbildet.

Die Ausgangslage ist bei den „Hamburg Towers” glücklicherweise besser. Wir haben mit der Halle im Inselpark eine ideale Basketballhalle und fördern mit den „Piraten Hamburg” schon lange den Basketballnachwuchs aus der Region.Ein Mann in brauner Lederjacke deutet mit dem Arm in eine Richtung.

TEXT Slaven Marinovic 
FOTOS Teresa Horstmann