Modernes „Bauingenieurwesen“ (B. Eng.) an der Fachhochschule Kiel
Die Situation ist dramatisch! Während Politik und Wirtschaft kräftig in die Sanierung maroder Brücken, Kanäle, Deiche, Schleusen und Straßen investieren, fehlen landesweit hunderte Fachkräfte, die solche Bauprojekte planen, leiten und umsetzen können. Einziger Ausweg: eine schnelle, nachhaltige Ausbildung von Nachwuchs! Mit dem neu gegründeten Institut für Bauwesen und dem Studiengang „Bauingenieurwesen“ verstärkt die FH Kiel seit dem Wintersemester 2018/19 die Ausbildung angehender Bauingenieurinnen und –ingenieure in Schleswig-Holstein und legt dabei einen Schwerpunkt auf digitale Bautechnologien. Chris und Sebastian von ME2BE CAMPUS haben den Studienalltag der „ersten Kohorte“ unter die Lupe genommen.
„Die Resonanz hat uns überwältigt!“, freut sich Professor Lars Appel, Leiter des noch jungen Instituts für Bauwesen an der FH Kiel. „Auf vorsichtig geplante 40 Studienplätze im Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen erhielten wir rund 220 Bewerbungen. Wir haben deshalb 19 weitere Studierende außerhalb der Kapazität aufgenommen. Ein starkes Signal! Es beweist, dass ein großes Interesse am Bauingenieurstudium in Kiel besteht.“ Zurecht, denn landesweit sind die beruflichen Perspektiven für weibliche und männliche Bauingenieure hervorragend. Bauspezialisten sind gefragte Fachkräfte. Durch ihre Kompetenzen im Verkehrs- und Wasserbau, Tunnel- oder Brückenbau ergeben sich langfristig vielfältige Einsatzgebiete. Vor der Ingenieururkunde steht allerdings ein achtsemestriges, anspruchsvolles Studium.
Studienort und -atmosphäre: neu und funktional
Ingenieure wissen: Aller Anfang ist … Improvisation! Das junge Institut für Bauwesen hat seinen Platz auf dem Campus der FH Kiel übergangsweise in zwei modern ausgestatteten Funktionscontainern gefunden. Langfristig ist ein Neubau mit allen erforderlichen Laboren, fachspezifischen Unterrichtsräumen und Büroräumen geplant. „Für mich stellen die improvisierten Räume überhaupt kein Problem dar“, meint die Studierende Vanessa Skudlik. „Im Gegenteil, wir profitieren in mehrfacher Hinsicht. Zum einen finden wir neue Räume, Tische, Stühle und Rechner vor, zum anderen präsentieren sich die Professoren und Dozenten sehr motiviert, versuchen uns in jeder Veranstaltung mitzureißen, statten uns mit hervorragendem Lehrmaterial aus und sind ständig ansprechbar.“
Curriculum und Kurse: klassisch und modern
Professor Appel lehrt Verkehrswesen, Baubetriebslehre und Bauprojektmanagement. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen freut er sich auf die neue Herausforderung. „Ich war von der Aussicht auf die Neugründung eines bautechnischen Studiengangs hellauf begeistert!“, schwärmt der gebürtige Kasselaner. „Nach dem Studium und der Promotion an der Universität Kassel konnte ich als Geschäftsführer eines schleswig- holsteinischen Bauunternehmens die dramatische Nachwuchssituation jahrelang miterleben. Aus Mangel an Ingenieuren sehen sich momentan viele Unternehmen gezwungen, Bauaufträge abzulehnen. Diesem Zustand entgegenwirken zu können, hat mich besonders motiviert. Darüber hinaus ist es eine reizvolle Aufgabe, Lehrinhalte und Schwerpunkte neu zu definieren und den Fokus auf digitale Bautechnologien zu richten.“
Jan-Malte Hannebeck ist gespannt. „Das Studium ist interessant strukturiert!“, erzählt der gebürtige Kieler. „Mir gefällt, dass neben den klassischen Grundlagenkursen Mathe, Baustatik, Baustofftechnologie und Bauphysik von Beginn an ein permanenter Praxisbezug vorgesehen ist. Beispielsweise lernen wir schon im ersten Semester den Umgang mit ‚Computer Aided Design’, kurz CAD, für die digitale Bauplanung am Bildschirm. Und im Rahmen des studentischen ‚Bau-Ing-Projekts’ konstruieren wir in Kleingruppen ein virtuelles Parkhaus und haben in diesem Zusammenhang mehrere auswärtige Bauwerke besichtigt. Allein vier Stunden sind für das Projekt im Semesterwochenplan vorgesehen! Das zeigt den hohen Stellenwert praktischer Übungen und gestaltet das Studium abwechslungsreich.“
Die Zukunft: Papierlose Baustellen durch „Bauen 4.0″
Die Themen „Digitales Bauen“ und „Building Information Modeling (BIM)“ sollen gezielte Schwerpunkte des Kieler Bau-Studiengangs werden. Was genau steckt hinter diesem Megatrend, der auch unter dem Begriff „Bauen 4.0“ kursiert? „Mithilfe digitaler Technologien, wie ‚BIM’ werden Bauplanungen zukünftig nicht mehr gezeichnet, sondern modular aus Datenbanken zusammengesetzt“, erklärt Dr. Frauke Gerder-Rohkamm, Dozentin für CAD und Bauphysik. „Bauprojekte werden am Bildschirm virtuell simuliert, mit dem Effekt, dass alle an der Bauplanung beteiligten Fachkräfte ihre Elemente hinzufügen können. Probleme können somit frühzeitig erkannt werden, sodass sich sowohl die Kostentransparenz als auch die Termintreue bei Bauvorhaben deutlich erhöht!“
„Ziel des Studiums“, laut Prof. Dr.-Ing. Appel, „ist die optimale Vorbereitung der Absolventen auf ihre Aufgaben als Bauingenieure. Zukünftig wird sich die ‚papierlose Baustelle’ etablieren, auf der Ingenieure ihre Bauprojekte nicht mehr mit ausgerollten Bauplänen, sondern auf dem Monitor verfolgen. Auch der Einsatzbereich wird sich zunehmend vergrößern. Neben den klassischen Positionen in Bauunternehmen, Planungsbüros und Landesbehörden werden Bauspezialisten in der Energie- und Gebäudetechnik und in vielen anderen Bereichen gesucht.“
Das Wort „Ingenieur“ entstammt übrigens dem lateinischen Wort „ingenium“, was übersetzt so viel wie „Begabung“ oder „Erfindungskraft“ bedeutet; eine treffende Bezeichnung, denn nach wie vor benötigen Bauingenieure technisches Talent, räumliches Denken und Kreativität. Das theoretische Fachwissen, jede Menge praktische Anwendungsbeispiele sowie die Faszination des Bauens vermittelt ab sofort der neue Bachelorstudiengang Bauingenieurwesen an der Fachochschule Kiel.
TEXT Christian Dorbandt
FOTOS Sebastian Weimar, FH Kiel, Shutterstock