Blick in die Zukunft: Wie Landrat Björn Demmin den Kreis Plön für kommende Generationen stärkt

Blick in die Zukunft: Wie Landrat Björn Demmin den Kreis Plön für kommende Generationen stärkt

Björn Demmin ist seit zwei Jahren Landrat im Kreis Plön. Der 51-Jährige erzählt im Gespräch mit ME2BE, wie er unter anderem über Bürokratieabbau denkt, die wirtschaftliche Entwicklung einschätzt – und was er sich für den Nachwuchs in seinem Kreis wünscht. 

ME2BE: Welcher Vorteil fällt Ihnen zuallererst ein, der den Kreis Plön ausmacht? 

Landrat Björn Demmin: Wir profitieren von der Nähe zu Kiel. Das betrifft die Universität, Ausbildungsmöglichkeiten, Nightlife und einiges mehr. Die Wohnungssituation in Kiel ist angespannt und teuer. Ich glaube, für viele ist es eine angenehme Situation, in Kiel zu feiern oder zu arbeiten, aber im Kreis Plön zu wohnen. Viele, die einst Plön oder Preetz für das Studium verlassen haben, kehren später wieder zurück. 

Halten Sie die heutigen Bildungs- und Ausbildungsangebote für ausreichend? 

Wir haben über 12.000 Studiengänge in Deutschland. Wenn man sich informiert, sollte man also etwas finden. Es ist eher so, dass man in seinem Freundeskreis schaut, wie sich dieser orientiert oder die Laufbahn einschlägt, die die Eltern schon gemacht haben. Ich kenne nur wenige, die einen ganz klaren Plan im jungen Leben haben und schon immer Steuerberater werden oder Tiermedizin studieren wollten. Meistens wollen Jugendliche doch erst einmal gucken, schnuppern, „Try and Error” machen. 

Wie sieht es mit Angeboten für Sport und Freizeit aus? 

Wir haben eher nicht die gewerblichen Angebote. Natürlich hat jede Stadt mehrere Fitnessstudios, von gut bis günstig. Aber Sportvereine sind natürlich in so einem ländlichen Bereich prägend für sportliche Aktivität. Wir haben mit 80 Seen relativ viele Möglichkeiten, Wassersport zu machen. Kanu, Paddeln, Segeln, das ist natürlich ein Pluspunkt für uns. Die Küste mit Kiten und so weiter. Handball ist hier sehr aktiv. In Preetz, Plön, Mönkeberg. Klar, der Nähe wegen auch Kiel. Handball ist auch bei uns in der Nachwuchsarbeit stark. Das Angebot ist also sehr bunt.

Welche Ausbildungen bietet der Kreis an?

Wir bieten natürlich die klassische Verwaltungsausbildung an. Ob die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten, also drei Jahre Ausbildung in der Verwaltung in Bordesholm mit Praxisbezug und Berufsschule oder das Studium Bachelor of Public Arts in der Verwaltungsfachhochschule in Altenholz. Dann haben wir auch eine Ausbildung im Bereich Veterinäraufsicht, also Tierkontrollen. Im Gesundheitswesen kann man bei uns eine Ausbildung machen. Wir haben eine eigene Klinik, in der Pflegekräfte ausgebildet werden. Wir bieten Ausbildung in der Abfallwirtschaft an und zudem für eigene IT-Azubis. 

Wie suchen Sie für den Kreis?

Wir machen unsere Bewerbungen nur digital. Man muss den jungen Leuten die Hürden nehmen. Ich meine damit nicht die klassische Ausbildung. Aber bei  Initiativbewerbungen muss es so sein, dass der Bewerber eine WhatsApp schreibt und wir uns dann melden. Das heißt nicht automatisch, dass wir dann qualitativ gute Bewerbungen kriegen. Aber wir kriegen wenigstens welche. 

Wie viele Auszubildende stellen Sie jährlich ein? 

Wir haben im Nachwuchs sechs bis acht Verwaltungsfachangestellte, dazu wollen wir pro Jahrgang sechs bis acht Beamte ausbilden. Wir haben jetzt die Babyboomer-Generation, die in fünf bis zehn Jahren in Rente oder Pension geht. Da geht viel Wissen weg, viel Routine und auch einfach viel Quantität. Wir müssen eigentlich deutlich mehr einstellen – und das bei angespannter Haushaltslage. Das ist ein Spagat, der gerade nicht gelingt. 

Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Entwicklung? 

Wir sind nie ein Kreis gewesen, dem es besonders gut gegangen ist. Vor Corona, in der Nullzinsphase, die Wirtschaft boomte, spielte das Geld nicht so eine große Rolle. Da hat man viel gemacht, aber jetzt ist es einfach nicht mehr da. Die Schere geht weiter auseinander: In Schleswig-Holstein erzielen alle elf Kreise das erste Mal dieses Jahr ein negatives Ergebnis. Umso eher müssen wir uns kreativer Lösungen bedienen. Damit wir im Bereich Digitalisierung, KI et cetera vorankommen. Wir wollen damit keine Menschen ersetzen, sondern diejenigen, die wir nicht wieder bekommen, quasi auffangen. Die Mitarbeiter können lieber qualitativ an ihren Entscheidungen für einen Sozialfall arbeiten, als dass sie einen Stapel stumpfe Sachen eintippen müssen. Hinzu kommt, wenn ich eine Leistung, zum Beispiel Wohngeld, beantrage als Bürger, muss ich mein Einkommen darlegen. Wenn ich dazu eine weitere Leistung erhalten möchte, muss ich mein Einkommen nochmal darlegen. Mein Finanzamt hat im Grunde genommen meine Daten, aber darf sie nicht austauschen. Das ist schon etwas, was uns arg blockiert. 

Bekommt man dies politisch geregelt? 

Ja, das kann man politisch regeln. Das steuert auf Bundesebene das Registermodernisierungsgesetz, wo anhand der Steuer-ID, die jeder von uns von Geburt an hat, Daten leicht ausgetauscht werden können. Das ist in anderen kleineren Ländern von Anfang an möglich gewesen, aber bei uns mit Föderalismus in 16 Bundesländern so gewachsen. Jeder hat sich erst einmal auf den eigenen Weg gemacht und jetzt versucht man, das alles zusammenzuführen. 

Konnten Sie in Ihren beiden Jahren Amtszeit Projekte anstoßen? 

Wir haben tatsächlich Projekte angestoßen. Man entwickelt ständig Projekte. Den Kliniken zum Beispiel geht es nicht gut. Also stellt sich die Frage, lässt man das alles an die Wand fahren oder versucht man, mit einem für den Kreis erträglichen Defizit so ein Haus der Daseinsvorsorge am Leben zu halten. Das ist uns gut gelungen. Dazu mussten wir uns allerdings von der Geburtsstation in Preetz verabschieden.

Fehlen Ihnen Schwerpunkte im Kreis – für Forschung oder Industrie zum Beispiel? 

Naja, es ist tatsächlich so, dass wir das als Kreis Plön alleine gar nicht schaffen können. Wir sind natürlich im Kreis Plön touristisch geprägt. Große Industriegebiete machen keinen Sinn. Die müssen an die Autobahnen, infrastrukturell gut angebunden sein. Wir haben ein kleines Teilstück an Autobahnen, da entsteht jetzt ein sehr großes Gewerbegebiet an der Stadtgrenze zu Kiel, die A21 weiter runter im Barkauer Land. Das machen wir aber gemeinsam mit Kiel. Die brauchen die Flächen, und wir haben diese. Das regeln wir interkommunal. Dazu haben wir natürlich im Bereich der regenerativen Energien viel Potenzial. Photovoltaik, Freiflächenanlagen, das ist etwas, wo wir in einem gesunden Maße wachsen wollen. Wir arbeiten mit der Kiel-Region als Wirtschaftsförderungsinstitution und der Stadt Kiel eng zusammen. In der Migrationsbewegung haben wir ein stabiles Maß erreicht. Seitdem es Krieg in der Ukraine gibt, sind die Baukosten explodiert. Exemplarisch dafür steht: Wir haben bei einem Schulbauplan in Heikendorf von dem Planungsbüro erfahren, dass seit 2019 die Baukosten um 46 Prozent gestiegen sind. Wenn man das alles so wie wir Kreise auf Pump finanziert, kann man sagen, ist das nicht generationengerecht. Ich hoffe, dass wir die Infrastrukturmittel des Bundes für diese Zwecke nutzen können. Das würde aber lediglich die Mehrkosten abpuffern. 

Erwarten Sie durch die in der Bundespolitik beschlossenen Milliardenpakete Entlastungen? 

Das ist unsere Forderung! Wir sind als Kreise natürlich auch mit einem gemeinsamen Verband ein Sprachrohr und sagen: Macht es nicht kompliziert!

Macht den Verteilerschlüssel so, dass es einfach pauschal an die Kreise und kreisfreien Städte geht. Die wissen schon, welche Baustellen sie haben: Wohnungsbau, Schulen, Kindergärten. Das ist eigentlich ganz einfach. Aber der Verteilerschlüssel ist noch nicht ganz klar. Es gibt im Finanzausgleichsgesetz Steuermittel und Infrastrukturmittel. Diese werden nach einem bestimmten Schlüssel verteilt. Das kann man nach Einwohnerzahlen oder nach Wirtschaftskraft machen. Man muss es nur machen. 

Wenn die Klimakrise ein globales Problem ist, was wird dann im Kreis dafür getan? 

Wir sind zweistufig aufgestellt. Zum einen ist es natürlich das reine Klimaschutzthema, dass wir als Kreis eine Klimaschutzagentur in den letzten zwei Jahren aufgestellt haben, wo alle Gemeinden Mitglied werden können. Zum anderen geht es um das Thema Klimafolgen. Also die Sturmfluten, Hochwasser, Regenereignisse. Wir beraten, was passiert, wenn die Sturmflut mit Ostwind kommt und es seit Tagen regnet und das Wasser nicht mehr in die Ostsee abfließt. Wo gibt es Flächen, die dann für eine Vernässung vorgesehen sind? Wo muss aber die Kanalisation neu gemacht werden? Wo bräuchte man bei großen Gewerbegebieten riesige Flächen, wo das Wasser sich sammeln kann? Die Regenrückhaltebecken werden irgendwann so groß wie ein kleiner See, weil diese Regenereignisse, die früher alle 100 Jahre vorkamen, jetzt wahrscheinlich alle zehn oder 20 Jahre passieren. Und wer weiß, wie es sich wirklich entwickelt: Klimazonen verschieben sich. Das, was mal mediterran war, ist irgendwann bei uns. Da muss man sich drauf einstellen – überhaupt auf Krisen. Das wird jetzt die Bedrohungslage. Es wird uns immer erzählt, es ist deutlich ernster zu nehmen, als man denkt. Und wir müssen uns eben auch mit der Bevölkerung darauf vorbereiten, dass die im Notfall, Blackout, Anschlag zum Beispiel auf die Stromnetze, dass die Bürger dann auch versorgt sind oder wissen, was sie zu tun haben. 

Wo denken Sie, sollte der Kreis Plön in zehn Jahren stehen? 

Der Kreis Plön hat eine vernünftige Größe, und wir sind auch sehr gut aufgestellt, was unsere Kommunen angeht. Ich glaube, dass sich in der Verwaltungslandschaft etwas ändern muss. Dem Kreis Plön geht es dann besser, wenn er sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren kann. Wenn der angekündigte Bürokratieabbau funktioniert und tatsächlich das Geld in den Kommunen landet, kann das dazu führen, dass wir wieder in stabilere Fahrwasser kommen. Wir haben genug Geld in Deutschland – es kommt nur nicht dort an, wo wir die Aufgaben haben. Das wäre auch aus Demokratiesicht wichtig. Weil: Unzufriedenheit mit der Bundesregierung gab es schon, seit ich wählen gehe. Dann heißt es immer: „die da oben”. Aber wenn diese Unzufriedenheit in der Gemeinde Grebin, der Stadt Plön oder in der Stadt Preetz deutlich wird, weil nichts mehr gebaut wird und nichts mehr funktioniert, dann erhöht das natürlich die Wählerstimmen der Extremisten. Wenn man also die Kommunen und Kreise vernünftig ausstattet, damit diese ihre Aufgaben wahrnehmen können, ist es auch, so denke ich, in der Demokratie wieder ein bisschen ruhiger.

Ihr Sohn stand nach dem Abi vor der Entscheidung, wie es für ihn weitergehen soll. Was wünscht sich der Landrat als Privatperson für seinen 19-jährigen Sohn? 

Als Vater wünsche ich mir für meinen Sohn, dass er glücklich wird mit der Entscheidung, was er beruflich machen möchte. Ich bin überrascht, dass es bei ihm ins Handwerk geht, weil wir im Grunde genommen ein Beamtenhaushalt sind. Er geht erst einmal in ein Praktikum in der Zimmerei Rogge in Klein-Barkau, um zu gucken, ob es etwas für ihn ist. Das kann ich immer empfehlen. Mein Sohn hat diese klare Idee und große Lust darauf. Und ich drücke die Daumen, dass es funktioniert. 

Was wünschen Sie sich in der Funktion als Landrat für den Nachwuchs?

Für den Kreis Plön wünsche ich mir, dass mehr junge Leute so denken und sich eine Zukunft im Handwerk überhaupt vorstellen können. Kleine und mittelständische Unternehmen sind unser Herzstück. Wenn diese keine Nachfolger, Mitarbeiter oder Auszubildende mehr finden, dann ist das etwas, was natürlich alle Kunden und auch die Städte als Gewerbesteuereinnehmer spüren werden, wenn es bergab geht. Also freue ich mich, wenn jeder sich informiert, Informationen nutzt, um zu gucken, was man überhaupt machen kann und nicht jeder in ein Studium rennt – so vielfältig die Chancen auch sind.

TEXT Markus Till
FOTOS Thore Nilsson