Berufsbildungszentrum Bad Segeberg

Berufsbildungszentrum Bad Segeberg

Straßen entstehen beim Gehen

Lebens- und Berufswege verlaufen nicht immer gerade, sondern gerne auch einmal im Zick-Zack-Kurs oder im Stop-and-Go-Modus. Ein Schritt, zwei zurück. Im Berufsbildungszentrum in Bad Segeberg können junge Menschen, die vorankommen wollen, eine Ausbildung machen oder ihren Realschulabschluss bzw. ihr Abitur nachholen. Und das in einer Umgebung, die an eine Jugendherberge erinnert.

Das Haus des Berufsbildungszentrums sieht sympathisch aus. Es liegt an einem Hang in der Theodor-Storm-Straße und hat einen schönen grünen Vorplatz. Innen drin riecht es nach Essen, in den Fluren hängen Bilder und im Innenhof sitzen ein paar Schüler und genießen die Frühlingssonne. 

Das Berufsbildungszentrum ist deutlich größer, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Das Gebäude wurde mehrmals ausgebaut und um Seitenflügel erweitert. Und ähnlich wie in dem Roman „Alice im Wunderland“ verbirgt sich hinter jeder noch so unscheinbaren Tür eine Überraschung. Man entdeckt Holzwerkstätten, voll ausgestattete Labore und Technikarbeitsplätze, hochmoderne Küchen, in denen junge Menschen kochen lernen, einen Klassenraum mit einer Backstube im hinteren Bereich und eine Kfz-Werkstatt mit zwei Treckern vor der Tür.

In das Berufsbildungszentrum kommen Schüler aus der näheren Umgebung, aber auch von weiter weg, aus Plön, Norderstedt und Stormarn. Viele haben schon einen Schulabschluss gemacht oder gearbeitet und irgendwann festgestellt, dass sie doch noch weiter zur Schule gehen oder einen neuen Beruf erlernen möchten. „Viele Schüler sind unzufrieden mit dem, was sie bisher gemacht haben und wollen sich verändern und etwas Neues ausprobieren“, erzählt der stellvertretende Schulleiter Gerd Jeguschke.

Auf der Webseite des Berufsbildungszentrums berichtet der ehemalige Schüler Andy Janssen von seinem Lebensweg. Als Jugendlicher fand Andy Schule öde und wollte lieber mit seinen Freunden rumhängen. Er blieb in der Hauptschule dreimal sitzen und machte erst mit 18 Jahren seinen Abschluss. Die Erkenntnis, wie wichtig eine gute Schulbildung ist, kam Andy spät. Er bewarb sich bei mehreren Schulen, wurde aber von allen wegen seines schlechten Hauptschulabschlusses abgelehnt. Das Berufsbildungszentrum Bad Segeberg gab ihm eine zweite Chance und nahm ihn in die Berufsfachschule auf. Dort machte Andy seinen Realschulabschluss und besuchte im Anschluss auch noch die Fachoberschule im Zentrum und die Berufsoberschule in Lübeck. Heute studiert Andy Janssen, der ehemalige Sitzenbleiber und Hauptschüler, an der Universität Hamburg Erziehungswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Sozialwissenschaften.

Menschen wie Andy findet man im Berufsbildungszentrum viele – unter den Schülern „und” den Lehrern. Die stellvertretende Schulleiterin Karin Pätzold hat nach ihrem Abitur in Bayern erst einmal Jura studiert. Nach zwei Semestern an der Rechtsfakultät hing sie in der Luft. Jura gefiel ihr nicht, sie wollte lieber Menschen helfen. Nach einem sechsmonatigen Praktikum im Krankenhaus entschloss sie sich, eine Ausbildung als Krankenschwester zu machen. Der Beruf gefiel ihr lange gut, doch irgendwann kam in ihr der Wunsch auf, als Lehrerin zu arbeiten. Sie zog in den hohen Norden und absolvierte in Hamburg ein Lehramtsstudium. Katrin Pätzold unterrichtet seit 1997 am Berufsbildungszentrum in Bad Segeberg und hat hier ihre Bestimmung gefunden. „Beruf ist das eine, Berufung ist etwas anderes”, sagt sie.

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Gerd Jeguschke ist auch über Umwege in das Berufsbildungszentrum gelangt: „Ich wollte als Kind Postbote werden und dachte, dass es toll sein muss, morgens Briefe auszutragen und am frühen Nachmittag Feierabend zu haben. Nach drei Tagen Praktikum bei der Post wusste ich, dass sich meine kindliche Vorstellung kaum mit der Realität deckt. Ich bin dann noch einmal zur Schule gegangen, habe einen Abstecher in die Bankenwelt gemacht und bin schließlich Berufsschullehrer geworden.” Der Lehrerberuf ist für Gerd Jeguschke das Schönste, was ihm passieren konnte. „Ich habe selbst an dieser Schule mein Abitur gemacht und es ist toll, jungen Menschen zu helfen, ihren eigenen Weg zu finden.”

Schüler am Berufsbildungszentrum in Bad Segeberg

Die Geschmäcker der Schüler am Berufsbildungszentrum in Bad Segeberg sind genauso vielfältig wie die Bildungsangebote an dieser Schule. Manche Schüler mögen handwerkliche Arbeiten, andere möchten mit Kindern arbeiten oder etwas mit Medien und Medizin machen.

Gülnat Cetin, 23 Jahre
„Ich mache am BBZ eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin. Eigentlich wollte ich nach der Ausbildung nicht mehr studieren, aber nachdem ich gesehen habe, dass einer unserer Lehrer erst mit vierzig seinen Abschluss gemacht hat, habe ich mir gedacht, dass es nie zu spät ist, um zu studieren. Nach der Ausbildung will ich deshalb Zahnmedizin studieren. Ich habe viel Spaß daran, mit Menschen zu arbeiten. In meiner ersten Praxis durfte ich mir die Behandlung nur aus der Entfernung angucken. Ich habe die Praxis deshalb gewechselt und darf jetzt auch unmittelbar mithelfen. Man sollte dreimal am Tag die Zähne putzen. Mit einer weichen Zahnbürste.“

RGB_IMG_7725Diplo Hermenigildo Olutayo Schneider, 17
„Ich bin am Berufsbildungszentrum, um meinen Realschulabschluss in dem Schwerpunkt „Gesundheit und Ernährung“ zu machen. Ich habe kein richtiges Lieblingsfach, aber ich weiß, was ich am wenigsten mag: Wirtschaft und Politik. Wir lernen viel über den menschlichen Körper und die Organe, wie man mit Stress richtig umgeht, was wichtig für den Körper ist und was man essen soll. Ich selbst esse sehr proteinreich, weil ich viel Fitness mache. Ansonsten mag ich Fastfood. Am liebsten klassische Burger, ohne Käse. Ich will später noch mein Abitur machen und dann in einem sozialen Beruf arbeiten. Am liebsten mit Kindern. Kinderpsychologie würde mich interessieren. Ich habe drei kleine Schwestern.“

RGB_IMG_7714Marvin Hoffmann, 16
„Ich mache meinen Realschlussabschluss in der Fachrichtung „Metalltechnik“ und lerne dort verschiedene Metallarten kennen und wie man sie an Dreh- und Fräsmaschinen bearbeitet.

Ich habe diese Fachrichtung aus der Not gewählt. Alle anderen Richtungen waren schon voll. Mein Lieblingsfach ist Wirtschaft und Politik, weil man hier lernt, was in der Welt so los ist und über aktuelle Entwicklungen diskutiert. Nach meinem Anschluss mache ich eine Ausbildung zum Klempner. Mein Vater arbeitet auch in diesem Beruf.“

RGB_IMG_7721Moritz Geritzen, 33
„Mein Weg ist ein wenig unkonventionell, bei mir hat sich alles eher zufällig ergeben. Ich habe vor langer Zeit einmal eine kaufmännische Ausbildung in einem Autohaus absolviert, dann aber festgestellt, dass man als Autoverkäufer bereit sein muss, einem Eskimo einen Kühlschrank zu verkaufen. Das fand ich nicht so toll. Danach bin ich fünf Jahre lang LKW gefahren. Das war eine abwechslungsreiche Zeit. An manchen Tagen musste man 800 bis 900 Kilometer am Stück hinterm Lenker sitzen und an anderen Tagen ist man von Ladestelle zu Ladestelle gefahren. Danach habe ich für ein großes Cateringunternehmen Tische, Stühle und Geschirr im norddeutschen Raum und auch teilweise in Dänemark transportiert. Zuletzt bin ich Tankwagen mit Milch gefahren. Jetzt mache ich eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker und glaube, dass ich den richtigen Beruf für mich gefunden habe. Ich habe eine große Affinität für Autos.“

RGB_IMG_7732Tomke Eisenkrätzer, 19
„Ich mache am Berufsbildungszentrum mein Abitur in der Fachrichtung Wirtschaft und schreibe bald meine Abschlussprüfungen. Wirtschaft ist überall wichtig und man braucht in vielen Berufen Grundkenntnisse in diesem Bereich. Nach meinem Abitur möchte ich ein Praktikum bei einem Radiosender machen und anschließend mit einer Freundin nach Amerika oder Australien reisen. Ich komme aus Bad Segeberg und bin auch hier geboren, aber mein Vorname „Tomke“ kommt aus Nordfriesland. Meine Mutter hat den Namen in einem Buch mit seltenen Namen gefunden und fand ihn schön.“

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TEXT Slaven Marinovic
FOTOS Irene Osei-Poku