Bazon Brock

Bazon Brock

Kunst als Protestform, Protest als Form der Kunst? Bazon Brock – emeritierter Ästhetik-Professor, Philosoph und Künstler – sieht die Fridays-for-Future-Proteste als Hoffnungsschimmer für künftige Generationen. Dass die Klimaaktivisten ihre Ziele durchsetzen, glaubt der 83-Jährige dennoch nicht. Gedanken zur Ambivalenz der Jugend, Orientierung in einer Welt ohne Glauben und die Zukunft des Menschen als Individuum.

Proteste für eine bessere Zukunft der Menschheit – und nicht des Menschen?

„Wo steht der Mensch in der Welt, wenn er in ihr gar nicht mehr vorkommt? Die einzige Form, die es gegenwärtig gibt, ist der Protest gegen die Rücknahme von Freiheiten – zum Beispiel in Hongkong und die Freitagsdemonstrationen der Schüler für ihre Zukunft. Da ist auf allen Ebenen die Möglichkeit, sich zu vergemeinschaften ohne Ideologie, ohne Nationalismus, ohne Rassismus. Das scheint etwas Hoffnungsvolles zu sein. Aber auch diese Massenbewegungen schließen ja die Forderung der Individuen nach Respekt und Lebensgerechtigkeit nicht ein. Das heißt: Nur Kollektive können sich auf diese Weise wehren. Die Zukunft gehört der Menschheit, aber nicht mehr den einzelnen Menschen.“

Wo steht der Mensch in der Welt, wenn er in ihr gar nicht mehr vorkommt?

Fridays for Future: Durch kollektive Autorität zum Erfolg?

„Diese wunderbaren Jugendlichen kaufen mit ihrem Aufklärungspathos einen Coffee-to-go und schließen sich dann der Demonstration an. Das ist nicht nur ambivalent, sondern ein Zeichen, dass die Kapitalmacht nicht lockerlässt. Und da schließt sich der Kreis zu den 68ern. Damals bestellte die konventionelle Ordnungsmacht die Demonstrationen, um zu zeigen, wie liberal sie ist. Während die Bürgerlichen wirklich auf substantiellen Veränderungen bestanden und die rote Karte gezeigt bekamen, erhielten die Schreihälse der Besserwisserei eine Auszeichnung nach der nächsten – das stützte ja das System, das sagen konnte: Seht wie liberal wir sind. Damit war der Hebel für eine wirkliche Veränderung weg. Jetzt läuft es nach demselben Schema.“

Damit war der Hebel für eine wirkliche Veränderung weg. Jetzt läuft es nach demselben Schema.

Die Klimaproteste als Generationenkonflikt?

„Die jungen Leute sind über das System aufgeklärt, aber noch nicht genug über sich selbst. Die Stufe der Selbstreflexion des Bewusstseins ist nicht höher, als sie je zuvor war. Trotzdem sage ich: Das ist der einzig beispielgebende Hoffnungsschimmer, den es gegenwärtig gibt. Die Frage ist: Wie entwickeln sich Gesellschaften, wenn die Zielsetzungen des Politischen und Programmatischen nicht fruchten? Dabei haben wir Beispiele, wie man mit prinzipiell unlösbaren Problemen umgehen muss: Man muss sie managen. Unsere Aufgabe ist, diese Machereliten, die mit diesen Gegebenheiten umgehen können, zu ermutigen.“

 

TEXT Lutz Timm
FOTOS Florian Klomer