Auf’s Wasser mit Handicap: Das Bootsbauprojekt

Auf’s Wasser mit Handicap: Das Bootsbauprojekt

Rathje Werft baut mit Projektpartner FH Kiel ein Boot für Menschen mit Behinderung

Gleich zwei junge Nachwuchskräfte der Yacht- und Bootswerft Rathje durften bei einem außergewöhnlichen Bootsbauprojekt für Menschen mit Handicap Erfahrungen sammeln: Zum Planungsteam gehörten Studierende der Fachhochschule Kiel. Gebaut wurde der fünf Meter lange Katamaran dann auf der Kieler Werft unter tatkräftiger Unterstützung des Bootsbau-Azubis Bastian Kemper.

 

Normalerweise haben Rollstuhlfahrer und andere schwer körperlich behinderte Menschen kaum eine Chance, an Bord eines Bootes zu gelangen und das wunderbare Gefühl auf dem Wasser zu erleben. Das sollte sich  unbedingt ändern, dachten sich Professoren und Studenten der FH Kiel. 2015 begann das außergewöhnliche Projekt: Studierende des Schiff- und Maschinenbaus sowie der Betriebswirtschaft entwickelten erste Studien unter der Leitung der Professoren Sven Olaf Neumann (Fachbereich Maschinenwesen) und Hans Klaus (Fachbereich Wirtschaft) sowie Diplom-Ingenieur Claus-Dieter Schulz – er gehört ehrenamtlich dem Vorstand des Verbraucherschutzvereins für ältere und behinderte Menschen Kiel an. Von ihm und anderen Mitstreitern stammt die Idee, ein Boot mit Wasserstrahlantrieb und Bugstrahlruder zu entwickeln. Von Beginn sollten behinderte Menschen an der Entwicklung beteiligt werden.
Bereits das Planungskonzept konnte sich sehen lassen: Das fünf Meter lange und zweieinhalb Meter breite Handicap-Boot sollte als Katamaran mit zwei Rümpfen sicher und stabil auf dem Wasser liegen. Rollstuhlfahrer würden über eine Rampe auf das Boot gelangen und es mit Hilfe eines Elektroantriebs autonom steuern. Dieses Boot musste nur noch gebaut werden. Und diesen Part übernahm die Rathje-Werft im Sommer 2017.
Eigentlich hat sich die Werft auf den Holzbootbau spezialisiert; mit Kunststoff wird bislang vor allem im Reparaturbereich gearbeitet. Mit einem Neubau aus Kunststoff können die Kompetenzen erweitert werden.“ Der Geselle Sebastian Hamprecht, der Schiffbau an der Fachhochschule Kiel studiert, hat die Konstruktion bis in die dreieinhalbmonatige Bauphase hinein begleitet. Im Januar 2018 wurde es schließlich spannend: Bei strahlendem Sonnenschein und einer kalten steifen Brise glückte die erste Testfahrt auf der Kieler Förde. Ein vorbildliches Projekt für Menschen mit Handicap – und für den Berufsnachwuchs in Sachen Bootsbau!

 

Bootsbauer, Student und Großsegler-Kapitän
Handicap-Boot der Rathje Werft und FH Kiel

Sebastian Hamprecht studiert Schiffbau and der FH Kiel

Wasser, Fernweh und Schifffahrt wurden dem Kieler Sebastian Hamprecht praktisch in die Wiege gelegt: „Schon mein Vater ist zur See fahren. Als Kind durfte ich mitsegeln – ich bin sozusagen am Wasser aufgewachsen“, erzählt der 29-Jährige. Klare Sache, dass nur ein maritimer Beruf in Frage kam: „Meine Ausbildung zum Bootsbauer habe ich bei der Yacht- und Bootswerft Rathje in Kiel 2012 abgeschlossen. Dann wollte ich mehr über Schiffbau lernen: Das Bachelor-Studium an der Fachhochschule Kiel werde ich in diesem Jahr abschließen.“ Doch bevor sich der Kieler an der FH eingeschrieben hat, zog es ihn unwiderstehlich auf schwankende Planken, um ordentlich Seeluft zu schnuppern: „Ich habe auf dem Großsegler ‚Hendicka Bartelds‘ in Holland als Matrose angeheuert. Dabei lernst du nicht nur den Umgang mit einem historischen Schiff, sondern auch mit den Gästen an Bord.“ Inzwischen hat Sebastian ein Patent als Kapitän für diese Segelschiffe in der Tasche. Entspannen kann der Kieler Jung‘ – na klar –beim Segeln auf der Förde und beim Basteln an seinem Custom-Bike, einem umgebauten Motorrad-Oldie.

 

TEXT Joachim Welding
FOTOS FH Kiel, Sebastian Weimar