Wer nicht nur mitläuft, sondern handelt, kann mitgestalten und versuchen, es gut oder sogar besser zu machen.
Hannes Boyke ist Stufenleiter der Klassen fünf bis sieben. Als Lehrer unterrichtet er Technik, Mathe und NaWi. In seinen Fächern möchte er Handlungsorientierung sowie die Vernetzung von theoretischem Wissen und praktischem Anwenden des Wissens vermitteln. Darüber hinaus rät er seinen Schülerinnen und Schülern, aktiv zu sein. Wichtig sei die Haltung, sich selbst einzubringen und Sachen anzufassen, aber auch keine Angst davor zu haben.
Seit 2016 ist Hannes Boyke Lehrer und Unterstufenleiter an der Toni-Jensen-Gemeinschaftsschule. Der 44-Jährige wohnt mit seiner Familie im Viertel und das Zusammenleben von Arbeit und Privatem, Familie und Schule funktioniert sehr gut. Durch die Stufenleitung und durch die Fächerkombination kennt er eigentlich alles und jeden hier an der Schule, vor allem die Schüler. „Sie müssen ja alle an mir vorbei. Es gibt ein paar Oberstufenschüler, die später gekommen sind, aber alle anderen kennen eben Boyke“, sagt der Stufenleiter. Denn er führt mit jedem jungen Schüler ein Aufnahmegespräch.
Mitglied der Schulleitung ist Boyke geworden, weil er an der Schule etwas bewirken wollte. Es gebe Menschen, die mitlaufen und solche, die aktiv mitgestalten wollen, meint er. Er entschied sich dafür, aktiv zu werden und Verbesserungen anzustoßen. Als die Position frei wurde, bewarb er sich. „Das war kein Karriereargument. Es ging um die Haltung.“ Seine aktive Gestaltungsrolle kann er hier ausfüllen, denn die Stufenleiter haben einen großen Freiraum. Boyke ist für das interne Geschehen verantwortlich, organisiert die 13 Klassen und muss dabei politische Vorgaben oder Änderungen beachten.
„Ich bin vor allem für die Gestaltung neuer Jahrgänge zuständig, führe Aufnahmegespräche mit jedem Schüler, stelle die Klassen zusammen und teile die Kurse ein. Die Klassen werden bewusst heterogen zusammengesetzt“, erklärt Boyke. An einer Gemeinschaftsschule wäre es fatal, wenn beispielsweise alle zukünftigen Oberstufenschüler in einer Klasse wären.
„Unser Schulkonzept sieht eine Durchmischung vor, bei der starke Schüler schwächere unterstützen und selbst von den Erfahrungen anderer profitieren. Das ist der Kern einer Gemeinschaftsschule mit Oberstufe und genau das wollen wir“, sagt er.
Als Stufenleiter der Jahrgänge 5 bis 7 hat Boyke keinen direkten Bezug zu Schulabschlüssen. In der Lehrerrolle natürlich schon. Während in den Naturwissenschaften berufsbezogene Themen weniger im Vordergrund stehen, konzentriert sich der Technikunterricht auf Themen wie Kunststoff-, Elektro- oder Metalltechnik. In den Naturwissenschaften erforscht man die Prozesse der Welt, sowohl in der natürlichen als auch in der technisierten Umgebung. Hier lernt man beispielsweise, wie ein Schaltkreis funktioniert. Im Technikunterricht hat man die Möglichkeit, solche Schaltkreise tatsächlich selbst zu bauen. Die Fächer greifen ineinander und haben einen Bezug zur Lebenswelt.
Der Technikunterricht ist dabei besonders praxisorientiert; das kann an einer Gemeinschaftsschule mit integrierter Oberstufe gut umgesetzt werden. Technik ist an der Toni im Wahlpflichtbereich von Klasse sieben bis zehn angesiedelt, später findet er in einzelnen Projekten statt. „Am Gymnasium gibt es keinen solchen Technikunterricht; dort haben die Schüler noch nie an einer Maschine gestanden“, sagt Boyke.
Ein praktisches Beispiel: Ein Schüler lernt im Unterricht, wie ein Ottomotor funktioniert. Anschließend zeigt der Lehrer den Motor an seinem Auto auf dem Schulhof. So wird das Interesse des Schülers geweckt und er könnte sich für eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker entscheiden. Es gibt viele technisierte Berufe, die für alle Schulabschlüsse relevant sind. Im Unterricht kann dann je nach Kurs variiert werden; es können mehr ingenieurwissenschaftliche Inhalte und Mathematik einbezogen werden oder mehr berufs- und praxisnahe Inhalte. „Es gibt immer wieder Schüler, die später zurückkommen und sagen: ‚Das, was ich da gemacht habe, hat mir in der Berufsschule wirklich geholfen‘“, so der Lehrer.
In Bezug auf Berufsmesse und berufliche Orientierung rät Boyke seinen Schülern:
„Man kann sich zwar durch den Fachunterricht gut vorbereiten, aber das Allerwichtigste ist eine aktive Haltung. Es ist entscheidend, die Initiative zu ergreifen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man einen ESA, MSA oder einen höheren Abschluss hat. Wenn man mit einem ESA eine Lehrstelle findet und Freude an der Arbeit hat, ist das wichtiger, als die Fachhochschulreife zu erlangen und nicht zu wissen, was man damit anfangen soll. Eine positive Einstellung und Begeisterung für den Beruf ist entscheidend.“
Auch im Hinblick auf Zukunftsthemen ist Schule gefordert; derzeit rollt gerade KI auf die Gesellschaft zu. „Zukunftssicherheit bedingt, dass wir erkennen, wie neue Werkzeuge eingesetzt werden können“, sagt Boyke. So hätten die Industrialisierung und die Einführung von Computern in der Vergangenheit zunächst Ängste vor Arbeitsplatzverlusten ausgelöst, aber letztlich zu positiven Veränderungen und erhöhter Produktion geführt. Aktuell stehe KI im Vordergrund, das werde ebenfalls Berufe verändern und neue Chancen schaffen.
Laut Boyke seien hier zwei Ansätze möglich: Entweder man wird kompetent in der Nutzung solcher Werkzeuge und gestaltet die Zukunft aktiv mit, oder man wählt bewusst Berufe, in denen KI nicht relevant ist. Innerhalb der Schule müssten Schüler und Lehrer lernen, effektiv mit KI umzugehen. Er habe selber früher mit dem Taschenrechner seine Hausaufgaben gemacht, aber in der Klassenarbeit bemerkt, dass er es ohne ihn nicht gut konnte. Auf ähnliche Art müsse der Einsatz von KI in der Schule gelernt werden. „Mein Vergleich ist der Akkuschrauber. Schüler sollten ihn nutzen, aber sie müssen zuerst lernen, wie man eine Schraube mit einem Schraubenzieher richtig eindreht, um ein Gefühl für Drehmoment und mögliche Fehler zu entwickeln.“
Boyke möchte in seinen Fächern Handlungsorientierung und die Verbindung von Theorie und Praxis fördern. Außerdem ist ihm eine proaktive Haltung wichtig: sich einbringen, Dinge ausprobieren und keine Angst haben. Schule kann genau diese Haltung vermitteln.
TEXT Hilke Ohrt
FOTO Reinhart Witt