Im ME2BE-Interview spricht Thore Hansen, Leiter des Geschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer zu Kiel (IHK), über die Konjunktur in Schleswig-Holstein, die Aussichten für Schulabgänger auf dem Ausbildungsmarkt und seinen eigenen Werdegang. Außerdem gibt der studierte Lehrer Tipps zur Berufsorientierung und erklärt, was eine IHK macht.
ME2BE: Moin, Herr Hansen. Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Situation im Land ein? Lohnt sich die duale Ausbildung?
Thore Hansen: Moin, moin. Wir stellen fest, dass die Konjunktur im Land weiterhin auf Kurs bleibt. Der Konjunkturklimaindex der IHK Schleswig-Holstein lag im zweiten Quartal 2019 bei 113,6 Punkten, etwas unterhalb des langjährigen Durchschnittswertes, aber immer noch sehr stark. Das Modell der dualen Berufsausbildung ist nach wie vor eine hervorragende Grundlage für den Einstieg ins Berufsleben. Das beweisen die Zahlen. Trotz sinkender Schülerzahlen konnten unsere Unternehmen zuletzt mehr Ausbildungsverträge als im Vorjahr abschließen.
Welche Branchen sind vom Fachkräftemangel besonders betroffen?
Viele Betriebe und Firmen können ihre Facharbeitsplätze nicht vollständig besetzen und steigern deshalb ihre Ausbildungsquote – eine große Chance für Schulabgänger mit allen Schulabschlüssen! Eine besonders starke Nachfrage meldet das Hotel- und Gaststättengewerbe, aber auch die Verkehrs- und Logistikbranche und die Bauwirtschaft.
Was genau macht eine IHK?
Die Industrie- und Handelskammern beraten, unterstützen und vertreten Wirtschaftsunternehmen in ihrer Region. Beispiel Existenzgründung: Angenommen, Sie möchten eine Firma gründen, wissen aber nicht genau, wie das funktioniert. Bei der IHK erhalten Sie dazu eine individuelle Beratung und erfahren, welche juristischen, finanziellen und betriebswirtschaftlichen Faktoren zu berücksichtigen sind. Beispiel Ausbildung: Wenn eine Firma Azubis ausbilden möchte, prüfen wir, ob die nötigen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Die IHKs führen auch alle beruflichen Prüfungen in Industrie und Handel durch, das sind bundesweit jedes Jahr über 600.000! Nicht zuletzt bilden wir selbst aus. Zurzeit absolvieren elf Azubis eine Ausbildung zur Kauffrau oder zum Kaufmann für Büromanagement bei der IHK Kiel.
Unternehmen erwarten Lern- und Leistungsbereitschaft
Was erwartet die Wirtschaft von Schulabgängern?
Unsere Firmen stellen jedes Jahr mehrere tausend Schulabgänger ein, um sie in einer dualen Ausbildung zu Fachkräften entwickeln zu können. Die Erwartungen in den einzelnen Branchen und Berufsfeldern sind allerdings sehr unterschiedlich. Allgemein gesprochen erwarten sie von ihren Nachwuchskräften grundlegende fachliche, persönliche und soziale Kompetenzen, zum Beispiel Grundkenntnisse in allen Schulfächern sowie die mündliche und schriftliche Beherrschung der deutschen Sprache. Außerdem sollten die Grundlagen für eine stabile Persönlichkeit sowie für Teamfähigkeit, Lern- und Leistungsbereitschaft vorhanden sein. Das Wichtigste ist die Freude an dem Beruf, für den sie sich bewerben.
Haben Sie einen Tipp für die perfekte Berufsorientierung?
In jeder Schülerin und jedem Schüler steckt Potenzial! Mein Tipp lautet: Beschäftigt euch ausführlich mit euren persönlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Neigungen und überlegt, welche Berufe dazu passen könnten! Oft werden Praktika bei Firmen in der Nachbarschaft verabredet, weil die Wege kurz sind, selbst wenn der Beruf kaum bekannt ist. Sinnvoller ist es, Informationen und Erfahrungen in denjenigen Berufen und bei Firmen zu sammeln, die euch wirklich interessieren!
Wie verlief Ihre persönliche Berufsorientierung? Was war Ihr Traumberuf?
Ich wollte ursprünglich etwas zum Thema ‚Umweltschutz’ machen. Nach dem Abitur glaubte ich daher, das Studium der Umwelt- und Hygienetechnik sei passend. Leider war es das nicht! Deshalb wechselte ich in ein Lehramtsstudium mit der Fächerkombination Chemie und Sport. Das passte sehr gut. Mein weiterer Berufsweg führte mich später von der Schule in die private Wirtschaft, unter anderem als Manager für Sportveranstaltungen wie die Kieler Woche. Und jetzt beschäftige ich mich mit den Themen Aus- und Weiterbildung bei der IHK Kiel. An einer Sache habe ich mich immer orientiert: Meine Arbeit soll mir Spaß machen! Nur dann kann ich motiviert in den Tag starten und meine Leistung bringen!
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hansen.
TEXT Christian Dorbandt
FOTO Andreas Tamme

