Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, kurz HAW Hamburg, ist eine der größten Fachhochschulen Deutschlands. Seit 2017 heißt ihr Präsident Professor Micha Teuscher. Der Wissenschaftsmanager studierte Wirtschaftswissenschaften und Agrarökonomie an der Universität Hohenheim und arbeitete anschließend viele Jahre in der Unternehmensberatung. 1997 wechselte er als Professor für Betriebswirtschaftslehre und Managementlehre an die Hochschule Neubrandenburg und übernahm 2004 deren Leitung. Als Präsident steuert der gebürtige Göttinger die HAW Hamburg durch die Zeit des digitalen Wandels. Im Interview mit ME2BE CAMPUS beschreibt der 55-Jährige, für wen sich ein Studium an der HAW Hamburg lohnt.
Hallo, Herr Professor Teuscher. Der Blick über Hamburg aus Ihrem Büro im 14. Stock ist atemberaubend! Wie sind die Aussichten für die HAW Hamburg?
Die Aussichten für unsere Hochschule sind solide und vielversprechend. In den vergangenen 15 Jahren konnten wir die Anzahl der Studierenden auf über 17.000 verdoppeln. Als zweitgrößte Hochschule Hamburgs und drittgrößte Fachhochschule Deutschlands bieten wir Studierenden langfristig eine ausgezeichnete Qualität in Forschung und Lehre und hervorragende Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt.
Was unterscheidet die HAW Hamburg von anderen Hochschulen?
Mit mehr als 400 Professuren, ebenso vielen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und circa 190 Kooperationen mit Partnerhochschulen in aller Welt, gehören wir bundesweit zu den bedeutendsten Standorten für angewandte Wissenschaften. Entsprechend breit fällt das Studienangebot aus. Wir bieten 38 Bachelor und 37 Masterstudiengänge an. Wir sind modern ausgestattet, eng vernetzt mit der regionalen Wirtschaft und definieren uns über das Prinzip ‚Wissenstransfer’. Als Hochschule für Angewandte Wissenschaften haben wir ein klar erkennbares wissenschaftliches und gesellschaftsbezogenes Profil und grenzen uns so vom Selbstverständnis und Verwertungsprofil der Universitäten ab.
Unser Anliegen ist es, unter anderem Problemstellungen aus der Gesellschaft aufzugreifen, für sie nachhaltige Lösungen zu entwickeln und diese Lösungen zurück in Wirtschaft und Gesellschaft zu transferieren. Reichtum, Armut, Migration, Energie, Mobilität und Logistik – unsere Studierenden lernen und forschen genau in den Themen der Gesellschaft. Wir bilden Menschen aus, die nach dem Studium Verantwortung übernehmen und konkrete Lösungen erarbeiten – in der öffentlichen Verwaltung, in Unternehmen und Organisationen, in Krankenhäusern oder in sozialen und pädagogischen Einrichtungen.
Nennen Sie bitte vier Beispiele angewandter Wissenschaft an Ihrer Hochschule.
Erstens, in der Fakultät Technik und Informatik bieten wir Studierenden eine herausragende Kompetenz, auch in speziellen Feldern wie der Batterieforschung und Regelungstechnik. Im Competence Center for Renewable Energies and Energy Efficiency (CC4E) bündeln wir unsere interdisziplinären Möglichkeiten und sind ein Mitorganisator der Energiewende Deutschlands. Zweitens, in der Fakultät Design, Medien und Information kooperieren wir unter anderem mit der California State University und betreiben anwendungsorientierte Forschung mit innovativen Unternehmen wie Google. Drittens, im Studiengang Rettungsingenieurwesen der Fakultät Life Sciences vereinen wir naturwissenschaftliche, ingenieurwissenschaftliche und nicht-technische Disziplinen. Studierende analysieren beispielsweise unter Anwendung von VirtualReality-Technologie, wie Rettungseinsätze optimiert werden können. In der Fakultät Wirtschaft und Soziales treiben wir die Qualitätsentwicklung in den Gesundheitsberufen und deren zielgerichtete Akademisierung erfolgreich und mit Nachdruck voran. Die Pflegewissenschaften und die Hebammenwissenschaft sind prominente Beispiele.
Reichtum, Armut, Migration, Energie, Mobilität und Logistik – unsere Studierenden lernen und forschen genau in den Themen der Gesellschaft.
Die Welt befindet sich im digitalen Wandel, auch die Anforderungen an Fachkräfte ändern sich. Wie reagieren Sie darauf?
Allein das fachlich-technische Knowhow der Studierenden in ihrem jeweiligen Kernfach wird zukünftig nicht mehr ausreichen. Unsere Absolventinnen und Absolventen müssen vorbereitet sein auf sich dynamisch verändernde Qualitätsanforderungen. So müssen sie sich beispielsweise in der Anwendung digitaler Kommunikation auskennen. Wir haben das erkannt und begegnen dieser Tatsache, indem wir die Digitalisierung der Lehre intensivieren und die Durchlässigkeit der Studiengänge fördern. Durch die Vielzahl unserer Departments und Studiengänge ist das Angebot interdisziplinärer Veranstaltungen an der HAW Hamburg entsprechend hoch.
Für welche Personen eignet sich ein Studium an der HAW Hamburg?
Heutige Generationen von Schülerinnen und Schülern suchen sinnstiftende Berufsperspektiven, interessieren sich zum Beispiel für vegane Lebensmittel und treten in der Bewegung ‚Fridays for Future‘ für Klimaschutz ein. An unserer Hochschule vermitteln wir das Wissen, das sie später in ihren Berufen benötigen, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen.
Wofür haben Sie sich als Schüler interessiert?
Ich habe früh begonnen, mich für wirtschaftliche Themen zu interessieren. Im Alter von elf Jahren begeisterte mein Vater meinen Bruder und mich mit einem Unternehmensplanspiel. In diesem musste jeder Akteur kooperieren, Steuern zahlen oder mit Gewerkschaften verhandeln. Nachdem ich 1980 den Dokumentarfilm ‚Septemberweizen’ über die globalen Auswirkungen der US-amerikanischen Getreideindustrie gesehen hatte, entschied ich mich, Wirtschaftswissenschaften / Agrarökonomie zu studieren. Ich sagte mir: Wenn du etwas verändern willst, hilft es nicht, betroffen zu sein. Du musst das Thema verstehen und dir die fachwissenschaftliche Sprache aneignen.
Im April 2020 feiert die HAW ihr 50-jähriges Jubiläum. Was ist geplant?
Wir sind in der Hochphase der Planung und wollen noch nicht alles verraten. Nur so viel: Die HAW Hamburg wird das 50-jährige Jubiläum sowohl im Hamburger Rathaus als auch in der Elbphilharmonie würdig begehen. Mit unseren Studierenden werden wir feiern, aber auch arbeiten. Im Wettbewerb ‚50 Ideen für die Zukunft’ rufen wir dazu auf, das Zukunftsthema ‚Mobilität’ neu zu denken und Lösungsvorschläge zu entwickeln!
Letzte Frage: Aus ihrem Büro schauen Sie über Hamburg. Was sind Ihre Eyecatcher?
Im Süden blicke ich auf die Elbphilharmonie und im Westen genieße ich die Sonnenuntergänge. Meistens aber schaue ich auf die Außenalster und frage mich dann, woher die Segler die Zeit nehmen, vormittags zu segeln.
TEXT Christian Dorbandt
FOTO Paula Markert / HAW Hamburg