Bereits in der Grundschule wurde sein mathematisches Talent festgestellt, das kleine Einmaleins beherrschte er schon vor der ersten Klasse. Die Rede ist von Hinrich Lorenzen, Professor für ‚Mathematik und ihre Didaktik‘ an der Europa-Universität Flensburg. Nach einem Diplomstudium der Mathematik in Kiel und einer anschließenden Lehramtsausbildung trat der gebürtige Nordfriese in den Schuldienst und leitete anschließend viele Jahre die schleswig-holsteinische Lehrerausbildung im Fach Mathe. Er gilt als einer der renommiertesten Professoren Schleswig-Holsteins und erklärt im Gespräch mit ME2BE CAMPUS, warum das Schulfach Mathe bei vielen Schülerinnen und Schülern unbeliebt ist und verrät, wie man das ändern kann.
Moin, Herr Professor Lorenzen. Was braucht man, um Mathematik zu unterrichten?
Mathematik ist eine bescheidene Disziplin. Wir brauchen nur einen Zettel und einen Stift. Was benötigt man, um Mathematik auf Lehramt zu studieren? Wer Freude am mathematischen Denken empfindet, ist grundsätzlich gut auf das Studium vorbereitet. 15 Punkte im Mathe-Abi sind keine Garantie dafür, eine gute Mathe-Lehrkraft zu werden. Entscheidend ist unter anderem die Haltung zum Fach und zur Wissenschaft.
Was macht für Sie die Faszination von Mathematik aus?
Es klingt komisch, aber die Faszination liegt für mich in der Ausblendung der Wirklichkeit. Wir bewegen uns auf künstlichen Spielwiesen, in denen es einige Regeln gibt, aber vor allem eine enorme Freiheit im Denken. Deshalb liegen Mathematik und Philosophie nah beieinander. Nur wenige Schüler verbinden Matheunterricht mit Freiheit. Sie fühlen sich erdrückt von der Vielzahl ihrer Hausaufgaben… genau das ist das Problem! Immer noch mehr Inhalte! Es besteht der Irrglaube, dass wir Schülerinnen und Schülern möglichst viel Stoff vermitteln müssen, statt ihnen an reduzierten Inhalten zu erklären, wie Mathematik grundsätzlich funktioniert. Mich wundert es nicht, dass viele Schülerinnen und Schüler vom Matheunterricht genervt sind und Abiturienten über routineartige Abiprüfungen klagen. Mein Paradebeispiel ist die alljährliche Mathematik-Olympiade. Alle Aufgaben dieses anspruchsvollen Wettbewerbs basieren ausschließlich auf dem Stoff der Sekundarstufe I, also den Themen, die man bis zur zehnten Klasse lernt. Weniger ist mehr!
Wir bewegen uns auf künstlichen Spielwiesen, in denen es einige Regeln gibt, aber vor allem eine enorme Freiheit im Denken.
Wozu dient die Schülerakademie der EUF?
Die Schülerakademie richtet sich an regionale Schulklassen und gibt Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 3 bis 13 die Möglichkeit uns in Flensburg zu besuchen und sich von Studierenden unterrichten zu lassen. Unser Motto lautet: Mathe anders machen! Die Erfahrungen, die beide Seiten sammeln, sind von großem Wert und die Zusammenarbeit geht über den Unterricht hinaus bis hin zu gemeinsamen Ausflügen und Reisen nach Amrum, Großbritannien oder zuletzt sogar Japan!
Im CHE-Ranking steht das Lehramtsfach Mathe an der EUF auf Platz Eins! Worauf führen Sie das zurück und worauf legen Sie Wert bei der Lehrerausbildung?
Wir haben grundsätzlich die vorteilhafte Situation, dass wir uns auf die Lehramtsstudiengänge konzentrieren können und fast alle Professorinnen, Professoren und Dozenten aus der Schulpraxis kommen. Davon profitieren die Studierenden.
Unser Ziel ist es, den Lehramtsstudierenden mathematische und didaktische Kompetenzen so zu vermitteln, dass sie als Lehrkräfte ihren Unterricht fachlich souverän durchführen können. Der Didaktik fällt dabei eine wichtige Rolle zu. Mathematik ist eine kreative Wissenschaft und kann schön sein, wenn man sie aus dem reinen Formalismus befreit. Leider erfahren die Schüler an unseren Schulen das viel zu selten und spüren überhaupt keinen Freiraum. Somit wird die Mathematik meines Erachtens oft falsch dargestellt. Daran müssen wir arbeiten.
TEXT Christian Dorbandt
FOTO Sebastian Weimar