Das Tierheim Schleswig kümmert sich liebevoll um Hunde, Katzen und alle Tiere, die gefunden, ausgesetzt oder beschlagnahmt wurden.
Ein leises Wimmern in der Biomülltonne war das einzige, was der junge Mann im Vorbeigehen hörte. Er schaute unter den Deckel und staunte nicht schlecht: Eine verängstigte Katze schaute ihn mit großen Augen an. Weil jemand einen Stein auf den Deckel gelegt hatte, konnte sich das Tier nicht selbst befreien, so dass es grausam gestorben wäre. „Unfassbar! Jemand wollte die Katze einfach im Müll entsorgen“, ärgert sich Yvonne Wiegers-von Wegner über das herzlose Verhalten. Zum Glück gab es ein Happy End! Das Tierheim in Schleswig nahm „Püppi“, wie die Fundkatze getauft wurde, in seine Obhut und päppelte sie auf. „Wir konnten sie schließlich in ein schönes Zuhause vermitteln. Dort lebt sie nun glücklich mit drei anderen Katzen zusammen und hält ihre neuen Menschen ordentlich auf Trab!“, berichtet die Vorsitzende des Tierschutzvereins.
Ein Tierheim ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, denn der Staat kümmert sich normalerweise nicht um das Wohlergehen von Tieren in Not. Es sind fast immer Tierschutzvereine, die Heime mithilfe von Spenden, Mitgliedsbeiträgen und freiwilligem Engagement aufbauen und betreiben – so auch das Tierheim Schleswig, das gerade ein Spitzenkompliment bekommen hat: Tierfreunde im Norden wählten es zum beliebtesten Tierheim im Nordwesten Schleswig-Holsteins. „Wir freuen uns riesig! Von der Nord-Ostsee-Sparkasse haben wir 5.000 Euro Preisgeld bekommen. Und das wird sinnvoll investiert: Wir legen einen Teich für aufgegriffene Gänse und Enten an und bauen ein Hühnerhaus“, erzählt Nicole Schmonsees, die Kassenwartin. Der Verein mit seinen 320 Mitgliedern wird von deren Beiträgen sowie von Sponsorengeldern und freiwilligen Spenden getragen.
1974 wurde das Tierheim gebaut; es bietet seinen Bewohnern auf Zeit ein ideales Zuhause. Derzeit tummeln sich 30 Bewohner im großen und kleinen Hundehaus und 50 im Katzenhaus. Andere Gäste haben im Kleintierhaus Platz; außerdem gibt es Quarantäne-Stationen für Katz‘ und Hund. Elf zweibeinige Freunde kümmern sich um das Wohlergehen der schutzbedürftigen Tiere. Sie geben alles, damit sich das Kätzchen „Püppi“, Hundedame „Vaiana“, die fixen Wüstenrennmäuse, Meerschweinchen, Kaninchen und alle anderen haarigen und gefeederten Geschöpfe wohl fühlen. Eine ganze Menge Arbeit wartet jeden Tag auf die Tierpfleger, Hausmeister, Azubis, „Bufdis“ (Freiwillige) und die anderen Mitarbeiter.
„Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich. Deshalb mag ich den Beruf der Tierpflegerin so“, berichtet Azubi Katna Witt aus Eckernförde begeistert. Die 20-jährige Abiturientin arbeitet im dritten Lehrjahr und wollte eigentlich Tierärztin werden, musste diesen Traum aber wegen eines Numerus clausus von 1,2 begraben. Dann erfuhr sie, dass das Heim Tierpfleger ausbildet. „Wenige Wochen nach meiner Bewerbung konnte ich anfangen. Und ich muss sagen, den Umgang mit den Tieren, aber auch mit den Menschen, die jeden Tag zu uns kommen, mag ich sehr.“
Viele glauben, in einem Tierheim müssten die Mitarbeiter immer nur Ställe ausmisten. Katna widerspricht: “Damit liegen sie total daneben. Wenn wir verletzte oder Jungtiere abholen – beispielsweise Vögel, die aus dem Nest gefallen sind, dann kümmern wir uns 24 Stunden um sie. Auch Katzenbabys nehmen die Kollegen mit nach Hause, weil sie alle paar Stunden mit Spezialnahrung gefüttert werden müssen.“ Und die Kleinen brauchen natürlich die mütterliche Wärme, die nun der Mensch dem Tier spendet.
„Wir werden gerufen, wenn ausgebüxte Hunde eingefangen werden müssen oder verletzte Wildtiere gefunden werden – etwa Bussarde oder Falken.“ Auch das Ordnungsamt ruft immer wieder an, wenn Menschen mit der Haltung ihrer Haustiere überfordert sind und diese beschlagnahmt werden. „Dann ist es auch wichtig, mit den manchmal psychisch Kranken einfühlsam umzugehen. Denn sie brauchen auch unsere Hilfe“, ergänzt Vereinschefin Yvonne Wiegers-von Wegner.
Im Umgang mit den besten Freunden des Menschen reicht das Arbeitsspektrum von der Fütterung, der Reinigung der Näpfe und Katzenkratzbäume bis zur Verabreichung von Medikamenten, Fahrten zum Tierarzt und wichtigen Gesprächen mit Besuchern, die Fundtiere kennenlernen wollen, um sie später zu sich zu holen. „Diese Gespräche führen wir sehr intensiv, um festzustellen zu können, ob das jeweilige Tier auch zum neuen Herrchen oder Frauchen passt“, sagt die Vorsitzende. Ein Pitbull-Terrier passe nun mal nicht in einen Familienhaushalt mit kleinen Kindern. „Die Leute brauchen viel fach- kundige Beratung, und die bekommen sie bei uns.“ Auch die Azubis lernen einiges über Menschenkenntnis. Und sie lernen, wie der Betrieb eines Tierheims funktioniert. Auch Schüler sind übrigens immer willkommen: Im Praktikum der 9. Klasse können sie das bunte Leben und Arbeiten mit Vier- und Zweibeinern kennenlernen. Anruf genügt.
TEXT Joachim Welding
FOTOS Moritz Wellmann