Hamburgs Erster Bürgermeister über Träume als Jugendlicher, Volksentscheide und junges Engagement
ME2BE: Eine ganz private Frage zuerst, Herr Scholz: Wovon träumten Sie mit 16?
Olaf Scholz: Ob ich mich daran jetzt richtig erinnere… Man hofft jedenfalls auf Liebe und eine gerechte Welt.
Wenn man junge Leute fragt, was sie sich wünschen, antworten viele: eine saubere Umwelt, weniger Armut, den Klimawandel bekämpfen. Wie können sich Jugendliche für ihre Träume politisch einsetzen?
Wenn sich junge Leute für ihre Träume oder Wünsche einsetzen wollen, können sie das tun – in Vereinen, Initiativen, Kirchen oder Parteien zum Beispiel.
Was sagen Sie denen, die meinen: Politiker und Parteien sind ja sowieso alle gleich. Da lohnt sich der Einsatz gar nicht!
Wer sich ein bisschen über die Ziele der Parteien informiert, der wird die Unterschiede schnell erkennen.
Immer weniger Leute gehen zur Wahl. Was muss der Erste Bürgermeister, was muss die Politik tun, um junge Menschen zu gewinnen?
Ich finde es etwas bedrückend, dass in anderen Ländern der Welt Bürgerinnen und Bürger – oft unter großer Gefahr für Leib und Leben – für Demokratie und Wahlrecht kämpfen und bei uns manche Wahlen nicht ernstnehmen und nicht hingehen. Ein gutes Mittel gegen Politikverdrossenheit ist das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern, das Zuhören und das Erklären. Das mache ich, seit ich zum ersten Mal in den Bundestag gewählt wurde. Das mache ich auch als Bürgermeister. Die Veranstaltungen sind gut besucht, und ich beantworte jede Frage. Und ein Tipp noch an alle Politiker: Nur versprechen, was man auch halten kann! Und alle Wahlversprechen einhalten.
Künftig dürfen Jugendliche die Hamburger Bürgerschaft schon ab 16 wählen. Wie bewerten Sie das?
Ich finde das gut. Denn viele Entscheidungen, die heute getroffen werden, betreffen die jungen Leute morgen unmittelbar. In der Bildungspolitik zum Beispiel. Oder nehmen wir den Volksentscheid über den Rückkauf der Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme Mitte September. Da geht es um die Frage, ob die Stadt für zwei Milliarden Euro die Netze zurückkaufen soll, obwohl wir für eine 25-Prozent-Variante nur ein Viertel zahlen müssen und im Endeffekt wesentlich mehr bekommen. 27.000 Wählerinnen und Wähler im Alter von 16 und 17 Jahren sind berechtigt, am Volksentscheid teilzunehmen. Zwei Milliarden ausgeben oder nicht – darum geht es. Und ob es nicht bessere Möglichkeiten gibt, das Geld einzusetzen. Das betrifft auch diejenigen, die noch nicht volljährig sind.
TEXT Joachim Welding