Wie laufen die Geschäfte, Herr Schulze?
Im Gespräch mit Sebastian Schulze (48), gebürtiger Rendsburger, Jurist und Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Mittelholstein, über die Lage der Wirtschaft, Hidden Champions, Global Player und junge Unternehmen in Rendsburg und Umgebung. Die Region ist eines der stärksten Mittelzentren im Land. Was bietet die Region jungen Menschen, die einmal die Fachkräfte von morgen werden wollen?
Welche wirtschaftliche Struktur bietet Rendsburg und Umgebung?
Unsere Region ist ein starkes Mittelzentrum. Wir bieten alle Vorzüge eines modernen Wirtschaftsstandortes. Neben der ausgezeichneten Lage mitten in Schleswig-Holstein und der Anbindung zu Wasser und den Autobahnen A7 und A210 haben wir eine breite und stabile Wirtschaftsstruktur zu verzeichnen. Vom soliden Mittelstand über Hidden Champions bis zum Weltmarktführer ist eigentlich alles dabei. Eine Konzentration auf bestimmte Branchenschwerpunkte haben wir nicht. Das Spektrum reicht vom Yachtbau und IT bis zum Wohnwagen-Bau, Logistikunternehmen und Hafenwirtschaft. Aber auch kleinere bis mittelgroße Geschäfte und Handwerksbetriebe – hier bei uns in der Region ist alles dabei. Gerade das macht unseren heimischen Wirtschaftsraum so stabil.
Aco aus Büdelsdorf beispielsweise verbaut Water-Tech in der Tate Gallery in London und im One World Trade Center in New York. Wie entwickeln sich die Global Player in der Region?
Meiner Wahrnehmung nach sehr stabil. Und deren Entwicklung zieht ja immer auch die Entwicklung von Zulieferern und Dienstleistern nach sich. Wir beobachten, dass die Unternehmen der Region an unserem Standort durch die Krisen und unsichere Fahrwasser der letzten Jahre, die Corona-Pandemie, mit innovativen Produkten und guten Entwicklungen ganz gut durchgekommen sind und auch nach wie vor sehr erfolgreich am Markt agieren. Produkte made in Rendsburg werden auf der ganzen Welt gebraucht.
Und was benötigen diese Global Player? Wie entwickelt sich das Zulieferer-Umfeld?
Das Zulieferer Umfeld ist ebenfalls sehr robust. Nehmen wir beispielsweise den Yachtbau. Wir bauen nach wie vor die besten Luxus-Yachten der Welt. Für den Ausbau dieser Schiffe werden unter anderem individuelle Design-Leistungen benötigt, Spezial-Elektronik und andere hochwertige digitale Produkte und technische Ausstattungen. Da ist viel Know-how gefragt. Das gilt auch für den Bau von Wohnmobilen und Wohnwagen und für viele andere Branchen. Dafür benötigen diese Global Player nicht nur qualitativ hochwertige Produkte, sondern auch ausgezeichnete Dienstleister, Zulieferer und Fachkräfte vor Ort, um für den internationalen Markt zu produzieren.
Was können regionale Unternehmen tun, um sich als weltoffene Region für internationale Mitarbeiter und Kunden zu präsentieren?
Ein absolutes Alleinstellungsmerkmal unserer Region ist beispielsweise die direkte Lage am Nord-Ostseekanal, international auf allen Seekarten als Kiel-Canal verzeichnet. 30.000 Schiffe passieren den Kanal jährlich, mit zwei Häfen wird der Kreis diesem einmaligen Standortvorteil gerecht und ermöglicht die Abfertigung von Massen- und Schwerlastgütern jeglicher Art direkt vor der Haustür. Wir sind ein Verkehrsknotenpunkt. Zu Lande, zu Wasser und im Übrigen auch in Bezug auf die Energie-Infrastruktur. Hier in Rendsburg führen die wichtigsten Stromnetze vorbei, wir haben zwei Umspannwerke in unmittelbarer Nähe und die Planungen für eine Wasserstoffpipeline laufen ebenfalls. Das ist insofern für Neuansiedlungen interessant, als dass Unternehmen sichergehen können, dass grüner Strom aus erneuerbaren Energien in ausreichender Menge für die Bedarfe der Zukunft vorhanden sein wird. Die Region Mittelholstein ist also bereits ziemlich fortschrittlich und in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung auf einem guten Weg. Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die heute schon hier leben, das genauso wahrnehmen und auch weiter tragen. Man muss nicht immer woanders hinschauen und den Finger auf das legen, was gerade nicht funktioniert. Viele Außenstehende schwärmen von Rendsburg. Auch von der Lebensqualität im Kernland zwischen den Meeren und den vergleichsweise günstigen Wohn- und Grundstückspreisen.
Was tun die hiesigen Unternehmen konkret, um Ausbildungswillige und Studierende, also die Fach- und Arbeitskräfte von morgen, in der Region zu halten?
Ich nehme wahr, dass sehr viel getan wird. Die Unternehmerschaft musste sich in den vergangenen Jahren stark verändern und hat sich quasi zum „Dienstleister“ der bestehenden und potenziellen Mitarbeitenden entwickelt. Es werden Ausbildungsmessen veranstaltet, Kampagnen angeschoben, es wird genetzwerkt und kooperiert, beispielsweise mit Schulen, mit Partnerinnen und Partnern wie der Wirtschaftsförderung oder der Kreishandwerkerschaft, es werden spezielle Programme aufgelegt, moderne Kommunikationsstrategien in den sozialen Medien aufgelegt. Mit einem Wort: Die Werbetrommel wird tüchtig gerührt.
Wie erfolgreich sind die lokalen Unternehmen mit ihren Bemühungen?
In unserer Region sind wir auf einem guten Weg. Es ist also keineswegs so, dass mehr Leute hier wegziehen als dazukommen. Dennoch haben wir – wie jede andere Region – zurzeit mehr Bedarf an Arbeitskräften, als wir ihn mit den vorhandenen Menschen decken können. Das liegt aber nicht an einer schlechten Vermarktung der Unternehmen und an einer schlechten Performance der Zuständigen für das Regionalmarketing , sondern ganz einfach am demografischen Wandel. Das bedeutet, dass immer weniger junge Menschen im arbeitsfähigen Alter dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Das bekommen natürlich auch wir zu spüren. Umso wichtiger ist es daher aus der Sicht der Unternehmerschaft, zu kommunizieren, dass es sich für junge Leute, die hier zur Schule gegangen sind, wirklich lohnt, hierzubleiben, um eine duale Ausbildung zu beginnen oder zu studieren. Das Leben fängt nicht erst hinter Hamburg an.
Was tun Unternehmen noch, um geeignete Arbeitskräfte zu finden und zu halten?
Sie werden flexibler. Nehmen wir beispielsweise die Integration von Geflüchteten oder von Menschen mit Migrationshintergrund, die Berufs- und Schulabschlüsse im Ausland gemacht haben. Da haben sich unsere Unternehmen deutlich verbessert und sie öffnen sich immer weiter. Sie ermöglichen Sprachunterricht, betreuen und unterstützen auch ganz viel persönlich, kümmern sich um Behördenangelegenheiten, die Anerkennung von Zeugnissen und vieles mehr. Denn diese Menschen brauchen auch Unterstützung neben dem Job. Aber ich will jetzt gar nicht so sehr auf das Defizitäre hinaus, sondern vielmehr darauf, dass unsere Unternehmen immer stärker merken: Der Einsatz lohnt sich. Wir beobachten: Der Einstieg von Zuwanderern als Arbeitskraft ins Unternehmen, das wird mehr. Und es wird auch immer besser. Denn letztlich fördert Vielfalt die interkulturelle Kompetenz des ganzen Unternehmens. Gerade für Unternehmen, die weltweit agieren, die im Ausland verstanden werden möchten, die einen globalen Markt bedienen, ist der Zuwachs an internationaler Weltläufigkeit Gold wert.
Herr Schulze, wir danken Ihnen für die wertvollen Einblicke in die wirtschaftliche Entwicklung der Region Rendsburg-Eckernförde.
TEXT Natascha Pösel
FOTO UV Mittelholstein