Kai Petersen ist Professor für Software Engineering an der Hochschule Flensburg. Seine akademische Karriere startete 2004 an gleichem Ort, der damaligen FH Flensburg, als Bachelorabsolvent im Fach Wirtschaftsinformatik. Bevor er Ende 2017 an seine Alma Mater zurückkehrte, sammelte er Erfahrungen als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Duisburg-Essen, hospitierte als Industriedoktorand beim schwedischen IT- Konzern Ericsson und entwickelte sich in Projekten mit Global Playern, wie Sony, Axis, Volvo, Qvantel, Opel, Scania und Softhouse zu einem der gefragtesten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Softwareentwicklung. In Flensburg lehrt er im Studiengang Wirtschaftsinformatik (B.Sc.).
ME2BE CAMPUS: Moin, Herr Professor Petersen. Sie sind nur wenige Kilometer entfernt, in Schuby, aufgewachsen und haben an der ehemaligen FH Flensburg Wirtschaftsinformatik studiert. Wie fühlt es sich an, nun als Professor im Hörsaal zu stehen?
Kai Petersen: Das fühlt sich sehr gut an. Ich bin mit der Hochschule Flensburg seit meinem Studium eng verbunden und assoziiere sie mit Praxisnähe und einer angenehmen Atmosphäre. Dieses Wohlgefühl habe ich bei meiner Rückkehr im September 2017 sofort wieder gespürt.
Sie sind Professor für ‚Software Engineering’. Bitte erklären Sie kurz, was man unter diesem Begriff versteht.
Unter dem Begriff ‚Software Engineering’ werden jene Prozesse zusammengefasst, in denen Software auf Basis gesicherter Methoden entwickelt und in bestehende Lösungen integriert wird. Software Engineering erfordert nicht nur informationstechnisches Knowhow, sondern auch kommunikative und kooperative Fähigkeiten, denn am Ende erwartet ein Kunde eine passende Lösung für ein Produkt.
Welche Voraussetzungen benötigen Schülerinnen und Schüler, um durch das Studium der Wirtschaftsinformatik in diesem Bereich später arbeiten zu können?
Ein Interesse an Computertechnik sollte vorhanden sein. Für den Bachelorstudiengang benötigt man aber keine fundierten Programmierkenntnisse. Eine grundsätzlich gute Voraussetzung für Softwareentwicklung ist die Affinität zu Knobelaufgaben und Problemlösungen. Programmieren ist wie permanentes Rätselraten. Sie müssen außerdem Freude an der Arbeit im Team haben und gerne kommunizieren. Software-Entwicklung ist eine soziale Tätigkeit.
Warum sind Softwareentwickler auf dem Arbeitsmarkt so begehrt?
‚Software drives the world!’ Wir sind von Softwareprodukten umgeben und diese stellen immer komplexere Anforderungen an die Entwicklung und Programmierung. Große Softwareprodukte basieren auf Millionen Codezeilen. In global operierenden Unternehmen arbeiten viele Personen an den Produkten, zum Teil an mehreren Standorten und in verschiedenen Ländern gleichzeitig. Die beruflichen Perspektiven in der Softwareentwicklung sind hervorragend.
Inwieweit bereitet das Studium der Wirtschaftsinformatik auf eine spätere Tätigkeit im IT-Bereich vor?
In unserem Curriculum bieten wir viele praxisorientierte Lehrveranstaltungen sowie die Möglichkeit, Unternehmenspraktika zu absolvieren. Auch die Abschlussarbeiten werden in der Regel zu spezifischen Sachverhalten der jeweiligen Unternehmen geschrieben. Dadurch ergeben sich später gewaltige Vorteile, weil wir Wissenschaft schnell anwenden. Als ich beispielsweise nach meinem Studium zur Firma Ericsson nach Schweden wechselte, fiel mir der Einstieg leicht, weil ich praxisnah studiert hatte! Die Wirtschaftsinformatik selber liefert außerdem eine für Unternehmen sehr interessante Mischung aus Themen wie Big Data, Business Intelligence, Informatikthemen (Programmierung und Software Engineering) und Betriebswirtschaft.
Haben Sie Beispiele für praxisnahe Projekte?
In der Veranstaltung ‚Softwareprodukte’ erhalten Studierende zum Beispiel die Aufgabe, Softwaresysteme selbständig zu entwickeln. Die Ergebnisse erstaunen mich immer wieder! Zuletzt präsentierte eine Gruppe einen selbstgebauten Cocktailmixer, der über eine App diverse Cocktails zubereiten konnte und alle unterschiedlichen Mengenangaben gespeichert hatte. Eine andere Gruppe hatte eine App zur Bierbewertung programmiert und das Produkt in selbstbedruckten T-Shirts mit einem eigens gestalteten Firmenlogo und dem Slogan „Better Beer“ vorgestellt!
Worauf legen Sie in der Lehre Wert? Was versuchen Sie Ihren Studierenden zu vermitteln?
Ich möchte keine Methode präsentieren, nach der anschließend alle vorgehen, sondern ermutige meine Studierenden, sich zur Orientierung eine Landkarte der relevanten Themen zu zeichnen. Damit können sie sich eine Art Toolbox zusammenzustellen, die jene Werkzeuge enthält, die sie zur Lösung ihrer zukünftigen Aufgaben benötigen.
Welche Softwarethemen werden uns in der Zukunft beschäftigen?
Ein großes Zukunftsthema heißt: Geschwindigkeit. Zukünftig wird es noch stärker darauf ankommen, der Erste zu sein, der eine innovative Idee in ein gutes Produkt überführt. Dazu gehört auch, möglichst schnell Feedbacks von Kunden zu erhalten und zuverlässige Tests durchzuführen. Wer möchte schon in ein autonomes Fahrzeug steigen, in dem die Bremssoftware nicht ausreichend getestet wurde?
TEXT Christian Dorbandt
FOTOS Sebastian Weimar